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Ignazio Albertini: Sonaten für Violine und Basso continuo

* Musikbeispiel: Ignazio Albertini - Sonata V (1.Satz) Über Leben und Werk des Komponisten Ignazio Albertini ist heute wenig bekannt. Geboren um 1644 wahrscheinlich in Mailand, wirkte Albertini lange Zeit in Wien und gehörte dort einer Gruppe von Musikern an, die dem Hof verbunden waren und in deren Mittelpunkt Johann Heinrich Schmelzer stand. Zu seinem Umfeld gehörten ebenso Nikolaus Adam Strungk und Heinrich Ignaz Franz Biber wie auch der Komponist, Theoretiker und Lehrer Johann Theile. Seine Kontakte zu Schmelzer, seine Bekanntschaft mit Karl Liechtenstein- Kastelkorn von Olmütz und seine Position am Hofe Eleonora Gonzagas, scheinen ihn als einen außergewöhnlichen Instrumentalisten auszuzeichnen, was seine Sonaten auch bestätigen können. * Musikbeispiel: Ignazio Albertini - Sonata IV (Ausschnitt) Diese 12 Sonaten für Violine und Basso continuo, die in ihrer Gesamtheit als "Sonatinae" betitelt wurden, aber jeweils mit "Sonata" bezeichnet sind, erschienen erst sieben Jahre nach seinem Tod und sind Leopold dem I. gewidmet. Die einzige Kopie dieser Sonaten liegt in der Bibliothèque Nationale, in der Sammlung Brossard in Paris, komponiert sind sie in Wien, veröffentlicht 1692 in Frankfurt von Philipp Fievet. Es sind technisch und kompositorisch eigenständige Werke, in denen sich der italienische Stil mit der virtuosen Violin-Tradition von Albertinis österreichischen und deutschen Zeitgenossen auf interessante Weise vermischt hat. Charakteristisch für diese 12 Sonaten sind starke Kontraste und ruhige Übergänge, metrisch freie Abschnitte wechseln mit starken rhythmischen Passagen ab und es gibt sehr melodiöse wie auch tänzerische Sätze. Typisch ist dabei die formal freie Entwicklung eines jeden Satzes. Zwei Sonaten, wie auch die anfangs gehörte 5., beginnen mit einem Praeludium, bei den anderen, zumeist dreisätzigen Sonaten steht ein Adagio oder eine Aria am Anfang und Ende. Aber es gibt auch Toccata-ähnliche Sätze, wie zum Beispiel in der 3. Sonate, in der sich langsame lyrischen Passagen mit kurzen schnellen Abschnitten abwechseln und so, wie es Hélene Schmitt interpretiert, ein geradezu improvisatorischer Charakter entsteht. * Musikbeispiel: Ignazio Albertini - Sonata III Ignazio Albertini, dessen Werdegang und Ausbildung weitgehend im Dunklen bleiben, wurde erstmals 1671 in einem Brief von Johann Heinrich Schmelzer erwähnt, einem der angesehensten Geiger des 17. Jahrhunderts und die führende Persönlichkeit der kaiserlichen Hofkapelle in Wien. Schmelzer hatte Albertini dem Prinzen-Bischof von Olmütz, Karl Liechtenstein- Kastelkorn empfohlen, der als Liebhaber virtuoser Violin-Musik galt. Es muss wohl zu Missstimmungen zwischen dem Bischof und Albertini gekommen sein, der offensichtlich über ein hitziges Temperament verfügte, worauf auch vielleicht sein gewaltsamer Tod hinzuweisen scheint, denn er wurde 1685 in Wien ermordet. Doch Schmelzer beteuerte in dem Brief, dass er "besagten Ignatium dem äußerlichen nach für einen feinen Menschen gehalten" habe. Im Alter von ca. 27 Jahren war Albertini in Wien, aber man weiß nicht, ob er die ganze Zeit bis zu seinem Tod dort blieb und welche Positionen er inne hatte . Das einzige , was bekannt ist, ist dass er kurz vor seinem Tod von Eleonora Gonzaga, der Witwe Ferdinands des III., die selbst auch sang und komponierte, engagiert wurde. Sie unterhielt eine 24-köpfige Kapelle, deren Musik 1666 als "stupendissima" bezeichnet wurde und sicherlich über einen hohen Standart verfügte. Die 12 Sonaten für Violine und Basso continuo gehören zu den wenigen bekannten Werken Albertinis, wurden aber hier erstmals eingespielt, wenn auch nicht vollständig. Hélène Schmitt hat sich die Sonaten 1-5, 7-9 und 12 ausgesucht und der Aufnahme noch drei Instrumentaltitel hinzugefügt: 2 Preludien für Theorbe von Angelo Michele Bartolotti, gespielt von Karl-Ernst Schröder, sowie eine Toccatina von Ferdinand Tobias Richter und die Toccata V von Johann Kaspar Kerll für Cembalo, gespielt von Jörg-Andreas Bötticher. Hélene Schmitt studierte Violine am Konservatorium in Metz und an der Musikhochschule in Paris sowie Barock-Violine bei Chiara Banchini in Genf und Basel. Sie ist Preisträgerin internationaler Wettbewerbe für Alte Musik unter anderem in Brügge, Amsterdam und Melk und arbeitet zusammen mit bekannten Alte-Musik-Formationen wie "Les Arts florissants", Ensemble 415, ornamente 99 und "I musici Gelosi". Darüber hinaus hat sie einen Lehrauftrag für Barock-Violine am Konservatorium in Toulouse. Dass sie auch auf eine sehr beeindruckende, stilsichere und virtuose Weise mit der solistischen Kammermusik des 17. und 18. Jahrhunderts vertraut ist, beweist einmal mehr die, inzwischen schon mit dem Diapason d'Or-Preis ausgezeichnete, CD mit diesen unkonventionellen Violinsonaten von Ignazio Albertini. Das Zusammenspiel mit dem Continuo ist absolut perfekt, und es entstehen wunderbare Klangfarben und atmosphärisch dichte Passagen, die bei aller Virtuosität immer eine große Leichtigkeit und Ausgewogenheit vermitteln. Dass man die Klang-Philosophie des Labels auch bei dieser Aufnahme nicht immer nachvollziehen mag, ist dabei nur ein kleiner Wermutstropfen, wie es auch wünschenswert wäre, wenn die Künstler mit Biographien im Booklet bedacht würden. Hören Sie abschließend noch die 12. g-moll Sonate von Albertini, in der der Komponist, im Gegensatz zu den anderen Sonaten, auch von der Doppelgriff-Technik ausgiebig Gebrauch machte. Er nahm hier eine Idee von Biber aus dessen Sonaten-Kollektion von 1681 auf, die mit einer "Trio Sonata" für eine einzige Violine und continuo endet. * Musikbeispiel: Ignazio Albertini - Sonata XII

Christiane Lehnigk |