Doris Schäfer-Noske: Mit seiner Beschreibung des Unsagbaren in der Erzählung "Der siebente Brunnen" hat Fred Wander 1971 eine Auseinandersetzung der deutschen Nachkriegsliteratur mit dem KZ-System ausgelöst. Er hatte das Grauen in Auschwitz und Buchenwald selbst durchlebt, seine Eltern und seine Schwester kamen im Konzentrationslager ums Leben. Und in seinen Werken hat Fred Wander sein Leben verarbeitet. Geboren wurde er in Wien als Sohn jüdischer Eltern. Vor den Nazis floh er nach Frankreich. 1942 wurde er dann nach Deutschland deportiert. Nach dem Krieg begann Wander zunächst in Österreich als Reporter und Fotograf. Dann übersiedelte er aus Bewunderung für den Kommunismus in die DDR und machte sich dort als Autor einen Namen. Nach dem Tod seiner Gattin, der Schriftstellerin Maxie Wander, kehrte er nach Österreich zurück. Nun ist er, wie gesagt, im Alter von 89 Jahren gestorben. Der Schriftsteller Erich Loest lernte Fred Wander in den 50er Jahren kennen, am Institut für Literatur "Johannes R. Becher" in Leipzig. Und ich habe ihn gefragt, was denn Fred Wander für ein Mensch war.
Erich Loest: Er kam aus Wien mit seiner Frau Maxie. Er kam zum Literaturinstitut als ein Kommunist. Den Kommunisten ging es sehr schlecht nach einer Wahlniederlage damals in Österreich. Viele Theaterleute und Literaten kamen in die DDR und er auch. Er war ein freundlicher Mensch, sanft, zurückhaltend, verletzlich. Er sprach sehr oft über das KZ, was er durchgemacht hatte. Es hatte ihn im Griff, dieses schreckliche Erlebnis. Und wir waren dann alle etwas hilflos ihm gegenüber. Hilfsbereit natürlich, er war ein guter Kamerad, ein guter Kumpel.
Schäfer-Noske: Wie hat sich denn seine Sicht der DDR im Laufe der Jahre dann verändert?
Loest: Ach, ihm ging es ja gut hier. Nach dem Literaturinstitutsbesuch von einem Jahr zog er nach Potsdam. Er war Österreicher, er hatte den Pass, mit dem man reisen konnte, den wir nicht hatten. Und so fuhr er nach Frankreich und nach Italien und brachte Bildreportagen mit. Seine Frau begann auch zu schreiben, sehr erfolgreich und es ging ihnen gut hier in der DDR.
Schäfer-Noske: Sein großes Thema war das Schicksal der europäischen Juden in der Nazi-Zeit. Kritiker haben da auch die immense Distanz bemängelt, mit der Wander doch diese Schlüsselphasen in seinem Leben geschildert hat. Haben Sie das auch so empfunden?
Loest: Nein, ich fand, wenn er darüber geschrieben hat und das ist eben vor allen Dingen diese genannte Novelle, dann war er mitten drin. Dann hat ihn das Grauen nicht losgelassen, dann schrieb er, auch anders als andere, die immer über den Kampf schrieben. Und es sind ja nun viele Juden ins Elend gekommen, die keine Kämpfer waren, die eben einfache Juden waren und sich nicht wehren konnten und wollten und untergegangen sind. Und das hat er auch geschrieben und das war ein etwas anderer Ton als Bruno Apitz oder die anderen, die immer eben den Kampf, auch noch im KZ, in den Mittelpunkt gestellt haben.
Schäfer-Noske: Sehen Sie da eine Parallele zwischen Fred Wander und Ihnen, die Sie ja beide ein sehr, ja, schlimme Phase in Ihrem Leben zum Thema Ihrer Werke gemacht haben?
Loest: Das gibt es schon. Sein zentrales Thema war Auschwitz und Buchenwald, eines meiner Themen ist Bautzen - etwas wovon er nicht losgekommen ist und ich nicht loskomme und gerade jetzt auch, in diesen Tagen, darüber wieder arbeite. Da gibt es eine Parallele. Zweitens, dass wir beide hofften, nach dem Zweiten Weltkrieg wird hier im Osten Deutschlands ein Sozialismus aufgebaut, in dem es sich leben ließ, für den es sich leben und kämpfen ließ. Das ist eine zweite Parallele. Dort trafen wir uns. Und wenn ich ihn dann später einmal gesehen habe, in Potsdam, oder ich habe ihn vor drei, vier Jahren in Wien besucht, dann kamen wir auf die alten Zeiten, dann kamen wir auf die alten Freunde, die nun schon fast alle tot sind und Fred nun auch.
Schäfer-Noske: Welchen Einfluss hatte denn Fred Wander auf seine Schriftstellerkollegen, auch auf die Freunde, die Sie angesprochen haben?
