Ein Baske, über seine Anfänge im bewaffneten Kampf:
"Es war damals leicht, in ein Kommando zu gehen. Alle nationalistischen Familien. Die Leute der Eta liefen dort frei herum."
Und ein Baske, der zur Zielscheibe der Terrororganisation wurde:
"Die Kugel ist hier in der Backe eingedrungen, zerschlug den Unterkiefer, die haben mir das Leben gerettet."
Gesichter Europas: Im Angesicht der Gewalt - das Baskenland im Schatten der Vergangenheit
Mit Reportagen von Hans-Günther Kellner. Am Mikrofon begrüßt sie Britta Fecke.
Es waren Studenten der Jesuitenuniversität von Bilbao, die sich 1959 zusammentaten, um für ein freies Baskenland zu kämpfen - für die Unabhängigkeit vom Franco-Regime, denn die Diktatur knüppelte die Autonomiebestrebungen der spanischen Regionen brutal nieder. Die Gründungsgeneration der ETA verband den Freiheitskampf noch mit sozialrevolutionären, ja sogar marxistischen Idealen, doch schon damals waren die Anhänger überzeugt, dass die Unabhängigkeit des Baskenlandes nur kämpferisch zu erreichen sei, notfalls mit der Waffe.
Seitdem sind fast 50 Jahre vergangen und mehr als 820 Menschen ermordet. Die ersten Attentate galten noch gezielt Menschen und Symbolen der Diktatur - so war eines der ersten Opfer 1968, Melitón Manzanas, der Chef der Geheimpolizei Francos, gefürchtet für seine Foltermethoden. Danach jagte die Eta den Wagen des spanischen Ministerpräsident in die Luft, damit starb die rechte Hand Francos.
Doch inzwischen zündet die Terrororganisation scheinbar wahllos Bomben in Supermärkten, Flughäfen und an Stränden. Euskadi ta Askatasuna, kurz Eta, bedeutet übersetzt: Baskenland und Freiheit, doch die meisten Basken wollen sich von der Terrororganisation nicht befreien lassen, viele wollen sogar nicht mal mehr die Unabhängigkeit.
Bei Zarautz Tharauth liegt einer der schönsten Strände des Baskenlandes. Pilar Elias hat davon wenig. Die Stadträtin der Volkspartei wird von der Eta bedroht. Ein Sonnenbad am Strand könnte für sie den Tod bedeuten:
"Es war damals leicht, in ein Kommando zu gehen. Alle nationalistischen Familien. Die Leute der Eta liefen dort frei herum."
Und ein Baske, der zur Zielscheibe der Terrororganisation wurde:
"Die Kugel ist hier in der Backe eingedrungen, zerschlug den Unterkiefer, die haben mir das Leben gerettet."
Gesichter Europas: Im Angesicht der Gewalt - das Baskenland im Schatten der Vergangenheit
Mit Reportagen von Hans-Günther Kellner. Am Mikrofon begrüßt sie Britta Fecke.
Es waren Studenten der Jesuitenuniversität von Bilbao, die sich 1959 zusammentaten, um für ein freies Baskenland zu kämpfen - für die Unabhängigkeit vom Franco-Regime, denn die Diktatur knüppelte die Autonomiebestrebungen der spanischen Regionen brutal nieder. Die Gründungsgeneration der ETA verband den Freiheitskampf noch mit sozialrevolutionären, ja sogar marxistischen Idealen, doch schon damals waren die Anhänger überzeugt, dass die Unabhängigkeit des Baskenlandes nur kämpferisch zu erreichen sei, notfalls mit der Waffe.
Seitdem sind fast 50 Jahre vergangen und mehr als 820 Menschen ermordet. Die ersten Attentate galten noch gezielt Menschen und Symbolen der Diktatur - so war eines der ersten Opfer 1968, Melitón Manzanas, der Chef der Geheimpolizei Francos, gefürchtet für seine Foltermethoden. Danach jagte die Eta den Wagen des spanischen Ministerpräsident in die Luft, damit starb die rechte Hand Francos.
Doch inzwischen zündet die Terrororganisation scheinbar wahllos Bomben in Supermärkten, Flughäfen und an Stränden. Euskadi ta Askatasuna, kurz Eta, bedeutet übersetzt: Baskenland und Freiheit, doch die meisten Basken wollen sich von der Terrororganisation nicht befreien lassen, viele wollen sogar nicht mal mehr die Unabhängigkeit.
Bei Zarautz Tharauth liegt einer der schönsten Strände des Baskenlandes. Pilar Elias hat davon wenig. Die Stadträtin der Volkspartei wird von der Eta bedroht. Ein Sonnenbad am Strand könnte für sie den Tod bedeuten:
Mit dem Mörder unter einem Dach
"Ich weiß schon gar nicht mehr, wie lange ich nicht mehr an den Strand gehe. Früher wollte ich da gar nicht weg. Ich war verrückt nach dem Meer. Aber jetzt habe ich Leibwächter. Die sind bewaffnet. Und die können mich nicht in Badehosen begleiten. Da muss man eben darauf verzichten. So bleibe ich in der Wohnung. Ich habe ja noch den Balkon. "
Pilar Elias sitzt in einem Sessel in ihrer kleinen Ferienwohnung in Zarautz am Atlantik und blickt aus dem Fenster. Hier, wenige Kilometer westlich von San Sebastián, verbringt sie jeden Sommer mit ihren Schwestern und Enkelkindern. Die Familie hat ihr über den Tod von Ramón Baglietta, ihren Mann, hinweggeholfen. Aber die Erinnerung bleibt:
"Ich glaube das war 1962. Wenige Monate vor unserer Hochzeit. Ramón wollte gerade sein Farbengeschäft betreten. Da sah er eine Frau mit einem Kind an der Hand und einem Baby im anderen Arm. Dem Kind rollte ein Ball auf die Straße. Das Kind rannte dem Ball nach, und die schreiende Mutter dem Kind hinterher. Im letzten Moment konnte Ramón der Frau das zweite Kind entreißen. Da kam auch schon ein Lastwagen und überfuhr Mutter und Sohn. Mein Mann hatte diesem kleinen Wesen das Leben gerettet."
Ramón Baglietta hatte ein kleines goldenes Kreuz bei sich. Er drückte es der Sterbenden in die Hand. Ramón und Pilar heirateten ein Jahr später, bekamen zwei Kinder, er wurde Vizebürgermeister - und als Diktator Franco starb, trat er den baskischen Christdemokraten bei. Kándido Azpiazu, der gerettete Junge, schloss sich schließlich der ETA an. Am 12. Mai 1980, Diktator Franco war längst tot, erschoss er Ramón Baglietta.
"Nur zwei Tage später wurde er verhaftet. Als wir seinen Namen lasen, wurde uns klar: Das ist ja das Kind, dem Ramón das Leben gerettet hat. Als sein Vater davon erfuhr, starb er vor Kummer. Was wird er sich wohl gedacht haben! Sein Sohn hat den Mann ermordet, dem er das Leben verdankt!"
Aufrecht sitzt Pilar Elias in ihrem Sessel. Sie hat sich die Haare frisiert, die Lippen geschminkt, trägt ein buntes Kleid und eine goldene Kette. Sie dürfe sich niemals hängen lassen, hat ihr ihr Vater eingeschärft.
