Gewerkschafter:
Wenn sie morgens früh an die Frankfurter Großmarkthalle gehen, das heißt- so der Spitzname – Polenmarkt, da stehen die Arbeitnehmer mit ihren Plastiktüten, werden abgeholt und die sind früh, dass sie dann für fünf Mark den Garten machen oder Fliesen verlegen dürfen. Klagen tut kaum einer, nur wenn sie gar nichts mehr kriegen.
Jesuit:
Illegale arbeiten sowohl im Privatsektor, als Haushaltshilfe, in der Kranken- und Altenpflege. Hier ist es einfach so, dass ein regulärer Pflegedienst mit den Geldmitteln, die zur Verfügung stehen, oft gar nicht finanzierbar wäre. Und dass man deswegen versucht, reguläre Pflegedienste durch illegale Billigstarbeitskräfte zu ergänzen.
Antirassismus-Aktivistin:
Und das ist der Teil, der von der globalisierungskritischen Bewegung sehr oft vernachlässigt wird, wo sehr oft thematisiert wird, die Güter- und Finanzströme, der Warenverkehr, wo aber nicht thematisiert wird: die globale Migration, die Rechte von Migranten weltweit.
Selten hat ein Musiker mehr zur Problematisierung der Lage illegaler Einwanderer beigetragen, wie in den letzten Jahren der Spanier Manu Chao - mit Liedern wie "Clandestino illegal" – und anderen Balladen über das Elend der Einwanderer in Südeuropa oder an der mexikanisch- us-amerikaninschen Grenze.
Auch in der deutschen Antiglobalisierungsbewegung ist Manu Chao ein Star – doch das Thema der illegalen Einwanderung ist in der deutschen Öffentlichkeit trotzdem noch lange nicht so präsent, wie zum Beispiel in Spanien oder Frankreich:
Das Allerwichtigste, das ich denke, was Deutschland Not tut, ist, dass man sich einmal öffentlich zu diesem Problem bekennt und sich einmal öffentlich mit diesem Thema auseinandersetzt. Was bisher läuft, ist alles inoffiziell, hinter verschlossenen Türen, wo sehr viel Verständnis da ist, aber eine große Angst besteht, sich auch öffentlich zu diesem Thema zu bekennen.
Pater Jörg Alt gilt in Deutschland als einer der besten Kenner der illegalen Flüchtlingsszene. In der Berliner Neuen Kantstraße 1. , in einem profanen Gebäude an der Hauptstraße im Berliner Bezirk Charlottenburg, hat der Jesuitenorden seine Flüchtlings-Beratungsstelle eingerichtet.
Ordensleute und Rechtsanwälte betreiben hier eine Anlaufstelle für Einwanderer, wie kirchliche und andere karitative Organisationen sie vielerorts eingerichtet haben - oft auch unauffällig. Jörg Alt berichtet von einer aktuellen Umfrage der Europäischen Organisation Picum - die Abkürzung steht für "Platform for action on undocumented migration.":
Die haben ne Umfrage gemacht, wie es mit den Unterstützungsstrukturen in den verschiedenen europäischen Ländern steht. Die haben festgestellt, dass in keinem Land Europas eine dermaßen aktive Unterstützungsszene existiert, wie in Deutschland. Aber eben im Untergrund, das heißt nicht erkannt.
Weil der Begriff "Illegale" für ihn eigentlich schon einen kriminellen Unterton hat, benutzt Serhat Karakayali von der anti-rassistischen Gruppe "Kanak attak" lieber den französischen Begriff "sans papiers", die "Papierlosen", wenn er von den Menschen spricht, die ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland leben:
Die Schätzungen darüber, wie viele "sans papiers" es in Deutschland gibt, gehen weit auseinander, weil das natürlich nicht richtig zu ermitteln ist. Sie liegen zwischen einer halben Million und 1,2 Millionen. Das sind die Leute, die wenn sie von BGS oder Polizei aufgegriffen würden, möglicherweise abgeschoben werden würden.
Genauere Zahlen kann auch der Jesuitenpater Jörg Alt nicht nennen – trotz intensiver Feldstudien in den letzten Jahren. Bevor Alt seine Arbeit in der Berliner Flüchtlingsberatungsstelle aufnahm, sammelte er vor allem in Leipzig Erfahrungen mit illegalen Einwanderern. Der Pater unterteilt sie in drei Gruppen:
Im Moment würde ich das Verhältnis wie folgt anlegen: Ca. 60 Prozent der Illegalen in Deutschland sind hier, um zu arbeiten, ca. 20 kommen aus humanitären Motivationen, sei es als Flüchtlinge oder um eine Familieneinheit in Deutschland herzustellen, und 20 Prozent kommen her, weil sie von verbrecherischen Organisationen hergebracht wurden.
