Freitag, 17. Mai 2024

Archiv


"Ihr steht auf der Gästeliste"

Was haben Vorlesungen und Politiker-Reden miteinander gemein? Manche Studenten sagen, beides rauscht an ihnen vorüber. Eine Gruppe von Studierenden, die zusammen die PR-Agentur Politikfabrik betreiben, will erreichen, dass junge Wahlberechtigte mehr wahrnehmen, was in der Politik passiert. Am Donnerstagabend bringt die "Wahl-Gang 05" zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung einen Werbespot in die Kinos.

Von Gerald Beyrodt | 01.09.2005
    "Ich finde, man sollte zur Wahl gehn, weil man damit sein Recht zur Mitbestimmung verdeutlicht."

    "Nur meckern bringt nichts, man muss sich schon engagieren, damit sich auch was ändert."

    "Ich würde wählen gehen, weil ich selber bestimmen will, wer mich im Bund vertritt."

    Wo sie nur können, werben die Studierenden von der
    " Wahl-Gang 05" für das Kreuz auf dem Stimmzettel. Bundesweit touren sie durch Schulen, bieten eine Telefon-Hotline mit Prominenten an, bringen Jugendliche mit Politikern zusammen. Heute Abend kommt ein Werbespot der "Wahl-Gang" und der Bundeszentrale für politische Bildung in die Kinos und ins Fernsehen:

    Drei Jugendliche kommen an einem Sonntagmorgen verschwitzt aus der Diskothek, sehen auf der anderen Straßenseite Licht. Ein Club, denken sie, und wollen eintreten. Der Türsteher fragt, nach ihren Papieren
    "Die Ausweise, bitte!"
    Sie zweifeln schon, ob sie in den Laden hineinkommen, doch dann geht alles glatt
    "Alles klar."
    "Ey, wir stehen aufer Gästeliste!"

    Der In-Club: ein Wahllokal. Die Botschaft: "Ihr steht auf der Gästeliste", ihr seid Bürger und könnt mitentscheiden, macht davon Gebrauch! Nicht nur im Spot feiert die "Wahl-Gang" Parties, sondern lädt auch in ihre Räume in Berlin Mitte ein. Häufig kommen über 500 Jugendliche zur Lounge Party. Über Politik muss keiner reden, aber jeder darf, erzählt die studentische Projektleiterin Helene Sohn.


    "Das soll halt eher ne Möglichkeit sein für diese Leute, wo man sagen würde, vielleicht gehen die sonst eher nicht wählen, sind nicht politisch interessiert, herzukommen und mal in ihrer üblichen Freizeitbeschäftigung an die Politik herangeführt zu werden."

    Trotz aller Parties empfiehlt die "Wahl-Gang" den Politikern, bei der Zielgruppe der Jugendlichen nicht nur an Diskotheken und durchtanzte Nächte zu denken. Politiker müssen ernsthaft und auf Augenhöhe mit den Jugendlichen reden, rät Gregor Scheppan.

    "Ich hab ganz oft festgestellt, dass Parteien versuchen, ein erst- und jungwählerspezifisches Programm auf die Beine zu stellen, das sie dann aber nur auf den Spaßfaktor abstellen. Und ich denke, das wird der ganzen Sache nicht gerecht. Jeder, auch Jung- und Erstwähler, die sich für Politik interessieren, wollen als gleichberechtigt wahrgenommen werden und nicht irgendwie als spaßende Jubeltruppen herhalten. Das ist ein ganz großes Problem der Parteien."

    Vor dem Büro in Berlin Mitte wird heftig gehämmert und gebaut, doch die studentische Politikfabrik funktioniert wie eine professionelle PR-Agentur. Mit einigem Selbstbewusstsein sprechen die Studierenden von ihren Erfahrungen.
    "Die sind eigentlich fast nicht bezahlbar. Gerade auch berufsqualifizierend ist es hervorragend, weil viele Firmen einfach schon Berufserfahrung schon voraussetzen. Und wenn man dann sagen kann ich hab nicht nur ein Praktikum gemach, sondern Berufserfahrung gesammelt, dann ist das ein ganz großer Wettbewerbsvorteil."