Kándido wurde eineinhalb Jahre nach der Tat zu 49 Jahren Haft verurteilt, kam aber schon nach elf Jahren frei. Die Familie des Opfers sollte er mit 70.000 Euro entschädigen, doch er hat nie gezahlt. Stattdessen kaufte er sich eine Glaserei. Ausgerechnet im Geburtshaus von Pilar Elias. Sie lebt im zweiten Stock, unten hat der Mörder seinen Laden:
"Mit welcher Absicht hat er sein Geschäft hier eingerichtet? Er war doch schon zehn Jahre frei, und wir konnten uns immer aus dem Weg gehen. Jetzt habe ich den da unten. Wenn ich rein oder raus will, sehe ich ihn. Den Glaser. Der erinnert mich jeden Tag daran, was passiert ist. Manchmal möchte ich ihn packen und Mörder schreien. Aber wir Opfer dürfen uns nicht so verhalten. Das geht nicht. Niemals."
Vor sieben Jahren ging Pilar Elias selbst aktiv in die Politik, als Ersatz für einen Stadtverordneten der Volkspartei im Dorf, den die ETA ermordet hatte. Vor vier Jahren wollten die Terroristen auch sie töten. Die Polizei konnte die Packetbombe entschärfen.
Pilar Elias geht auf den Balkon. Unten, im Freibad, spielen Kinder. Bernardo, der Enkel, kommt herauf und bittet um Geld. Sie lässt sich das Portmonee bringen, gibt ihm einen Euro und blickt ihm dann nachdenklich hinterher. Die Konfrontation gehe immer weiter und mache auch vor den Kindern nicht halt.
"Wir sprechen zu Hause nicht über Politik. Wir wollen nicht, dass in ihnen irgendein Hass heranwächst. Aber vom Urlaub in Alicante brachte mein Enkel ein Armband in den spanischen Nationalfarben mit. Das trug er beim Sport. Da sagte der Vater eines anderen Jungen: "Wie der hier provoziert!" Mein Sohn antwortete: "Deiner trägt doch auch ein Armband in den baskischen Nationalfarben!" Solche Sachen passieren hier."
Als sich der Sohn des Akkordeonspielers und sein bester Freund nach langer Zeit wieder treffen, versuchen sie zu verstehen, was damals im Baskenland passierte. Wie sie von Opfern zu Tätern wurden und wie sie wieder in ein Leben ohne Terror gefunden haben. Es begann mit einer Jugend zu Zeiten der Francodiktatur: "Der Sohn des Akkordeonspielers" von Bernardo Atxaga ist 2006 im Insel Verlag erschienen:
"Willkürliche Verhaftungen, Folter und Todesurteile gegen Terrorverdächtige, das war die Antwort des Franco-Regimes auf die Autonomiebestrebung der Basken. Doch nach Francos Tod 1975 machte sich auch Spanien auf den Weg zur Demokratie. Noch im gleichen Jahr wurde katalanisch, galicisch und auch baskisch als Staatsprache anerkannt. Inzwischen genießt das Baskenland weitgehende politische und kulturelle Autonomie. Doch das reicht der ETA nicht, nachdem 1977 alle ETA-Mitglieder aus den Gefängnissen entlassen werden, formiert sich die Organisation neu und bringt mehr Menschen um als noch zu Zeiten der Diktatur."
Der Vorwurf der Folter und Willkür passt nicht zum Anspruch der Rechtsstaatlichkeit einer Demokratie, dennoch muss sich Spanien diesen Vorwurf immer wieder gefallen lassen. Fast alle unter Terrorverdacht Verhafteten klagten nach ihrer Freilassung an, gefoltert worden zu sein.
Die spanischen Behörden kontern, solche Falschaussagen gehörten zur Strategie der ETA. In Erklärungsnot kamen sie dann aber doch, als 2003 Martxelo Otamendi nach seiner Freilassung über die Folter während seiner Haft sprach. Otamendi - Chefredakteur der baskischen Tageszeitung "Egunkarria" - wurde vor fünf Jahren der Zusammenarbeit mit der ETA verdächtigt:
Pilar Elias sitzt in einem Sessel in ihrer kleinen Ferienwohnung in Zarautz am Atlantik und blickt aus dem Fenster. Hier, wenige Kilometer westlich von San Sebastián, verbringt sie jeden Sommer mit ihren Schwestern und Enkelkindern. Die Familie hat ihr über den Tod von Ramón Baglietta, ihren Mann, hinweggeholfen. Aber die Erinnerung bleibt:
"Ich glaube das war 1962. Wenige Monate vor unserer Hochzeit. Ramón wollte gerade sein Farbengeschäft betreten. Da sah er eine Frau mit einem Kind an der Hand und einem Baby im anderen Arm. Dem Kind rollte ein Ball auf die Straße. Das Kind rannte dem Ball nach, und die schreiende Mutter dem Kind hinterher. Im letzten Moment konnte Ramón der Frau das zweite Kind entreißen. Da kam auch schon ein Lastwagen und überfuhr Mutter und Sohn. Mein Mann hatte diesem kleinen Wesen das Leben gerettet."
Ramón Baglietta hatte ein kleines goldenes Kreuz bei sich. Er drückte es der Sterbenden in die Hand. Ramón und Pilar heirateten ein Jahr später, bekamen zwei Kinder, er wurde Vizebürgermeister - und als Diktator Franco starb, trat er den baskischen Christdemokraten bei. Kándido Azpiazu, der gerettete Junge, schloss sich schließlich der ETA an. Am 12. Mai 1980, Diktator Franco war längst tot, erschoss er Ramón Baglietta.
"Nur zwei Tage später wurde er verhaftet. Als wir seinen Namen lasen, wurde uns klar: Das ist ja das Kind, dem Ramón das Leben gerettet hat. Als sein Vater davon erfuhr, starb er vor Kummer. Was wird er sich wohl gedacht haben! Sein Sohn hat den Mann ermordet, dem er das Leben verdankt!"
Aufrecht sitzt Pilar Elias in ihrem Sessel. Sie hat sich die Haare frisiert, die Lippen geschminkt, trägt ein buntes Kleid und eine goldene Kette. Sie dürfe sich niemals hängen lassen, hat ihr ihr Vater eingeschärft.
Kándido wurde eineinhalb Jahre nach der Tat zu 49 Jahren Haft verurteilt, kam aber schon nach elf Jahren frei. Die Familie des Opfers sollte er mit 70.000 Euro entschädigen, doch er hat nie gezahlt. Stattdessen kaufte er sich eine Glaserei. Ausgerechnet im Geburtshaus von Pilar Elias. Sie lebt im zweiten Stock, unten hat der Mörder seinen Laden:
"Mit welcher Absicht hat er sein Geschäft hier eingerichtet? Er war doch schon zehn Jahre frei, und wir konnten uns immer aus dem Weg gehen. Jetzt habe ich den da unten. Wenn ich rein oder raus will, sehe ich ihn. Den Glaser. Der erinnert mich jeden Tag daran, was passiert ist. Manchmal möchte ich ihn packen und Mörder schreien. Aber wir Opfer dürfen uns nicht so verhalten. Das geht nicht. Niemals."
Vor sieben Jahren ging Pilar Elias selbst aktiv in die Politik, als Ersatz für einen Stadtverordneten der Volkspartei im Dorf, den die ETA ermordet hatte. Vor vier Jahren wollten die Terroristen auch sie töten. Die Polizei konnte die Packetbombe entschärfen.
Pilar Elias geht auf den Balkon. Unten, im Freibad, spielen Kinder. Bernardo, der Enkel, kommt herauf und bittet um Geld. Sie lässt sich das Portmonee bringen, gibt ihm einen Euro und blickt ihm dann nachdenklich hinterher. Die Konfrontation gehe immer weiter und mache auch vor den Kindern nicht halt.