Es ist für Jörg Alt und seine Mitarbeiter mitunter nicht ganz ungefährlich, bei der Arbeit für die Flüchtlinge den Interessen der Schlepperorganisationen in die Quere zu kommen – wie es zum Beispiel bei den Recherchen im ostdeutschen Milieu geschah:
Als in Leipzig während meiner Feldstudie bei der Ausländerbehörde jemand verhaftet wurde, der falsche Pässe verkauft hatte, war sofort der Verdacht da, dass ich eben dies verraten hätte, aufgrund meiner Feldkenntnisse. Ich selbst bin damals nicht unter Druck geraten. Aber einige meiner Kontaktpersonen, die mit mir zusammengearbeitet haben, die bekamen sehr wohl massive Drohungen aus dem Milieu und es hat uns ziemlich viel Arbeit und Mühe gekostet, den Verdacht zu zerstreuen, der damals entstanden ist.
Während Flüchtlingsbetreuer auf der einen Seite Ärger mit kriminellen Fluchthelfern und Schleppern bekommen können, droht auf der anderen Seite das Gesetz. Denn wer sich regelmäßig um Einwanderer ohne Papiere kümmert, läuft Gefahr, selbst illegal zu handeln. So stehen auch schon mal Flüchtlingsbetreuer vor Gericht. Der Vorwurf: Beihilfe zum illegalen Aufenthalt . Jörg Alt:
Hier ist eine rechtliche Grauzone, weil unklar ist, ob zum Beispiel Krankenhaus-Verwaltungen oder Schulverwaltungen, zu deren originärer Aufgabe es eben nicht gehört, illegale Aufenthaltsverhältnisse aufzudecken, sondern Menschen in spezifischen Notlagen zu helfen, ob solche Institutionen dazu verpflichtet sind, die Ausländerbehörde zu informieren.
Die Organisationen, die sich hierzulande für Menschen ohne gültige Papiere einsetzen und damit rechtlichen Ärger riskieren, schauen ein wenig neidisch nach Frankreich. Denn auch dort sollte die Hilfeleistung für illegale Einwanderer eigentlich unter Strafe gestellt werden.
Dieses Gesetzesvorhaben löste dann aber die breite Kampagne für die "sans papiers", die Menschen ohne Papiere, aus - getragen von Migranten-Organisationen und Gewerkschaften. Jürgen Hinzer, Sekretär der Gewerkschaft NGG- Nahrung, Genuss, Gaststätten, erlebte eine öffentliche Aktion der französischen Gewerkschaft CGT in Orleans mit:
Und da hat die CGT den Dom von Orleans besetzt. Und saß mit denen ohne Papiere dort und kämpfte dort öffentlich, damit die dort Aufenthaltsgenehmigungen bekamen. Und das hoffe ich, dass wir das auch in Deutschland verstärkt hinkriegen, das als eine Sache der gesamten Gewerkschaften und auch unorthodoxe Sachen machen: Wenn in Berlin zum Beispiel mal die Oper besetzt würde mit Leuten ohne Aufenthaltsgenehmigung, an der Spitze mit Michael Sommer, das wird Wirkungen zeigen.
Dass die Gewerkschaft NGG sich zunehmend dafür interessiert, wie Arbeitnehmer-Organisationen in anderen Ländern dem Problem der Illegalen begegnen, hat mit eigenen Erfahrungen zu tun. Die illegale Beschäftigung beispielsweise im Nahrungsmittelgewerbe nimmt zu. Jürgen Hinzer:
Es war vor Wochen ein Fall, da kamen ungarische Metzger. Im tiefsten Westerwald haben sie gearbeitet für 2,50 € die Stunde, vier Mann in einem Zimmer, vierzehn Stunden täglich. Das sind so Verhältnisse, wo man im Grunde zurück will zum Frühkapitalismus. Und wir müssen unsere Kollegen in den Betrieben sensibilisieren, dass sie uns dies melden und dass man mit den Betroffenen dagegen angehen und dass sie dann auch Arbeitserlaubnisse in Deutschland bekommen.
Für eine öffentlichkeitswirksame Kampagne zur Legalisierung der heimlichen Beschäftigung will der Gewerkschafter vor allem Flüchtlingsorganisationen und Kirchen gewinnen.
Die Idee eines solchen Bündnisses wird auch von der Anti-Rassismus-Gruppe "Kanak Attak" unterstützt: Sie greift das Thema zum Beispiel in Theateraktionen auf. So geschehen am Schauspielhaus Frankfurt oder an der Berliner Volksbühne. Auch Ellen Bareis von "Kanak Attak" schaut dabei nach Frankreich:
Wenn man die letzte Bewegung in Frankreich nimmt, dann würde ich sagen, ist es in der Perspektive für Deutschland sehr, sehr wichtig, die Hilfeleistung für Illegalisierte straffrei zu machen. In Frankreich war diese Kampagne ja unter anderem deshalb gestartet worden, wie dort das Ausländerrecht verändert und unter anderem diese Hilfeleistung unter Strafe gestellt werden sollte, was dann verhindert wurde. Das sollte in die Kampagne mit aufgenommen werden.
