Arndt Reuning: Seit Samstag treffen sich in Genf tausend Fachleute für den Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten auf der CITES-Konferenz. CITES, das ist das Washingtoner Artenschutzabkommen. Ein kontroverses Thema dort: Der Schutz der Elefanten, die wegen ihrer Stoßzähne illegal gejagt werden. Länder im südlichen Afrika haben Erfolge beim Schutz der Dickhäuter vorzuweisen und würden daher die Vorschriften nun gerne lockern. Andere Regionen, in denen sich die Bestände noch nicht so gut erholt haben, stellen sich jedoch dagegen; ein eher uneinheitliches Bild also.
Severin Hauenstein von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat Daten eines Elefanten-Monitoring-Programms ausgewertet und berechnet, wie sich Zahl der illegalen Abschüsse von Elefanten über einen Zeitraum von rund 15 Jahren entwickelt hat. Ich wollte von ihm wissen: Hat das Problem der Wilderei von Elefanten zugenommen?
Severin Hauenstein: Wir haben in unserer Analyse einen Höhepunkt oder einen vorläufigen Höhepunkt im Jahr 2011 beobachtet. Vorher waren die Wilderei-Raten um die Jahre Anfang 2000 eher gering. Allerdings gab es dann einen starken Anstieg auf über zehn Prozent. Danach hatten wir dann einen Rückgang bis 2017 beobachtet, wo wir jetzt bei etwa vier Prozent liegen. Allerdings ist es so, dass selbst bei vier Prozent man immer noch von einem Populationsrückgang ausgehen muss. Weil die Reproduktionsraten, die können durchaus bei fünf Prozent liegen, allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die die Mortalität kompensieren können. Weil zu den illegal getöteten Elefanten natürlich die natürlichen Toten noch dazukommen und so die Gesamtmortalität voraussichtlich über vier Prozent liegen dürfte.
"In wohlhabenderen Staaten wird kaum gewildert"
Reuning: Das heißt, Entwarnung kann man noch nicht geben?
Hauenstein: Das ist richtig. Der Rückgang, das ist durchaus ein Erfolg, und wenn man davon ausgeht, dass das auf Kampagnen zum Beispiel in Asien zurückgeht, die die Elfenbeinnachfrage reduzieren sollen, dann wäre das schon ein sehr starker Erfolg. Ob das wirklich so ist, konnten wir nicht rausfinden. Es gibt aber durchaus auch andere positive Aspekte, unter anderem eben dass die Armut, die etwas nachlässt in einigen Staaten, sich durchaus positiv auf rückgehende Wilderei-Zahlen auswirkt.
Reuning: Aber offenbar gibt es ja doch deutliche Unterschiede, wie erfolgreiche einzelne Länder, verschiedene Regionen im Kampf gegen die Wilderei vorgehen. Haben Sie dafür eine Bestätigung gefunden in den Zahlen, die Ihnen vorliegen?
Hauenstein: Das ist richtig. Die Wilderei-Rate oder die Wilderei-Intensität variiert sehr stark zwischen den Ländern und auch zwischen den Ökosystemen, in denen die Elefanten sich aufhalten. Dazu vielleicht das Beispiel, dass in Gebieten, die ärmer sind, wie jetzt in der Zentralafrikanischen Republik, dort ist die Anzahl der illegal getöteten Elefanten relativ zu der Gesamtanzahl der beobachteten Toten deutlich höher als in wohlhabenderen Staaten wie in Botswana oder Südafrika, wo kaum gewilderte Elefanten gefunden wurden.
Elfenbeinpreis in China beeinflusst Wilderei in Afrika
Reuning: Das heißt, die Armut der Menschen vor Ort ist einer der Hauptgründe dafür, dass Elefanten immer noch illegal geschossen werden?
Hauenstein: Mitunter. Korruption hat einen sehr ähnlichen starken Effekt gezeigt, und das sind natürlich auch wiederum sogenannte Proxyvariablen für andere Kennzahlen, die die Bedingungen vor Ort beschreiben würden.
Reuning: Proxy, das heißt, das sind Stellvertreter, die wieder andere Umstände angeben.
Hauenstein: Genau, richtig. Gleichzeitig dazu gilt auch: Der Einfluss vom Elfenbeinpreis, vom Mammutelfenbeinpreis muss man dazu sagen, in China zeigt ein deutlich größeren Effekt auf die Wilderei-Raten in Afrika.
Reuning: Das heißt, wir haben es hier mit zwei Variablen zu tun, mit dem Angebot und der Nachfrage, und die Nachfrage findet vor allem statt auf dem asiatischen Markt?
Hauenstein: Das ist korrekt, genau. Also die Nachfrage, die findet überwiegend in China, in Hongkong und in Macao statt. Allerdings gibt es durchaus andere Länder, die auch im Elfenbeinhandel Mitdarsteller sind. Allerdings haben wir uns in unserer Analyse auf die genannten Länder beschränkt. Dort finden wir einen sehr starken Zusammenhang zwischen dem jährlich variierenden Elfenbeinpreis von Mammutelfenbein und der Anzahl der gewilderten Elefanten in Afrika.
Armut- und Korruptionsbekämpfung wirksamer als Wildhüter
Reuning: Welche Empfehlungen zum Management der Elefantenherden, der Bestände in Afrika geben Sie denn aufgrund Ihrer Ergebnisse?
Hauenstein: Das ist eine ganz schwierige Frage. Es ist vergleichsweise einfach, den Elefantenschutz durch gut ausgerüstete Wildhüter als etwas zu identifizieren, was sie unmittelbar tun können, was sich eben auch in der Vergangenheit als durchaus wirksam gezeigt hat. Allerdings dagegen ist es deutlich weniger greifbar und viel schwieriger, die systemischen Probleme wie Armut und Korruption anzugehen, obwohl das ultimativ potenziell wirksamer sein könnte, natürlich auch mit vielen weiteren Vorteilen verbunden wäre.
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