"Wir sprechen zu Hause nicht über Politik. Wir wollen nicht, dass in ihnen irgendein Hass heranwächst. Aber vom Urlaub in Alicante brachte mein Enkel ein Armband in den spanischen Nationalfarben mit. Das trug er beim Sport. Da sagte der Vater eines anderen Jungen: "Wie der hier provoziert!" Mein Sohn antwortete: "Deiner trägt doch auch ein Armband in den baskischen Nationalfarben!" Solche Sachen passieren hier."
Als sich der Sohn des Akkordeonspielers und sein bester Freund nach langer Zeit wieder treffen, versuchen sie zu verstehen, was damals im Baskenland passierte. Wie sie von Opfern zu Tätern wurden und wie sie wieder in ein Leben ohne Terror gefunden haben. Es begann mit einer Jugend zu Zeiten der Francodiktatur: "Der Sohn des Akkordeonspielers" von Bernardo Atxaga ist 2006 im Insel Verlag erschienen:
"Willkürliche Verhaftungen, Folter und Todesurteile gegen Terrorverdächtige, das war die Antwort des Franco-Regimes auf die Autonomiebestrebung der Basken. Doch nach Francos Tod 1975 machte sich auch Spanien auf den Weg zur Demokratie. Noch im gleichen Jahr wurde katalanisch, galicisch und auch baskisch als Staatsprache anerkannt. Inzwischen genießt das Baskenland weitgehende politische und kulturelle Autonomie. Doch das reicht der ETA nicht, nachdem 1977 alle ETA-Mitglieder aus den Gefängnissen entlassen werden, formiert sich die Organisation neu und bringt mehr Menschen um als noch zu Zeiten der Diktatur."
Der Vorwurf der Folter und Willkür passt nicht zum Anspruch der Rechtsstaatlichkeit einer Demokratie, dennoch muss sich Spanien diesen Vorwurf immer wieder gefallen lassen. Fast alle unter Terrorverdacht Verhafteten klagten nach ihrer Freilassung an, gefoltert worden zu sein.
Die spanischen Behörden kontern, solche Falschaussagen gehörten zur Strategie der ETA. In Erklärungsnot kamen sie dann aber doch, als 2003 Martxelo Otamendi nach seiner Freilassung über die Folter während seiner Haft sprach. Otamendi - Chefredakteur der baskischen Tageszeitung "Egunkarria" - wurde vor fünf Jahren der Zusammenarbeit mit der ETA verdächtigt:
Das mutmaßliche Folteropfer der spanischen Polizei
"Es war im Februar 2003. Ich war seit 1993 Chefredakteur von "Egunkarria", der einzigen Tageszeitung in baskischer Sprache. Am Abend hielt ich einen Vortrag. Auf der Fahrt im Auto nach Hause bemerkte ich, wie mir zwei Fahrzeuge folgen. Ich aß zu Abend, räumte ein bisschen auf. Ich mag es, wenn es aufgeräumt ist, bevor ich ins Bett gehe. Ich legte mich schlafen. Gegen halb zwei weckte mich ein heftiger Schlag an der Tür: "Aufmachen - Guardia Civil!""
Es war der Beginn einer fünftägigen Tortur, erzählt der Journalist Martxelo Otamendi. Er wird festgenommen, Sicherheitsbeamte durchwühlen seine Wohnung auf der Suche nach Beweisen für ihre Annahme, er sei im Auftrag der ETA Chefredakteur von "Egunkarria" geworden. Mit verbundenen Augen fahren sie ihn nach Madrid. Dort bleibt er fünf Tage lang in Isolationshaft, ohne Kontakt zu seinem Rechtsanwalt.
"Sie sagten mir: "Du machst jetzt eine fünftägige Reise. Der erste Tag ist hart, der zweite Tag wird härter, und so weiter bis zum fünften Tag. Am Ende der Reise hat hier noch jeder gesungen, auch die härtesten Typen." Je früher ich singen würde, um so mehr Leid würde ich mir ersparen - und sie müssten sich nicht diese Arbeit machen, die ihnen auch keinen Spaß macht."
Otamendi blickt auf die Uhr, entschuldigt sich und verlässt das Büro. Der große, hagere 50-Jährige geht zum Verantwortlichen einer Sonderbeilage in der Redaktion, gibt präzise Anweisungen. Fast jeden Tag seien Journalisten da, um mit ihm über die Haft zu reden, aber er leite nun mal auch eine Tageszeitung, erklärt er, als er wenig später zurückkommt. Heute ist er Chefredakteur von "Berria", die wie das Vorgängerblatt "Egunkarria" in Euskera, der baskischen Sprache, berichtet. Euskera ist seine Heimat und seine Mission:
"Das ist meine Sprache, ein wichtiger Teil meiner Identität. Ich bin Baske, nicht Italiener, nicht Deutscher - und auch nicht Spanier. Als ich zur Schule ging, war Baskisch verboten. Später war ich Baskischlehrer, wurde Journalist im baskischen Fernsehen und bin jetzt Chefredakteur einer auf baskisch erscheindenden Tageszeitung. Baskisch ist meine Sprache und mein Problem. Wir versuchen jetzt seit 30, 40 Jahren mit viel Geld und Mühe das Baskische wiederzubeleben. Wir sind drei Millionen Basken. Davon beherrschen es höchstens 800.000."
Der Journalist ist sich sicher, fast alle Terrorverdächtigen werden in der Isolationshaft gefoltert. Dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zufolge wird in Spanien hingegen nicht systematisch gefoltert. Aber die Isolationshaft erleichtere die Praktiken, die Otanmendi anzeigt: Als er sich in der Haft auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als Journalist berufen habe, mit dem zuständigen Untersuchungsrichter habe sprechen wollen, habe er drei Tage lang nicht schlafen dürfen, sei immer wieder zu Kniebeugen und Liegestützen bis zur Erschöpfung gezwungen worden:
"Am ersten Tag musste ich mir die Hose ausziehen, dann auch die Unterhose. Mit einer Art Plastikstab haben sie mir um das Gesäß gestrichen. Es gab keine Penetration, aber es war eine Drohung. Sie hielten mir ein Metallrohr an die linke Schläfe, das "klick" machte. Dann hielten sie mir eine Pistole an die rechte Hand. Und sie haben mir zwei Mal eine Plastikfolie auf das Gesicht gelegt, was sofort zu Atemnot führt. Das Ziel ist, dich zu brechen, damit du gestehst oder Informationen preisgibst."
Otamendi erzählt protokollhaft, blickt konzentriert auf die Tischplatte vor ihm, spielt gelegentlich mit einem Stapel Papiere. Seine Handbewegungen sind kurz und knapp, jeden Satz unterstreicht er mit einem leicht Klopfen mit der Handfläche auf den Tisch. Keine Mine verrät seine Gefühle. Er möchte nichts schlimmer darstellen, als es schon ist, sagt er. Nein, er sei nicht körperlich sexuell missbraucht worden, wie einige Zeitungen später schrieben, aber er habe nackt sexuelle Haltungen einnehmen müssen während ihn Beamte als Homosexuellen verhöhnt hätten. Bei den Folterungen seien ihm stets die Augen verbunden gewesen.