Im Gegensatz zu Gewerkschaftern und Antirassismusgruppen hält der Flüchtlingsdienst der Jesuiten eine solche Legalisierungs-Kampagne allerdings nicht für geeignet, die Lage der Menschen ohne Papiere in Deutschland wirklich zu verbessern. 60 Prozent der illegalen Einwanderer suchen Arbeit – ihre Legalisierung würde die Nachfrage nach Billiglohn-Beschäftigung in vielen Branchen nicht bremsen, glaubt Pater Jörg Alt:
Von Legalisierungskampagnen, wie in anderen Ländern geschehen, halte ich persönlich wenig, weil diese Legalisierungskampagnen das Problem nicht lösen. Für die Leute, die dann legalisiert sind, rücken neue nach, weil ja eine Nachfrage nach diesen illegalen Billigstarbeitskräften besteht. Und auch Illegale sagen mir immer wieder: Wir wollen ja gar nicht legalisiert werden, wir wollen in Deutschland arbeiten. Und wenn wir legalisiert wären, wären wir für unsere Arbeitgeber viel zu teuer.
Solange es die Nachfrage nach illegalen Beschäftigten gäbe, werde es auch immer wieder Schlepperorganisationen und Unternehmer geben, die Menschen ohne Papiere systematisch auf kriminelle Weise ausbeuten, so der Jesuit. Das funktionierte beispielsweise in einem Fall so:
Die Leute kamen nach Deutschland, glaubten, es sei alles legal, sie arbeiteten, erhielten immer weniger Lohn mit der Begründung, der Auftraggeber würde nicht zahlen und die Restzahlungen würden am Ende des Projektes erfolgen. Und wie das Projekt tatsächlich zu Ende gewesen ist, stand auf einmal das Arbeitsamt vor der Tür, kassierte alle ein und schob sie ab. Natürlich war das Arbeitsamt durch einen gezielten Tipp dazu gebracht worden, die Arbeitnehmer zu verhaften, damit sie abgeschoben werden konnten.
Der Arbeitgeber zahlte zwar seine kleine Geldbuße, weil ihm nicht mehr nachgewiesen werden konnte, dass eben x-Illegale an genau dem Tag der Kontrolle auf seiner Baustelle gearbeitet hatten. Aber er macht natürlich einen riesengroßen Gewinn dadurch, dass er eben die ganzen Lohnzahlungen für sich behalten konnte.
Im Grunde darf es nicht geschehen, wenn die Kollegen hier aufgegriffen werden, dass sie noch nicht mal für ihre Arbeit, wenn sie gearbeitet haben, Geld bekommen. Sie sollten Geld bekommen für die Arbeit. Und diejenigen, die sie beschäftigt haben, sollen hohe Geldstrafen bekommen.
Jürgen Hinzer von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten versucht immer wieder, seinen Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben klar zu machen, wo aus seiner Sicht die eigentlich Verantwortlichen für die Illegale Beschäftigung zu suchen seien: In den Firmenleitungen und bei den Auftraggebern, die soziale Mindeststandards aus Preisgründen außer acht ließen.
Der Flüchtlingsdienst der Jesuiten fordert, die Rechte der illegalen Arbeitnehmer so zu stärken, dass sie kriminelle Machenschaften am Arbeitsplatz selbst anzeigen können. Pater Jörg Alt:
Deswegen fänden wir es auch wichtig, dass es Illegalen ermöglicht wird, zu bestimmten Polizeidienststellen gehen zu können, ohne dass die Polizei dann im Rahmen des Legalitätsprinzips dann auch gleichzeitig dazu verpflichtet wäre, bei einem illegalen Aufenthaltsverhältnis tätig zu werden. In Amerika ist es so, dass es eine Polizeitruppe gibt, deren Aufgabe es ist, illegale Aufenthalte aufzudecken, und andere Polizeikräfte haben damit zu tun, Verbrechen zu bekämpfen. Wenn dort Illegale hingehen und ein Verbrechen anzeigen, dann wird ihnen Schutz gegen ihre Ausbeuter gegeben, ohne das gleichzeitig Daten an die Ausländerpolizei weitergegeben werden.
Die Betriebe, die ich betreue, in meinem Bereich, die kriegen den Hals nicht voll: Höchst möglichen Profit. In Taunusstein-Wehen wurden dreizehn ukrainische Näherinnen verhaftet, die haben für einen Euro ohne Arbeitserlaubnis gearbeitet, vierzehn Stunden täglich nach dem Motto: Geht es noch etwas billiger.
Jürgen Hinzer hat beobachtet, dass immer mehr Frauen illegal nach Deutschland kommen, um hier zu arbeiten. Auch Klaus Alt kam bei seinen Recherchen zu dem Ergebnis: Frauen stellen einen immer größeren Anteil der Menschen, die ohne Papiere hier leben und arbeiten. Doch es gibt offenbar noch große regionale Unterschiede. Während nach Schätzung des Jesuiten-Paters in Leipzig 90 Prozent der Illegalen Männer waren, die auf dem Bau arbeiteten, sieht es in der bayerischen Metropole so aus:
In München war es jetzt völlig anders gewesen, weil in München primär eben nicht Leute gesucht werden, die auf dem Bau tätig sind, das ist vielen zu riskant, weil sie Angst vor Kontrollen haben. Sondern in München ist der Schwerpunkt der illegalen Beschäftigung in Privathaushalten. Und da werden natürlich eher Frauen gesucht und beschäftigt als Männer.
