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Illegaler Online-Waffenshop
Prozess gegen "Migrantenschreck"-Betreiber

Der Online-Waffenladen "Migrantenschreck" warb im Netz mit dem Schutz vor angeblich gewalttätigen Flüchtlingen und verkaufte illegale Waffen nach Deutschland. Der Betreiber hat nun vor Gericht auf unschuldig plädiert, weil er den Waffenshop von Ungarn aus betrieben habe.

Von Daniela Siebert |
    Beschlagnahmte illegale Waffen und Munition in der Dienstleistungs-Stelle der Polizei NRW | picture alliance / imageBROKER
    Beschlagnahmte illegale Waffen und Munition: "Gesetzeslage in Deutschland ist eindeutig" (imageBROKER)
    "Migrantenschreck MS 60 Professional" oder "Antifaschreck AS 125" und ähnlich nannten sich die Produkte, die der Angeklagte 2016 via Internet verkaufte. Vorwiegend Revolver, die Hartgummigeschosse abfeuern. Mit Slogans wie "Schützen Sie sich und ihre Familie", "60 Joule Mündungsenergie strecken jeden Asylforderer nieder" oder "Haus, Hof und Oma beschützen" bewarb der Mann solche Waffen auf seiner Internetseite Migrantenschreck.ru.
    Mindestens 193 Deutsche griffen laut Anklage zu und bestellten, meist zu Preisen um die 400 Euro. Auf der teilanomymisierten Käuferliste stehen zuhauf Vornamen, die eine Idee geben, wer sich so bewaffnen wollte. Udo, Ralf, Klaus, Harald, Dirk, Jürgen, Tomas, Heinz und Reinhard etwa. Etwa jede zehnte Waffe wurde von einer Frau erworben, von Dr. Annegret bis Gabrielle. Unter den Kunden: Ärzte, Juristen, Handwerker.
    Schusswaffen im freien Internet verkauft
    Der Angeklagte agierte zwar aus Ungarn, hat sich mit diesem Waffenhandel aber in Deutschland strafbar gemacht - ist Staatsanwältin Susann Wettley überzeugt:
    "Wir werfen dem Angeklagten vor, in 193 Fällen Waffen, die nach dem deutschen Waffenrecht verboten sind, Schusswaffen, aus Ungarn heraus nach Deutschland an deutsche Erwerber geliefert zu haben, verkauft zu haben. Diese Schusswaffen sind nach deutschem Recht verboten. Man darf die hier nicht besitzen, jedenfalls bedarf man einer entsprechenden waffenrechtlichen Erlaubnis. Und wenn man diese Waffen eben aus dem Ausland nach Deutschland einbringt und dafür verantwortlich ist, ist man eben auch strafbar, da ist die Gesetzeslage eindeutig."
    Der Angeklagte saß heute dennoch ganz entspannt zwischen seinen zwei Verteidigern im Gerichtssaal. Der 35-Jährige wirkt wie der nette junge Mann von nebenan. Hellblauer Pulli, kurze dunkelblonde Haare, aufgeschlossener wacher Blick ins Publikum. Dass gegen ihn auch Ermittlungen wegen Volksverhetzung laufen, würde man ihm ebenso wenig zutrauen wie die fünfstelligen Summen, die er aus rechten Kreisen wie dem Kopp-Verlag oder dem "Compact"-Magazin[*] erhalten haben soll. Doch auch die Staatsanwältin spielt auf Zusammenhänge an, die weit über die Internetseite "Migrantenschreck" hinausreichen. Zum einen liefen gegen ihn noch Verfahren wegen Volksverhetzung, etwa weil in Videos auf deutsche Politikerfotos geschossen wird.
    "Das Verfahren begann zunächst mit dem Verdacht eines Angriffes auf verschiedene Seiten der Bundesregierung oder zu diesem Zeitpunkt im Bundestag vertretener Parteien. Die Ermittlungen legen schon den dringenden Verdacht nahe, dass er derjenige war, der zu dieser Attacke aufgerufen hat."
    Verteidigung: Waffengesetz gilt nicht in Ungarn
    Der Mitdreißiger hat heute den Waffenhandel, den er von Ungarn aus betrieben hat, eingeräumt. Aber - so seine Verteidigungslinie - er sei sich da keiner Schuld bewusst, er habe bloß "Alarm- und Signalgeräte" verkauft, nach ungarischem Recht nicht strafbar. Außerdem hätten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Käufer auf eine Berechtigung zum Erwerb verpflichtet. Und er habe die Waffen ja auch nicht eigenhändig über die Grenze nach Deutschland gebracht, sondern per Post verschickt. Sein Anwalt Felix Heimann bilanziert:
    "Die Frage, die sich vor allen Dingen stellt, inwieweit das Waffengesetz eine Ausdehnung finden kann auf Handlungen, die im Ausland begangen werden. Und da sind wir der Meinung, dass die Vorschriften des Strafgesetzbuches und auch im Waffengesetz das nicht vorsehen. Nach unserer Auffassung gilt ungarisches Recht. Ich bin natürlich deutscher Jurist - aber nach dem, was wir bisher erfahren haben, wäre das nach ungarischem Recht nicht mal eine Waffe."
    Auch die Rechtmäßigkeit der Auslieferung von Ungarn nach Deutschland zweifelt Rechtsanwalt Heimann an. Seit Juni sitzt sein Mandant inzwischen in Deutschland in Untersuchungshaft. Durch das Teilgeständnis heute wird sich die weitere Prozessdauer sicher verkürzen. Der vorsitzende Richter kündigte aber heute schon an, dass er auch noch weitergehende Fragen beantwortet haben möchte. Etwa, welche Mitstreiter gab es bei dem Geschäft, wie waren Einkauf und Vertrieb organisiert, welcher Umsatz wurde gemacht. Auf solche Fragen wollte der gebürtige Weimarer heute keine Antworten geben.
    Zahlreiche Käufer bereits verurteilt
    Die meisten Waffen, die er nach Deutschland verkaufte, wurden inzwischen übrigens bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmt. Zahlreiche der Käufer wurden bereits verurteilt, bei anderen laufen die Ermittlungsverfahren noch. Dem angeklagten Waffenhändler drohen maximal fünf Jahre Gefängnis.

    [*] Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Fassung war an dieser Stelle irrtümlich vom "Compact-Verlag" die Rede. Der in München ansässige Compact Verlag steht jedoch in keiner Beziehung zum rechten "Compact"-Magazin, das in Berlin erscheint. Wir haben Text und Audiofassung des Beitrags korrigiert.