Am dritten Tag der Isolationshaft redete er: Dass er mit verbundenen Augen zu den drei Interviews mit der ETA-Führung gefahren wurde, die er geführt habe. Am Ende nannte er auch den Namen der Person, die seiner Zeitung regelmäßig ein Bekanntmachungsblatt der ETA lieferte. Nach fünf Tagen in Isolationshaft kam er frei:
Die Berichte in den baskischen Fernsehnachrichten von der Verhaftung und Folter Otamendis lösten eine Welle der Empörung aus. An einer Protestkundgebung nahmen auch von der ETA bedrohte Journalisten mit ihren Leibwächtern teil. Denn Otamendi ist nicht nur für ein baskisches Selbstbestimmungsrecht, sondern auch gegen die Gewalt der ETA:
"Als die ETA eine Bombe in der baskischen Tageszeitung "El Correo", der größten des Baskenlandes, legte, schrieb ich: Die Zeitung "El Correo" darf schreiben was sie will. Die einzigen, die über "El Correo" entscheiden dürfen, sind die Leser." Ich bin gegen die Gewalt, gegen die spanische, die ich erfahren habe. Aber auch gegen die Bomben. Jede Form von Gewalt hat von hier zu verschwinden. Jetzt! Und das Baskenland hat das Recht, ohne Einschränkungen über seine Zukunft zu entscheiden."
Die Frage wo das Baskenland liegt, lässt einige Interpretationen zu genauso wie die Frage, wer diesem Volk angehört. Die spanische Region "Euskadi" mit ihren drei Zentren San Sebastián, Bilbao und Álava ist unbestritten Baskenland. Die autonome Gemeinschaft Navarra wird je nach politischer Gesinnung ganz oder gar nicht zum Baskenland gezählt.
Obwohl die Menschen dort auf ihre Eigenständigkeit pochen ist Navarra für die Nationalisten ein fester Bestandteil des Baskenlandes wie auch der Südwesten Frankreichs, mit der Begründung, dass überall dort baskisch gesprochen wird. Doch von den insgesamt drei Millionen Einwohnern dieser Gebiete sprechen nur noch rund 800.000 baskisch. Doch egal wie man Baske nun definiert, über Sprache, Wohnort oder Vorfahren, die meisten im Baskenland Lebenden wollen keine Abspaltung von Spanien. Aber je weiter die Nationalisten die Grenzen ihrer Heimat ziehen - um so weniger Anhänger findet ihre Idee von einem eigenen Staat, losgelöst von Spanien und Frankreich.
Die Industrialisierung Spaniens begann im Baskenland. Die Kohle aus den Bergwerken heizte die Hochöfen an, der Stahl wurde nach ganz Europa exportiert. Das war die Zeit, in der der baskische Nationalismus erstarkte - auch als Reaktion auf die massive Zuwanderung der vielen Arbeiter aus den ärmeren Regionen Spaniens. Den Nationalismus gibt es noch, die Schwerindustrie schon lange nicht mehr. Inzwischen kämpfen die mittelständischen Unternehmen mit steigenden Lohn- und Energiekosten und mit der Revolutionssteuer, einer Art Schutzgeld, das die ETA von den Unternehmern erpresst. Es ist ihre wichtigste Einnahmequelle:
Es war der Beginn einer fünftägigen Tortur, erzählt der Journalist Martxelo Otamendi. Er wird festgenommen, Sicherheitsbeamte durchwühlen seine Wohnung auf der Suche nach Beweisen für ihre Annahme, er sei im Auftrag der ETA Chefredakteur von "Egunkarria" geworden. Mit verbundenen Augen fahren sie ihn nach Madrid. Dort bleibt er fünf Tage lang in Isolationshaft, ohne Kontakt zu seinem Rechtsanwalt.
"Sie sagten mir: "Du machst jetzt eine fünftägige Reise. Der erste Tag ist hart, der zweite Tag wird härter, und so weiter bis zum fünften Tag. Am Ende der Reise hat hier noch jeder gesungen, auch die härtesten Typen." Je früher ich singen würde, um so mehr Leid würde ich mir ersparen - und sie müssten sich nicht diese Arbeit machen, die ihnen auch keinen Spaß macht."
Otamendi blickt auf die Uhr, entschuldigt sich und verlässt das Büro. Der große, hagere 50-Jährige geht zum Verantwortlichen einer Sonderbeilage in der Redaktion, gibt präzise Anweisungen. Fast jeden Tag seien Journalisten da, um mit ihm über die Haft zu reden, aber er leite nun mal auch eine Tageszeitung, erklärt er, als er wenig später zurückkommt. Heute ist er Chefredakteur von "Berria", die wie das Vorgängerblatt "Egunkarria" in Euskera, der baskischen Sprache, berichtet. Euskera ist seine Heimat und seine Mission:
"Das ist meine Sprache, ein wichtiger Teil meiner Identität. Ich bin Baske, nicht Italiener, nicht Deutscher - und auch nicht Spanier. Als ich zur Schule ging, war Baskisch verboten. Später war ich Baskischlehrer, wurde Journalist im baskischen Fernsehen und bin jetzt Chefredakteur einer auf baskisch erscheindenden Tageszeitung. Baskisch ist meine Sprache und mein Problem. Wir versuchen jetzt seit 30, 40 Jahren mit viel Geld und Mühe das Baskische wiederzubeleben. Wir sind drei Millionen Basken. Davon beherrschen es höchstens 800.000."
Der Journalist ist sich sicher, fast alle Terrorverdächtigen werden in der Isolationshaft gefoltert. Dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zufolge wird in Spanien hingegen nicht systematisch gefoltert. Aber die Isolationshaft erleichtere die Praktiken, die Otanmendi anzeigt: Als er sich in der Haft auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als Journalist berufen habe, mit dem zuständigen Untersuchungsrichter habe sprechen wollen, habe er drei Tage lang nicht schlafen dürfen, sei immer wieder zu Kniebeugen und Liegestützen bis zur Erschöpfung gezwungen worden:
"Am ersten Tag musste ich mir die Hose ausziehen, dann auch die Unterhose. Mit einer Art Plastikstab haben sie mir um das Gesäß gestrichen. Es gab keine Penetration, aber es war eine Drohung. Sie hielten mir ein Metallrohr an die linke Schläfe, das "klick" machte. Dann hielten sie mir eine Pistole an die rechte Hand. Und sie haben mir zwei Mal eine Plastikfolie auf das Gesicht gelegt, was sofort zu Atemnot führt. Das Ziel ist, dich zu brechen, damit du gestehst oder Informationen preisgibst."
Otamendi erzählt protokollhaft, blickt konzentriert auf die Tischplatte vor ihm, spielt gelegentlich mit einem Stapel Papiere. Seine Handbewegungen sind kurz und knapp, jeden Satz unterstreicht er mit einem leicht Klopfen mit der Handfläche auf den Tisch. Keine Mine verrät seine Gefühle. Er möchte nichts schlimmer darstellen, als es schon ist, sagt er. Nein, er sei nicht körperlich sexuell missbraucht worden, wie einige Zeitungen später schrieben, aber er habe nackt sexuelle Haltungen einnehmen müssen während ihn Beamte als Homosexuellen verhöhnt hätten. Bei den Folterungen seien ihm stets die Augen verbunden gewesen.
Am dritten Tag der Isolationshaft redete er: Dass er mit verbundenen Augen zu den drei Interviews mit der ETA-Führung gefahren wurde, die er geführt habe. Am Ende nannte er auch den Namen der Person, die seiner Zeitung regelmäßig ein Bekanntmachungsblatt der ETA lieferte. Nach fünf Tagen in Isolationshaft kam er frei:
Die Berichte in den baskischen Fernsehnachrichten von der Verhaftung und Folter Otamendis lösten eine Welle der Empörung aus. An einer Protestkundgebung nahmen auch von der ETA bedrohte Journalisten mit ihren Leibwächtern teil. Denn Otamendi ist nicht nur für ein baskisches Selbstbestimmungsrecht, sondern auch gegen die Gewalt der ETA:
"Als die ETA eine Bombe in der baskischen Tageszeitung "El Correo", der größten des Baskenlandes, legte, schrieb ich: Die Zeitung "El Correo" darf schreiben was sie will. Die einzigen, die über "El Correo" entscheiden dürfen, sind die Leser." Ich bin gegen die Gewalt, gegen die spanische, die ich erfahren habe. Aber auch gegen die Bomben. Jede Form von Gewalt hat von hier zu verschwinden. Jetzt! Und das Baskenland hat das Recht, ohne Einschränkungen über seine Zukunft zu entscheiden."