Diese Entwicklung stellt nun Anforderungen auch an eine Gewerkschaft wie die IG Bau, die traditionell ja eher für die Männer mit Mörtel und Kelle zuständig ist. Ellen Bareis von "Kanak Attak":
Die IG Bau ist doppelt interessant, weil die nicht nur für die Bauarbeiter verantwortlich sind, unter denen es eine große Pendelbewegung über die Grenzen hinweg gibt, sondern auch für Frauen in der Gebäudereinigung. Dort ist der Markt der illegalisierten Beschäftigung und Ausbeutung relativ groß. Interessant ist in der Auseinandersetzung mit der IG Bau, dass es ein US-amerikanisches Vorbild gibt, eine Gewerkschaft dort, die es geschafft hat, die Anliegen der illegal Beschäftigten im Reinigungsgewerbe mit zu vertreten. Von dort aus haben sie wieder eine Basis gewonnen, von der aus sie kämpfen konnten und sehr viel durchgesetzt haben an Rechten.
Die Auseinandersetzung mit der Ausbeutung der Frauen ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, die als Putzfrauen in Büros oder Privatwohnungen eingesetzt werden, bestimmt aber auch hierzulande mehr und mehr den Alltag der Arbeitnehmer-Organisationen. Dabei stoßen sie teilweise auf Verhältnisse, die an Sklaverei erinnern. Jürgen Hinzer von der Gewerkschaft NGG erinnert sich an einen besonders drastischen Fall einer osteuropäischen Arbeitnehmerin in Limburg an der Lahn:
Bei der hat man das Trucksystem wieder eingeführt. Das Trucksystem ist vor hundert Jahren abgeschafft worden. Da bekamen die Arbeiter statt Lohn Kartoffeln und Kohle. Die bekam einen Grundlohn. Und Überstunden wurden abends abgerechnet, indem sie altes Brot und alten Kuchen mitbekam. Konnte man mit ihr machen, weil sie keine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis hatte. Und das haben wir deutlich gemacht. Und die Kollegin hat zwar Recht bekommen, aber musste dann auch wieder in ihre Heimat zurück.
(Jesuit) :
Prinzipiell denke ich, wäre Illegalität vermeidbar, wenn man Ermessenspielräume im Ausländer-, Asyl- und Familienrecht besser ausnützen würde. Illegalität wäre verringerbar, wenn man die Arbeitsmigration mit der Familienmigration vernetzt - übrigens eine der wenigen guten Fußnoten im neuen Zuwanderungsgesetz, die man entsprechend ausbauen könnte.
Das neue Zuwanderungsgesetz könnte auf der anderen Seite aber auch mehr Menschen in die Illegalität drängen, befürchten Flüchtlingsorganisationen. Unklar ist vor allem, was mit den ca. 250.000 Flüchtlingen geschieht, die bisher eine so genannte "Duldung" besitzen. Corinna Sandersfeld, Juristin beim Flüchtlingsdienst der Jesuiten:
Es wird einen Titel, der Duldung heißt, nicht mehr geben, sondern nach dem neuen Gesetz gibt es für die Personen, die jetzt eine Duldung haben, zwei Möglichkeiten: Sie können ihren Status verbessern, indem sie eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erhalten, sie können aber ihren Status verschlechtern, indem sie statt der Duldung eine so genannte Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung erhalten. Sie ist insofern auf jeden Fall schlechter, als damit keinerlei Arbeitsmöglichkeit verbunden ist.
Nach Schätzungen des Bundesinnenministeriums werden etwa zehn bis zwanzig Prozent der bisher mit einer Duldung ausgestatteten Flüchtlinge nach den Regelungen des neuen Zuwanderungsgesetzes einen besseren Aufenthaltsstatus bekommen. Aber vielen anderen könnte es schlechter gehen. Ihnen droht zum Beispiel die Unterbringung in sogenannten "Ausreisezentren". Die gibt es schon in einigen Bundesländern, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz. Das sind Abschiebungs-Lager mit Gemeinschaftsküche, meist ohne Arbeitsmöglichkeit. Corinna Sandersfeld:
Das sind alles Repressionen, die in vielen, vielen Fällen die falschen treffen können. Weil unser System es einfach nicht garantieren kann, dass es tatsächlich diejenigen findet, die eine falsche Geschichte erzählen, oder die tatsächlich einen Pass versteckt halten und sie von denen trennen kann, die wirklich beim besten Willen, weil sie auch schon im Heimatland Dokumente überhaupt nicht hatten, weil der Staat keine Pässe ausstellt, die deswegen beim besten Willen ihre Rückkehr nicht zustande bringen.
Gewerkschaftssekretär Jürgen Hinzer wird nicht müde, im Gespräch mit seinen Kollegen immer wieder eine einfache Wahrheit über die Menschen in Erinnerung zu rufen, die in Deutschland illegal, ohne Papiere leben:
Die kommen ja nicht aus Jux und Tollerei, um die deutschen Arbeitnehmer zu ärgern, weil es so schön ist, die Küchen zu putzen oder in der Fleischwarenfabrik zu stehen unter schlimmsten Bedingungen. Die Not treibt sie hier hin.