Loest: Er war nicht berühmt in der DDR. Ich weiß auch nichts von Preisen, die er bekommen hätte. Mag schon sein, aber bedeutsamer ist dann seine Frau geworden, Maxie, mit genauen Schilderungen - ein Mittelding zwischen Reportage, die schon ins Künstlerische hineingeht, sehr genau auf den Punkt gebracht, ungewöhnlich in der DDR. Und Maxie, die dann bald starb, war dann die Bedeutendere, die Bekanntere. Und nach ihrem Tod ist er doch traurig und mit Resignation wieder aus der DDR fort.
Schäfer-Noske: Welches Buch von Fred Wander hat Sie denn am meisten beeindruckt?
Loest: "Der siebente Brunnen", ohne Frage.
Erich Loest: Er kam aus Wien mit seiner Frau Maxie. Er kam zum Literaturinstitut als ein Kommunist. Den Kommunisten ging es sehr schlecht nach einer Wahlniederlage damals in Österreich. Viele Theaterleute und Literaten kamen in die DDR und er auch. Er war ein freundlicher Mensch, sanft, zurückhaltend, verletzlich. Er sprach sehr oft über das KZ, was er durchgemacht hatte. Es hatte ihn im Griff, dieses schreckliche Erlebnis. Und wir waren dann alle etwas hilflos ihm gegenüber. Hilfsbereit natürlich, er war ein guter Kamerad, ein guter Kumpel.
Schäfer-Noske: Wie hat sich denn seine Sicht der DDR im Laufe der Jahre dann verändert?
Loest: Ach, ihm ging es ja gut hier. Nach dem Literaturinstitutsbesuch von einem Jahr zog er nach Potsdam. Er war Österreicher, er hatte den Pass, mit dem man reisen konnte, den wir nicht hatten. Und so fuhr er nach Frankreich und nach Italien und brachte Bildreportagen mit. Seine Frau begann auch zu schreiben, sehr erfolgreich und es ging ihnen gut hier in der DDR.
Schäfer-Noske: Sein großes Thema war das Schicksal der europäischen Juden in der Nazi-Zeit. Kritiker haben da auch die immense Distanz bemängelt, mit der Wander doch diese Schlüsselphasen in seinem Leben geschildert hat. Haben Sie das auch so empfunden?
Loest: Nein, ich fand, wenn er darüber geschrieben hat und das ist eben vor allen Dingen diese genannte Novelle, dann war er mitten drin. Dann hat ihn das Grauen nicht losgelassen, dann schrieb er, auch anders als andere, die immer über den Kampf schrieben. Und es sind ja nun viele Juden ins Elend gekommen, die keine Kämpfer waren, die eben einfache Juden waren und sich nicht wehren konnten und wollten und untergegangen sind. Und das hat er auch geschrieben und das war ein etwas anderer Ton als Bruno Apitz oder die anderen, die immer eben den Kampf, auch noch im KZ, in den Mittelpunkt gestellt haben.
Schäfer-Noske: Sehen Sie da eine Parallele zwischen Fred Wander und Ihnen, die Sie ja beide ein sehr, ja, schlimme Phase in Ihrem Leben zum Thema Ihrer Werke gemacht haben?
Loest: Das gibt es schon. Sein zentrales Thema war Auschwitz und Buchenwald, eines meiner Themen ist Bautzen - etwas wovon er nicht losgekommen ist und ich nicht loskomme und gerade jetzt auch, in diesen Tagen, darüber wieder arbeite. Da gibt es eine Parallele. Zweitens, dass wir beide hofften, nach dem Zweiten Weltkrieg wird hier im Osten Deutschlands ein Sozialismus aufgebaut, in dem es sich leben ließ, für den es sich leben und kämpfen ließ. Das ist eine zweite Parallele. Dort trafen wir uns. Und wenn ich ihn dann später einmal gesehen habe, in Potsdam, oder ich habe ihn vor drei, vier Jahren in Wien besucht, dann kamen wir auf die alten Zeiten, dann kamen wir auf die alten Freunde, die nun schon fast alle tot sind und Fred nun auch.
Schäfer-Noske: Welchen Einfluss hatte denn Fred Wander auf seine Schriftstellerkollegen, auch auf die Freunde, die Sie angesprochen haben?
Loest: Er war nicht berühmt in der DDR. Ich weiß auch nichts von Preisen, die er bekommen hätte. Mag schon sein, aber bedeutsamer ist dann seine Frau geworden, Maxie, mit genauen Schilderungen - ein Mittelding zwischen Reportage, die schon ins Künstlerische hineingeht, sehr genau auf den Punkt gebracht, ungewöhnlich in der DDR. Und Maxie, die dann bald starb, war dann die Bedeutendere, die Bekanntere. Und nach ihrem Tod ist er doch traurig und mit Resignation wieder aus der DDR fort.
Schäfer-Noske: Welches Buch von Fred Wander hat Sie denn am meisten beeindruckt?
Loest: "Der siebente Brunnen", ohne Frage.