Die Frage wo das Baskenland liegt, lässt einige Interpretationen zu genauso wie die Frage, wer diesem Volk angehört. Die spanische Region "Euskadi" mit ihren drei Zentren San Sebastián, Bilbao und Álava ist unbestritten Baskenland. Die autonome Gemeinschaft Navarra wird je nach politischer Gesinnung ganz oder gar nicht zum Baskenland gezählt.
Obwohl die Menschen dort auf ihre Eigenständigkeit pochen ist Navarra für die Nationalisten ein fester Bestandteil des Baskenlandes wie auch der Südwesten Frankreichs, mit der Begründung, dass überall dort baskisch gesprochen wird. Doch von den insgesamt drei Millionen Einwohnern dieser Gebiete sprechen nur noch rund 800.000 baskisch. Doch egal wie man Baske nun definiert, über Sprache, Wohnort oder Vorfahren, die meisten im Baskenland Lebenden wollen keine Abspaltung von Spanien. Aber je weiter die Nationalisten die Grenzen ihrer Heimat ziehen - um so weniger Anhänger findet ihre Idee von einem eigenen Staat, losgelöst von Spanien und Frankreich.
Die Industrialisierung Spaniens begann im Baskenland. Die Kohle aus den Bergwerken heizte die Hochöfen an, der Stahl wurde nach ganz Europa exportiert. Das war die Zeit, in der der baskische Nationalismus erstarkte - auch als Reaktion auf die massive Zuwanderung der vielen Arbeiter aus den ärmeren Regionen Spaniens. Den Nationalismus gibt es noch, die Schwerindustrie schon lange nicht mehr. Inzwischen kämpfen die mittelständischen Unternehmen mit steigenden Lohn- und Energiekosten und mit der Revolutionssteuer, einer Art Schutzgeld, das die ETA von den Unternehmern erpresst. Es ist ihre wichtigste Einnahmequelle:
Die "Revolutionssteuer" und der trotzige Unternehmer
"Wir haben hier vier tonnenschwere Pressen mit einer Kraft zwischen 800 und 2500 Tonnen. Damit fertigen wir aus Polyesterharz und Glasfaser Autoteile. Das elastische Material ist am Ende der Fertigung so hart wie Stahl. Die Teile sind für Autos, Lastwagen und Traktoren. Ein Zigarettenstummel. Das ist ja unglaublich, das ist absolut verboten!"
So ein Zigarettenstummel auf dem Boden seiner hochmodernen Fabrik kann auch den 60-jährigen Ricardo Benedí mal kurz aus dem Konzept bringen. Denn für die hohen Qualitätsstandards muss einfach alles stimmen. 20 Millionen Euro hat er in den letzten Jahren investiert. Trotzdem hat er Probleme:
"2007 hatten wir hier noch 475 Beschäftigte. Um die Nachfrage befriedigen zu können, mussten wir in fünf Schichten arbeiten, täglich 24 Stunden. Das ist sehr teuer. Dann stiegen die Rohstoffpreise. Die Kunden interessiert das alles nicht, die drücken die Preise weiter. Die wichtigsten Abnehmer haben uns gnadenlos verlassen. Die Situation der Zulieferer ist schon dramatisch. Ausgerechnet ein Baske, José Ignacio López, hat bei General Motors dieses System erfunden. Aber gut, das Leben geht weiter, wir müssen uns eben neue Märkte suchen."
Mehr als 200 Beschäftigte, die Hälfte seiner Belegschaft, musste er entlassen, eine bittere Erfahrung, sagt Benedí und haut auf den runden Besprechungstisch in seinem Büro. Der kleine Baske will sich nicht unterkriegen lassen, nicht von der wirtschaftlichen Situation, und schon gar nicht von der ETA, die ihn schon vier mal aufgefordert hat, die gefürchtete Revolutionssteuer zu zahlen. Er sagt:
"Der erste Brief kam 2005. Sie wollen 138.000 Euro. Ich habe nicht gezahlt. Ich werde nie zahlen. Wenn ich mich mit einem Euro aus der Bedrohung freikaufen könnte, ich würde trotzdem nicht zahlen. Ich kann nicht mit meinem Geld beitragen, dass die ETA Kommandos bezahlt, Waffen kauft und Verstecke für Entführungsopfer baut. Die ständige Bedrohung ist nicht angenehm. Aber ich lebe lieber unangenehm, als Financier der ETA zu werden."
Mit solchen Äußerungen wird ein Unternehmer im Baskenland leicht zur Zielscheibe. Benedí ist der einzige, der mit der Presse über die Schutzgelder redet. Auch die Situation der Unternehmer sei Teil des "politischen Konflikts", ausgelöst dadurch, dass Basken Spanier sein müssten, obwohl sie das nicht möchten, heißt es bei den Nationalisten. Benedí meint:
"Der Konflikt ist eine Erfindung des Nationalismus und dessen Gründers Sabino Arana. Sie hassten die übrigen Spanier, beschimpften sie als dreckig, schlecht gekleidet, die sich den baskischen Töchtern beim Tanz auf den Volksfesten obszön näherten. Das halten die Nationalisten bis heute ganz gut am Kochen. Sie wollen lieber der Kopf einer Maus sein, als der Schwanz eines Löwen."
65 Prozent der im Baskenland hergestellten Waren würden im Rest Spaniens verkauft, Spanien könne eine baskische Unabhängigkeit viel leichter verkraften als das Baskenland. Benedi redet sich in Rage, die baskischen Provinzen seien autonom aber nie unabhängig gewesen, sie seien weder unterdrückt noch kolonialisiert worden, sagt er und schiebt mit einer Geste symbolisch alle Pläne zur Seite, die zu einer baskischen Unabhängigkeit führen könnten:
"Warum sollten wir denn eine so schöne Gegend Spaniens aufgeben? Das Baskenland ist wunderbar, es hat Meer und Berge, frischen Fisch, gutes Fleisch und hervorragende Weine. Nein, nein, nein, das geben wir nicht auf. Außer Baske bin ich auch Spanier, und so denken wir Spanier."
Ricardo Benedí steht auf, geht zum Fenster. Dort stehen Fotos von ihm beim Marathonlauf in Helsinki, in Rejkjavic. Daneben Fotos seiner Familie. "Mein Sohn könnte morgen eine Chinesin heiraten und in Hongkong arbeiten", sagt er. Während die Welt immer mehr zusammen rücke, raube ihm der Nationalismus im Baskenland die Luft zum Atmen.
"Man muss schon aufpassen, was man sagt. "Adios" ist so gut wie verboten. Das ist spanisch. Hier sagt man baskisch "Agur". Auf der anderen Seite ist "Hasta luego", "bis später", noch erlaubt, obwohl es spanisch ist. Das sind die sprachlichen Fallen. Oder, warum darf ich zum spanischen Verfassungstag keine spanische Fahne hissen? Das Land ist doch voller baskischer Fahnen. Aber wenn ich eine spanische Fahne am Balkon anbringen würde, bekäme ich Probleme, Graffiti an den Hauswänden mit Sprüchen wie "ETA, bring ihn um". Meine spanische Fahne wäre für die eine Provokation!"