Wenn sie morgens früh an die Frankfurter Großmarkthalle gehen, das heißt- so der Spitzname – Polenmarkt, da stehen die Arbeitnehmer mit ihren Plastiktüten, werden abgeholt und die sind früh, dass sie dann für fünf Mark den Garten machen oder Fliesen verlegen dürfen. Klagen tut kaum einer, nur wenn sie gar nichts mehr kriegen.
Jesuit:
Illegale arbeiten sowohl im Privatsektor, als Haushaltshilfe, in der Kranken- und Altenpflege. Hier ist es einfach so, dass ein regulärer Pflegedienst mit den Geldmitteln, die zur Verfügung stehen, oft gar nicht finanzierbar wäre. Und dass man deswegen versucht, reguläre Pflegedienste durch illegale Billigstarbeitskräfte zu ergänzen.
Antirassismus-Aktivistin:
Und das ist der Teil, der von der globalisierungskritischen Bewegung sehr oft vernachlässigt wird, wo sehr oft thematisiert wird, die Güter- und Finanzströme, der Warenverkehr, wo aber nicht thematisiert wird: die globale Migration, die Rechte von Migranten weltweit.
Selten hat ein Musiker mehr zur Problematisierung der Lage illegaler Einwanderer beigetragen, wie in den letzten Jahren der Spanier Manu Chao - mit Liedern wie "Clandestino illegal" – und anderen Balladen über das Elend der Einwanderer in Südeuropa oder an der mexikanisch- us-amerikaninschen Grenze.
Auch in der deutschen Antiglobalisierungsbewegung ist Manu Chao ein Star – doch das Thema der illegalen Einwanderung ist in der deutschen Öffentlichkeit trotzdem noch lange nicht so präsent, wie zum Beispiel in Spanien oder Frankreich:
Das Allerwichtigste, das ich denke, was Deutschland Not tut, ist, dass man sich einmal öffentlich zu diesem Problem bekennt und sich einmal öffentlich mit diesem Thema auseinandersetzt. Was bisher läuft, ist alles inoffiziell, hinter verschlossenen Türen, wo sehr viel Verständnis da ist, aber eine große Angst besteht, sich auch öffentlich zu diesem Thema zu bekennen.
Pater Jörg Alt gilt in Deutschland als einer der besten Kenner der illegalen Flüchtlingsszene. In der Berliner Neuen Kantstraße 1. , in einem profanen Gebäude an der Hauptstraße im Berliner Bezirk Charlottenburg, hat der Jesuitenorden seine Flüchtlings-Beratungsstelle eingerichtet.
Ordensleute und Rechtsanwälte betreiben hier eine Anlaufstelle für Einwanderer, wie kirchliche und andere karitative Organisationen sie vielerorts eingerichtet haben - oft auch unauffällig. Jörg Alt berichtet von einer aktuellen Umfrage der Europäischen Organisation Picum - die Abkürzung steht für "Platform for action on undocumented migration.":
Die haben ne Umfrage gemacht, wie es mit den Unterstützungsstrukturen in den verschiedenen europäischen Ländern steht. Die haben festgestellt, dass in keinem Land Europas eine dermaßen aktive Unterstützungsszene existiert, wie in Deutschland. Aber eben im Untergrund, das heißt nicht erkannt.
Weil der Begriff "Illegale" für ihn eigentlich schon einen kriminellen Unterton hat, benutzt Serhat Karakayali von der anti-rassistischen Gruppe "Kanak attak" lieber den französischen Begriff "sans papiers", die "Papierlosen", wenn er von den Menschen spricht, die ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland leben:
Die Schätzungen darüber, wie viele "sans papiers" es in Deutschland gibt, gehen weit auseinander, weil das natürlich nicht richtig zu ermitteln ist. Sie liegen zwischen einer halben Million und 1,2 Millionen. Das sind die Leute, die wenn sie von BGS oder Polizei aufgegriffen würden, möglicherweise abgeschoben werden würden.
Genauere Zahlen kann auch der Jesuitenpater Jörg Alt nicht nennen – trotz intensiver Feldstudien in den letzten Jahren. Bevor Alt seine Arbeit in der Berliner Flüchtlingsberatungsstelle aufnahm, sammelte er vor allem in Leipzig Erfahrungen mit illegalen Einwanderern. Der Pater unterteilt sie in drei Gruppen:
Im Moment würde ich das Verhältnis wie folgt anlegen: Ca. 60 Prozent der Illegalen in Deutschland sind hier, um zu arbeiten, ca. 20 kommen aus humanitären Motivationen, sei es als Flüchtlinge oder um eine Familieneinheit in Deutschland herzustellen, und 20 Prozent kommen her, weil sie von verbrecherischen Organisationen hergebracht wurden.
Es ist für Jörg Alt und seine Mitarbeiter mitunter nicht ganz ungefährlich, bei der Arbeit für die Flüchtlinge den Interessen der Schlepperorganisationen in die Quere zu kommen – wie es zum Beispiel bei den Recherchen im ostdeutschen Milieu geschah:
Als in Leipzig während meiner Feldstudie bei der Ausländerbehörde jemand verhaftet wurde, der falsche Pässe verkauft hatte, war sofort der Verdacht da, dass ich eben dies verraten hätte, aufgrund meiner Feldkenntnisse. Ich selbst bin damals nicht unter Druck geraten. Aber einige meiner Kontaktpersonen, die mit mir zusammengearbeitet haben, die bekamen sehr wohl massive Drohungen aus dem Milieu und es hat uns ziemlich viel Arbeit und Mühe gekostet, den Verdacht zu zerstreuen, der damals entstanden ist.
Während Flüchtlingsbetreuer auf der einen Seite Ärger mit kriminellen Fluchthelfern und Schleppern bekommen können, droht auf der anderen Seite das Gesetz. Denn wer sich regelmäßig um Einwanderer ohne Papiere kümmert, läuft Gefahr, selbst illegal zu handeln. So stehen auch schon mal Flüchtlingsbetreuer vor Gericht. Der Vorwurf: Beihilfe zum illegalen Aufenthalt . Jörg Alt:
Hier ist eine rechtliche Grauzone, weil unklar ist, ob zum Beispiel Krankenhaus-Verwaltungen oder Schulverwaltungen, zu deren originärer Aufgabe es eben nicht gehört, illegale Aufenthaltsverhältnisse aufzudecken, sondern Menschen in spezifischen Notlagen zu helfen, ob solche Institutionen dazu verpflichtet sind, die Ausländerbehörde zu informieren.
Die Organisationen, die sich hierzulande für Menschen ohne gültige Papiere einsetzen und damit rechtlichen Ärger riskieren, schauen ein wenig neidisch nach Frankreich. Denn auch dort sollte die Hilfeleistung für illegale Einwanderer eigentlich unter Strafe gestellt werden.
Dieses Gesetzesvorhaben löste dann aber die breite Kampagne für die "sans papiers", die Menschen ohne Papiere, aus - getragen von Migranten-Organisationen und Gewerkschaften. Jürgen Hinzer, Sekretär der Gewerkschaft NGG- Nahrung, Genuss, Gaststätten, erlebte eine öffentliche Aktion der französischen Gewerkschaft CGT in Orleans mit:
Und da hat die CGT den Dom von Orleans besetzt. Und saß mit denen ohne Papiere dort und kämpfte dort öffentlich, damit die dort Aufenthaltsgenehmigungen bekamen. Und das hoffe ich, dass wir das auch in Deutschland verstärkt hinkriegen, das als eine Sache der gesamten Gewerkschaften und auch unorthodoxe Sachen machen: Wenn in Berlin zum Beispiel mal die Oper besetzt würde mit Leuten ohne Aufenthaltsgenehmigung, an der Spitze mit Michael Sommer, das wird Wirkungen zeigen.
Dass die Gewerkschaft NGG sich zunehmend dafür interessiert, wie Arbeitnehmer-Organisationen in anderen Ländern dem Problem der Illegalen begegnen, hat mit eigenen Erfahrungen zu tun. Die illegale Beschäftigung beispielsweise im Nahrungsmittelgewerbe nimmt zu. Jürgen Hinzer:
Es war vor Wochen ein Fall, da kamen ungarische Metzger. Im tiefsten Westerwald haben sie gearbeitet für 2,50 € die Stunde, vier Mann in einem Zimmer, vierzehn Stunden täglich. Das sind so Verhältnisse, wo man im Grunde zurück will zum Frühkapitalismus. Und wir müssen unsere Kollegen in den Betrieben sensibilisieren, dass sie uns dies melden und dass man mit den Betroffenen dagegen angehen und dass sie dann auch Arbeitserlaubnisse in Deutschland bekommen.
Für eine öffentlichkeitswirksame Kampagne zur Legalisierung der heimlichen Beschäftigung will der Gewerkschafter vor allem Flüchtlingsorganisationen und Kirchen gewinnen.
Die Idee eines solchen Bündnisses wird auch von der Anti-Rassismus-Gruppe "Kanak Attak" unterstützt: Sie greift das Thema zum Beispiel in Theateraktionen auf. So geschehen am Schauspielhaus Frankfurt oder an der Berliner Volksbühne. Auch Ellen Bareis von "Kanak Attak" schaut dabei nach Frankreich:
Wenn man die letzte Bewegung in Frankreich nimmt, dann würde ich sagen, ist es in der Perspektive für Deutschland sehr, sehr wichtig, die Hilfeleistung für Illegalisierte straffrei zu machen. In Frankreich war diese Kampagne ja unter anderem deshalb gestartet worden, wie dort das Ausländerrecht verändert und unter anderem diese Hilfeleistung unter Strafe gestellt werden sollte, was dann verhindert wurde. Das sollte in die Kampagne mit aufgenommen werden.