Die staatliche Unabhängigkeit des Baskenlandes einschließlich der Region Navarra, ist für verschiedene Parteien das höchste Ziel. Die bekannteste ist wohl Batasuna, die inzwischen verboten ist, denn sie steht im Verdacht als politischer Arm der ETA zu fungieren.
Nach dem Parteienverbot 2003 blieben viele Batasuna-Mitglieder unter dem Namen anderer Organisationen aktiv, wie unter der Baskischen nationalistischen Aktion, kurz: ANV. Aber auch diese Partei wurde jüngst von der Justiz "suspendiert", soll heißen: Ihnen wurde jedwede politische Aktivität verboten. Ebenfalls dem linksnationalistischen Spektrum wird Aralar zugeordnet. Die Partei spaltete sich schon Im Jahr 2000 von der Batasuna ab, aus Protest gegen deren mangelnde Autonomie gegenüber der ETA. Da Aralar die Gewalt missbilligt, droht ihr kein Verbotsverfahren.
Getaria, GetAAria ein Dorf nicht weit von San Sebastian ist typisch für das Baskenland, denn im Gegensatz zu den Großstädten leben die Basken hier in nationalistischer Eintracht. Das zeigt sich auch in den Parlamenten der Dörfer: Sozialisten oder Konservative Parteien gibt es nicht, das wäre viel zu spanisch.
Doch bei aller Eintracht bleibt das Thema Politik auch im Dorf heikel und kann einem schon mal das Essen verderben. Das weiß auch Eneko; er war selbst im bewaffneten Kampf, hat dem Terror aber abgeschworen, dem Dorfleben aber nicht:
So ein Zigarettenstummel auf dem Boden seiner hochmodernen Fabrik kann auch den 60-jährigen Ricardo Benedí mal kurz aus dem Konzept bringen. Denn für die hohen Qualitätsstandards muss einfach alles stimmen. 20 Millionen Euro hat er in den letzten Jahren investiert. Trotzdem hat er Probleme:
"2007 hatten wir hier noch 475 Beschäftigte. Um die Nachfrage befriedigen zu können, mussten wir in fünf Schichten arbeiten, täglich 24 Stunden. Das ist sehr teuer. Dann stiegen die Rohstoffpreise. Die Kunden interessiert das alles nicht, die drücken die Preise weiter. Die wichtigsten Abnehmer haben uns gnadenlos verlassen. Die Situation der Zulieferer ist schon dramatisch. Ausgerechnet ein Baske, José Ignacio López, hat bei General Motors dieses System erfunden. Aber gut, das Leben geht weiter, wir müssen uns eben neue Märkte suchen."
Mehr als 200 Beschäftigte, die Hälfte seiner Belegschaft, musste er entlassen, eine bittere Erfahrung, sagt Benedí und haut auf den runden Besprechungstisch in seinem Büro. Der kleine Baske will sich nicht unterkriegen lassen, nicht von der wirtschaftlichen Situation, und schon gar nicht von der ETA, die ihn schon vier mal aufgefordert hat, die gefürchtete Revolutionssteuer zu zahlen. Er sagt:
"Der erste Brief kam 2005. Sie wollen 138.000 Euro. Ich habe nicht gezahlt. Ich werde nie zahlen. Wenn ich mich mit einem Euro aus der Bedrohung freikaufen könnte, ich würde trotzdem nicht zahlen. Ich kann nicht mit meinem Geld beitragen, dass die ETA Kommandos bezahlt, Waffen kauft und Verstecke für Entführungsopfer baut. Die ständige Bedrohung ist nicht angenehm. Aber ich lebe lieber unangenehm, als Financier der ETA zu werden."
Mit solchen Äußerungen wird ein Unternehmer im Baskenland leicht zur Zielscheibe. Benedí ist der einzige, der mit der Presse über die Schutzgelder redet. Auch die Situation der Unternehmer sei Teil des "politischen Konflikts", ausgelöst dadurch, dass Basken Spanier sein müssten, obwohl sie das nicht möchten, heißt es bei den Nationalisten. Benedí meint:
"Der Konflikt ist eine Erfindung des Nationalismus und dessen Gründers Sabino Arana. Sie hassten die übrigen Spanier, beschimpften sie als dreckig, schlecht gekleidet, die sich den baskischen Töchtern beim Tanz auf den Volksfesten obszön näherten. Das halten die Nationalisten bis heute ganz gut am Kochen. Sie wollen lieber der Kopf einer Maus sein, als der Schwanz eines Löwen."
65 Prozent der im Baskenland hergestellten Waren würden im Rest Spaniens verkauft, Spanien könne eine baskische Unabhängigkeit viel leichter verkraften als das Baskenland. Benedi redet sich in Rage, die baskischen Provinzen seien autonom aber nie unabhängig gewesen, sie seien weder unterdrückt noch kolonialisiert worden, sagt er und schiebt mit einer Geste symbolisch alle Pläne zur Seite, die zu einer baskischen Unabhängigkeit führen könnten:
"Warum sollten wir denn eine so schöne Gegend Spaniens aufgeben? Das Baskenland ist wunderbar, es hat Meer und Berge, frischen Fisch, gutes Fleisch und hervorragende Weine. Nein, nein, nein, das geben wir nicht auf. Außer Baske bin ich auch Spanier, und so denken wir Spanier."
Ricardo Benedí steht auf, geht zum Fenster. Dort stehen Fotos von ihm beim Marathonlauf in Helsinki, in Rejkjavic. Daneben Fotos seiner Familie. "Mein Sohn könnte morgen eine Chinesin heiraten und in Hongkong arbeiten", sagt er. Während die Welt immer mehr zusammen rücke, raube ihm der Nationalismus im Baskenland die Luft zum Atmen.
"Man muss schon aufpassen, was man sagt. "Adios" ist so gut wie verboten. Das ist spanisch. Hier sagt man baskisch "Agur". Auf der anderen Seite ist "Hasta luego", "bis später", noch erlaubt, obwohl es spanisch ist. Das sind die sprachlichen Fallen. Oder, warum darf ich zum spanischen Verfassungstag keine spanische Fahne hissen? Das Land ist doch voller baskischer Fahnen. Aber wenn ich eine spanische Fahne am Balkon anbringen würde, bekäme ich Probleme, Graffiti an den Hauswänden mit Sprüchen wie "ETA, bring ihn um". Meine spanische Fahne wäre für die eine Provokation!"
Die staatliche Unabhängigkeit des Baskenlandes einschließlich der Region Navarra, ist für verschiedene Parteien das höchste Ziel. Die bekannteste ist wohl Batasuna, die inzwischen verboten ist, denn sie steht im Verdacht als politischer Arm der ETA zu fungieren.
Nach dem Parteienverbot 2003 blieben viele Batasuna-Mitglieder unter dem Namen anderer Organisationen aktiv, wie unter der Baskischen nationalistischen Aktion, kurz: ANV. Aber auch diese Partei wurde jüngst von der Justiz "suspendiert", soll heißen: Ihnen wurde jedwede politische Aktivität verboten. Ebenfalls dem linksnationalistischen Spektrum wird Aralar zugeordnet. Die Partei spaltete sich schon Im Jahr 2000 von der Batasuna ab, aus Protest gegen deren mangelnde Autonomie gegenüber der ETA. Da Aralar die Gewalt missbilligt, droht ihr kein Verbotsverfahren.