Im Gegensatz zu Gewerkschaftern und Antirassismusgruppen hält der Flüchtlingsdienst der Jesuiten eine solche Legalisierungs-Kampagne allerdings nicht für geeignet, die Lage der Menschen ohne Papiere in Deutschland wirklich zu verbessern. 60 Prozent der illegalen Einwanderer suchen Arbeit – ihre Legalisierung würde die Nachfrage nach Billiglohn-Beschäftigung in vielen Branchen nicht bremsen, glaubt Pater Jörg Alt:
Von Legalisierungskampagnen, wie in anderen Ländern geschehen, halte ich persönlich wenig, weil diese Legalisierungskampagnen das Problem nicht lösen. Für die Leute, die dann legalisiert sind, rücken neue nach, weil ja eine Nachfrage nach diesen illegalen Billigstarbeitskräften besteht. Und auch Illegale sagen mir immer wieder: Wir wollen ja gar nicht legalisiert werden, wir wollen in Deutschland arbeiten. Und wenn wir legalisiert wären, wären wir für unsere Arbeitgeber viel zu teuer.
Solange es die Nachfrage nach illegalen Beschäftigten gäbe, werde es auch immer wieder Schlepperorganisationen und Unternehmer geben, die Menschen ohne Papiere systematisch auf kriminelle Weise ausbeuten, so der Jesuit. Das funktionierte beispielsweise in einem Fall so:
Die Leute kamen nach Deutschland, glaubten, es sei alles legal, sie arbeiteten, erhielten immer weniger Lohn mit der Begründung, der Auftraggeber würde nicht zahlen und die Restzahlungen würden am Ende des Projektes erfolgen. Und wie das Projekt tatsächlich zu Ende gewesen ist, stand auf einmal das Arbeitsamt vor der Tür, kassierte alle ein und schob sie ab. Natürlich war das Arbeitsamt durch einen gezielten Tipp dazu gebracht worden, die Arbeitnehmer zu verhaften, damit sie abgeschoben werden konnten.
Der Arbeitgeber zahlte zwar seine kleine Geldbuße, weil ihm nicht mehr nachgewiesen werden konnte, dass eben x-Illegale an genau dem Tag der Kontrolle auf seiner Baustelle gearbeitet hatten. Aber er macht natürlich einen riesengroßen Gewinn dadurch, dass er eben die ganzen Lohnzahlungen für sich behalten konnte.
Im Grunde darf es nicht geschehen, wenn die Kollegen hier aufgegriffen werden, dass sie noch nicht mal für ihre Arbeit, wenn sie gearbeitet haben, Geld bekommen. Sie sollten Geld bekommen für die Arbeit. Und diejenigen, die sie beschäftigt haben, sollen hohe Geldstrafen bekommen.
Jürgen Hinzer von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten versucht immer wieder, seinen Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben klar zu machen, wo aus seiner Sicht die eigentlich Verantwortlichen für die Illegale Beschäftigung zu suchen seien: In den Firmenleitungen und bei den Auftraggebern, die soziale Mindeststandards aus Preisgründen außer acht ließen.
Der Flüchtlingsdienst der Jesuiten fordert, die Rechte der illegalen Arbeitnehmer so zu stärken, dass sie kriminelle Machenschaften am Arbeitsplatz selbst anzeigen können. Pater Jörg Alt:
Deswegen fänden wir es auch wichtig, dass es Illegalen ermöglicht wird, zu bestimmten Polizeidienststellen gehen zu können, ohne dass die Polizei dann im Rahmen des Legalitätsprinzips dann auch gleichzeitig dazu verpflichtet wäre, bei einem illegalen Aufenthaltsverhältnis tätig zu werden. In Amerika ist es so, dass es eine Polizeitruppe gibt, deren Aufgabe es ist, illegale Aufenthalte aufzudecken, und andere Polizeikräfte haben damit zu tun, Verbrechen zu bekämpfen. Wenn dort Illegale hingehen und ein Verbrechen anzeigen, dann wird ihnen Schutz gegen ihre Ausbeuter gegeben, ohne das gleichzeitig Daten an die Ausländerpolizei weitergegeben werden.
Die Betriebe, die ich betreue, in meinem Bereich, die kriegen den Hals nicht voll: Höchst möglichen Profit. In Taunusstein-Wehen wurden dreizehn ukrainische Näherinnen verhaftet, die haben für einen Euro ohne Arbeitserlaubnis gearbeitet, vierzehn Stunden täglich nach dem Motto: Geht es noch etwas billiger.
Jürgen Hinzer hat beobachtet, dass immer mehr Frauen illegal nach Deutschland kommen, um hier zu arbeiten. Auch Klaus Alt kam bei seinen Recherchen zu dem Ergebnis: Frauen stellen einen immer größeren Anteil der Menschen, die ohne Papiere hier leben und arbeiten. Doch es gibt offenbar noch große regionale Unterschiede. Während nach Schätzung des Jesuiten-Paters in Leipzig 90 Prozent der Illegalen Männer waren, die auf dem Bau arbeiteten, sieht es in der bayerischen Metropole so aus:
In München war es jetzt völlig anders gewesen, weil in München primär eben nicht Leute gesucht werden, die auf dem Bau tätig sind, das ist vielen zu riskant, weil sie Angst vor Kontrollen haben. Sondern in München ist der Schwerpunkt der illegalen Beschäftigung in Privathaushalten. Und da werden natürlich eher Frauen gesucht und beschäftigt als Männer.
Diese Entwicklung stellt nun Anforderungen auch an eine Gewerkschaft wie die IG Bau, die traditionell ja eher für die Männer mit Mörtel und Kelle zuständig ist. Ellen Bareis von "Kanak Attak":
Die IG Bau ist doppelt interessant, weil die nicht nur für die Bauarbeiter verantwortlich sind, unter denen es eine große Pendelbewegung über die Grenzen hinweg gibt, sondern auch für Frauen in der Gebäudereinigung. Dort ist der Markt der illegalisierten Beschäftigung und Ausbeutung relativ groß. Interessant ist in der Auseinandersetzung mit der IG Bau, dass es ein US-amerikanisches Vorbild gibt, eine Gewerkschaft dort, die es geschafft hat, die Anliegen der illegal Beschäftigten im Reinigungsgewerbe mit zu vertreten. Von dort aus haben sie wieder eine Basis gewonnen, von der aus sie kämpfen konnten und sehr viel durchgesetzt haben an Rechten.
Die Auseinandersetzung mit der Ausbeutung der Frauen ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, die als Putzfrauen in Büros oder Privatwohnungen eingesetzt werden, bestimmt aber auch hierzulande mehr und mehr den Alltag der Arbeitnehmer-Organisationen. Dabei stoßen sie teilweise auf Verhältnisse, die an Sklaverei erinnern. Jürgen Hinzer von der Gewerkschaft NGG erinnert sich an einen besonders drastischen Fall einer osteuropäischen Arbeitnehmerin in Limburg an der Lahn:
Bei der hat man das Trucksystem wieder eingeführt. Das Trucksystem ist vor hundert Jahren abgeschafft worden. Da bekamen die Arbeiter statt Lohn Kartoffeln und Kohle. Die bekam einen Grundlohn. Und Überstunden wurden abends abgerechnet, indem sie altes Brot und alten Kuchen mitbekam. Konnte man mit ihr machen, weil sie keine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis hatte. Und das haben wir deutlich gemacht. Und die Kollegin hat zwar Recht bekommen, aber musste dann auch wieder in ihre Heimat zurück.
(Jesuit) :
Prinzipiell denke ich, wäre Illegalität vermeidbar, wenn man Ermessenspielräume im Ausländer-, Asyl- und Familienrecht besser ausnützen würde. Illegalität wäre verringerbar, wenn man die Arbeitsmigration mit der Familienmigration vernetzt - übrigens eine der wenigen guten Fußnoten im neuen Zuwanderungsgesetz, die man entsprechend ausbauen könnte.
Das neue Zuwanderungsgesetz könnte auf der anderen Seite aber auch mehr Menschen in die Illegalität drängen, befürchten Flüchtlingsorganisationen. Unklar ist vor allem, was mit den ca. 250.000 Flüchtlingen geschieht, die bisher eine so genannte "Duldung" besitzen. Corinna Sandersfeld, Juristin beim Flüchtlingsdienst der Jesuiten:
Es wird einen Titel, der Duldung heißt, nicht mehr geben, sondern nach dem neuen Gesetz gibt es für die Personen, die jetzt eine Duldung haben, zwei Möglichkeiten: Sie können ihren Status verbessern, indem sie eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erhalten, sie können aber ihren Status verschlechtern, indem sie statt der Duldung eine so genannte Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung erhalten. Sie ist insofern auf jeden Fall schlechter, als damit keinerlei Arbeitsmöglichkeit verbunden ist.
Nach Schätzungen des Bundesinnenministeriums werden etwa zehn bis zwanzig Prozent der bisher mit einer Duldung ausgestatteten Flüchtlinge nach den Regelungen des neuen Zuwanderungsgesetzes einen besseren Aufenthaltsstatus bekommen. Aber vielen anderen könnte es schlechter gehen. Ihnen droht zum Beispiel die Unterbringung in sogenannten "Ausreisezentren". Die gibt es schon in einigen Bundesländern, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz. Das sind Abschiebungs-Lager mit Gemeinschaftsküche, meist ohne Arbeitsmöglichkeit. Corinna Sandersfeld:
Das sind alles Repressionen, die in vielen, vielen Fällen die falschen treffen können. Weil unser System es einfach nicht garantieren kann, dass es tatsächlich diejenigen findet, die eine falsche Geschichte erzählen, oder die tatsächlich einen Pass versteckt halten und sie von denen trennen kann, die wirklich beim besten Willen, weil sie auch schon im Heimatland Dokumente überhaupt nicht hatten, weil der Staat keine Pässe ausstellt, die deswegen beim besten Willen ihre Rückkehr nicht zustande bringen.
Gewerkschaftssekretär Jürgen Hinzer wird nicht müde, im Gespräch mit seinen Kollegen immer wieder eine einfache Wahrheit über die Menschen in Erinnerung zu rufen, die in Deutschland illegal, ohne Papiere leben:
Die kommen ja nicht aus Jux und Tollerei, um die deutschen Arbeitnehmer zu ärgern, weil es so schön ist, die Küchen zu putzen oder in der Fleischwarenfabrik zu stehen unter schlimmsten Bedingungen. Die Not treibt sie hier hin.