Getaria, GetAAria ein Dorf nicht weit von San Sebastian ist typisch für das Baskenland, denn im Gegensatz zu den Großstädten leben die Basken hier in nationalistischer Eintracht. Das zeigt sich auch in den Parlamenten der Dörfer: Sozialisten oder Konservative Parteien gibt es nicht, das wäre viel zu spanisch.
Doch bei aller Eintracht bleibt das Thema Politik auch im Dorf heikel und kann einem schon mal das Essen verderben. Das weiß auch Eneko; er war selbst im bewaffneten Kampf, hat dem Terror aber abgeschworen, dem Dorfleben aber nicht:
Küche und Politik - im Baskenland strikt getrennt
Urko, Iñigo und Eneko haben sich zum Essen in der "sociedad gastronómica" verabredet, in der gastronomischen Gesellschaft Getarias. Urko fischt einen großen Krebs aus dem Kochtopf, knackt den Panzer, gießt ein bisschen Weißwein auf das Fleisch.
In einer gastronomischen Gesellschaft haben nur Mitglieder und deren Gäste Zutritt. Dennoch ist Politik am Tisch ein Tabuthema, erklärt Eneko:
"In Euskadi gibt es inzwischen so viele unterschiedliche Ansichten, dass man vermeidet, über Politik zu reden. Wen man sich zum Essen trifft, will man Spaß haben. Die Politik könnte ein gutes gemeinsames Essen kaputt machen. Es sei denn, man weiß, alle sind mehr oder weniger der gleichen Meinung."
Aber eine Freundin von mir steht eher den Konservativen nahe. Ich bin hingegen für die Unabhängigkeit. Wir können über Fischfang reden oder Umweltschutz. Aber nicht über die politische Zukunft des Baskenlandes. Das ist zu extrem. Besser nicht.
Aber jetzt ist man unter sich, alle drei am Tisch sind für die Unabhängigkeit. "Mir wurde der Nationalismus mit der Muttermilch verabreicht", sagt der lange, hagere Eneko ironisch. Schon seine Großeltern, vermutlich sogar die Urgroßeltern, seien baskische Nationalisten gewesen. Die Familie habe lange im Exil in Venezuela gelebt, auch dort sei im Haus baskisch gesprochen worden. Seit einigen Jahren vertritt er die Partei Aralar im Stadtrat, die wie Batasuna einen eigenen baskischen sozialistischen Staat anstrebt. Im Jahr 2000 kam es jedoch wegen der mangelnden Autonomie Batasunas gegenüber der ETA zur Abspaltung.
"Wir bei Aralar verurteilen die Gewalt eindeutig. Bei Batasuna ist das nicht klar. Deren Erklärungen nach dem gescheiterten Waffenstillstand waren doch die gleichen wie immer: "Wir haben unser Möglichstes getan, die andere Seite hat sich nicht bewegt und so weiter." Auf den Bruch des Waffenstillstands der ETA mit diesem Anschlag auf den Madrider Flughafen Ende 2006 mit zwei Toten haben sie überhaupt nicht reagiert. Im Grunde haben sie das hingenommen."
Eneko legt eine große Scheibe Thunfisch in die Pfanne. Nach wenigen Minuten ist er scharf angebraten, innen bleibt das Fleisch roh. "Dafür muss der Fisch sehr frisch sein", empfiehlt Eneko. Das Baskenland ist berühmt für den frischen Fisch aus dem Atlantik. Eneko hat ihn erst am morgen im Hafen Getarias gekauft.
Es gebe kaum noch Sardellen, erzählt Eneko. Diese kleinen "antxoas" genannten Fischchen gehören zwar auf jede baskische tapa - sind aber vom Aussterben bedroht. So habe der Thunfisch den Fischern so im letzten Jahr das Einkommen gesichert, sagt Eneko.
Er schenkt allen am Tisch vom Weißwein nach. 50 Jahre ist Eneko alt, vier davon hat er im Gefängnis verbracht. "Wenig für diejenigen, die die Gesetze machen, aber viel für den, der eingesperrt wird", sagt er, aber er wirkt nicht gebrochen. 1979 hatte er sich den Autonomen Antikapitalistischen Kommandos angeschlossen, einer Abspaltung von der ETA, die sich inzwischen aufgelöst hat. Ungehemmt spricht über diese Zeit:
"Es war damals sehr leicht, in ein Kommando zu gehen. Alle nationalistischen Familien hatten jemanden im Gefängnis, man musste sie nur kontaktieren. Dann ging man nach Frankreich. Die Leute der ETA und der anderen Gruppen liefen dort frei herum. Wir dachten damals nicht viel nach. Das sehe ich heute schon kritisch."
Mehr als 20 Mordanschläge und zahlreiche Sabotageakte gehen auf die Antikapitalistischen Kommandos zurück. Zu seiner eigene Beteiligung sagt Eneko nur knapp, er habe keine Bluttaten begangen. Mitte der achtziger Jahre erließ die spanische Regierung dann ein Gesetz, nachdem Terroristen, die ihre Abkehr von der Gewalt erklären, vorzeitig entlassen werden können. Eneko kam frei:
"Der bewaffnete Kampf hat ein Ziel. Das Ziel ist: Gewinnen. Gibt es irgendeine Möglichkeit zu gewinnen? Keine. Man stört noch nicht einmal. Der Staat ist so stark, dass sich ein Anschlag nur negativ auf dich auswirkt. Ich sehe nichts Positives am bewaffnetem Kampf."
"Du argumentierst aber sehr pragmatisch", schaltet sich der jüngere Urko ein, der gerade den Café an den Tisch bringt. Die Legitimität von Waffengewalt könne nicht nach den Erfolgsmöglichkeiten beurteilt werden, sagt er. Eneko trinkt den Café schnell aus und wird deutlicher:
"Die ETA ist keine nationale Befreiungsarmee. Sie sehen sich so. Aber sie sind es nicht. Eine Befreiungsarmee muss das Volk hinter sich haben, das sie befreien will. Die ETA hat keine Mehrheit hinter sich. Höchstens eine kleine Minderheit. Sie steht nur noch für sich selbst."
Alle Versuche, alle Verhandlungen mit der ETA-Spitze über ein Ende der blutigen Gewalt sind bisher gescheitert. Auch die Verhandlungsbereitschaft des Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero hat daran nichts geändert. Die ausgehandelte Waffenruhe vom März 2006 endete noch im selben Jahr als die baskische Terrororganisation auf dem Madrider Flughafen eine Bombe zündet, zwei Menschen starben.
Auch wenn sich die Opposition in ihrem Vorwurf: Zapatero ging vor der ETA in die Knie, bestätig sah, behielt sie in einem wesentlichen Punkt unrecht: Aus dieser gebrochenen Waffenruhe ging die Terrororganisation nicht gestärkt hervor. Mit diesem Attentat hat sie den letzten Rückhalt bei der baskischen Bevölkerung verloren, die so sehr auf ein Ende der Gewalt gehofft hatte.
Wer Baske ist, aber kein radikaler Nationalist, kann für die ETA schnell zur Zielscheibe werden. Das musste auch Jose Ramon Recalde erleben. Und das, obwohl der Rechtsanwalt gegen das Franco-Regime gekämpft hat, in den frühen sechziger Jahren mit seiner sozialistischen Partei: der Front zur Volksbefreiung. Dafür wurde er gefoltert und oft überfallen, doch nach Francos Tot war der Terror nicht vorbei. Die ETA wollte Recalde am 14. September 2000 ermorden. Den Anschlag hat er überlebt und seinen alten Buchladen hat er auch behalten: Trotz Franco, trotz der ETA:
In einer gastronomischen Gesellschaft haben nur Mitglieder und deren Gäste Zutritt. Dennoch ist Politik am Tisch ein Tabuthema, erklärt Eneko:
"In Euskadi gibt es inzwischen so viele unterschiedliche Ansichten, dass man vermeidet, über Politik zu reden. Wen man sich zum Essen trifft, will man Spaß haben. Die Politik könnte ein gutes gemeinsames Essen kaputt machen. Es sei denn, man weiß, alle sind mehr oder weniger der gleichen Meinung."
Aber eine Freundin von mir steht eher den Konservativen nahe. Ich bin hingegen für die Unabhängigkeit. Wir können über Fischfang reden oder Umweltschutz. Aber nicht über die politische Zukunft des Baskenlandes. Das ist zu extrem. Besser nicht.
Aber jetzt ist man unter sich, alle drei am Tisch sind für die Unabhängigkeit. "Mir wurde der Nationalismus mit der Muttermilch verabreicht", sagt der lange, hagere Eneko ironisch. Schon seine Großeltern, vermutlich sogar die Urgroßeltern, seien baskische Nationalisten gewesen. Die Familie habe lange im Exil in Venezuela gelebt, auch dort sei im Haus baskisch gesprochen worden. Seit einigen Jahren vertritt er die Partei Aralar im Stadtrat, die wie Batasuna einen eigenen baskischen sozialistischen Staat anstrebt. Im Jahr 2000 kam es jedoch wegen der mangelnden Autonomie Batasunas gegenüber der ETA zur Abspaltung.
"Wir bei Aralar verurteilen die Gewalt eindeutig. Bei Batasuna ist das nicht klar. Deren Erklärungen nach dem gescheiterten Waffenstillstand waren doch die gleichen wie immer: "Wir haben unser Möglichstes getan, die andere Seite hat sich nicht bewegt und so weiter." Auf den Bruch des Waffenstillstands der ETA mit diesem Anschlag auf den Madrider Flughafen Ende 2006 mit zwei Toten haben sie überhaupt nicht reagiert. Im Grunde haben sie das hingenommen."
Eneko legt eine große Scheibe Thunfisch in die Pfanne. Nach wenigen Minuten ist er scharf angebraten, innen bleibt das Fleisch roh. "Dafür muss der Fisch sehr frisch sein", empfiehlt Eneko. Das Baskenland ist berühmt für den frischen Fisch aus dem Atlantik. Eneko hat ihn erst am morgen im Hafen Getarias gekauft.
Es gebe kaum noch Sardellen, erzählt Eneko. Diese kleinen "antxoas" genannten Fischchen gehören zwar auf jede baskische tapa - sind aber vom Aussterben bedroht. So habe der Thunfisch den Fischern so im letzten Jahr das Einkommen gesichert, sagt Eneko.
Er schenkt allen am Tisch vom Weißwein nach. 50 Jahre ist Eneko alt, vier davon hat er im Gefängnis verbracht. "Wenig für diejenigen, die die Gesetze machen, aber viel für den, der eingesperrt wird", sagt er, aber er wirkt nicht gebrochen. 1979 hatte er sich den Autonomen Antikapitalistischen Kommandos angeschlossen, einer Abspaltung von der ETA, die sich inzwischen aufgelöst hat. Ungehemmt spricht über diese Zeit:
"Es war damals sehr leicht, in ein Kommando zu gehen. Alle nationalistischen Familien hatten jemanden im Gefängnis, man musste sie nur kontaktieren. Dann ging man nach Frankreich. Die Leute der ETA und der anderen Gruppen liefen dort frei herum. Wir dachten damals nicht viel nach. Das sehe ich heute schon kritisch."
Mehr als 20 Mordanschläge und zahlreiche Sabotageakte gehen auf die Antikapitalistischen Kommandos zurück. Zu seiner eigene Beteiligung sagt Eneko nur knapp, er habe keine Bluttaten begangen. Mitte der achtziger Jahre erließ die spanische Regierung dann ein Gesetz, nachdem Terroristen, die ihre Abkehr von der Gewalt erklären, vorzeitig entlassen werden können. Eneko kam frei:
"Der bewaffnete Kampf hat ein Ziel. Das Ziel ist: Gewinnen. Gibt es irgendeine Möglichkeit zu gewinnen? Keine. Man stört noch nicht einmal. Der Staat ist so stark, dass sich ein Anschlag nur negativ auf dich auswirkt. Ich sehe nichts Positives am bewaffnetem Kampf."
"Du argumentierst aber sehr pragmatisch", schaltet sich der jüngere Urko ein, der gerade den Café an den Tisch bringt. Die Legitimität von Waffengewalt könne nicht nach den Erfolgsmöglichkeiten beurteilt werden, sagt er. Eneko trinkt den Café schnell aus und wird deutlicher:
"Die ETA ist keine nationale Befreiungsarmee. Sie sehen sich so. Aber sie sind es nicht. Eine Befreiungsarmee muss das Volk hinter sich haben, das sie befreien will. Die ETA hat keine Mehrheit hinter sich. Höchstens eine kleine Minderheit. Sie steht nur noch für sich selbst."
Alle Versuche, alle Verhandlungen mit der ETA-Spitze über ein Ende der blutigen Gewalt sind bisher gescheitert. Auch die Verhandlungsbereitschaft des Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero hat daran nichts geändert. Die ausgehandelte Waffenruhe vom März 2006 endete noch im selben Jahr als die baskische Terrororganisation auf dem Madrider Flughafen eine Bombe zündet, zwei Menschen starben.
Auch wenn sich die Opposition in ihrem Vorwurf: Zapatero ging vor der ETA in die Knie, bestätig sah, behielt sie in einem wesentlichen Punkt unrecht: Aus dieser gebrochenen Waffenruhe ging die Terrororganisation nicht gestärkt hervor. Mit diesem Attentat hat sie den letzten Rückhalt bei der baskischen Bevölkerung verloren, die so sehr auf ein Ende der Gewalt gehofft hatte.
Wer Baske ist, aber kein radikaler Nationalist, kann für die ETA schnell zur Zielscheibe werden. Das musste auch Jose Ramon Recalde erleben. Und das, obwohl der Rechtsanwalt gegen das Franco-Regime gekämpft hat, in den frühen sechziger Jahren mit seiner sozialistischen Partei: der Front zur Volksbefreiung. Dafür wurde er gefoltert und oft überfallen, doch nach Francos Tot war der Terror nicht vorbei. Die ETA wollte Recalde am 14. September 2000 ermorden. Den Anschlag hat er überlebt und seinen alten Buchladen hat er auch behalten: Trotz Franco, trotz der ETA:
Die lebende Zielscheibe - ein Überlebender
"Ja, ich glaube, das war während der Diktatur eine wichtige Buchhandlung. Wir verkauften vor allem politische, auch verbotene Schriften. Die Franco-Anhänger überfielen uns; und das Regime drohte mit der Schließung. Die Anschläge der ETA wurden härter. Weihnachten 1996 wurden wir 20 Mal überfallen, es folgen Steine, auch Molotowcocktails. Ein Jahr später brachen sie in den Laden ein, warfen die Bücher auf die Straße und zündeten sie an. Wir machten immer weiter, bis zum Jahr 2000. Da schossen sie mir in den Kopf."
Aber José Ramón Recalde hat es überlebt. Ein hartes Jahr, erzählt der kleine, schmächtige Baske und kratzt an seinem Spitzbart. Der 76-Jährige zählt die Liste mit den Namen der Toten jenen Jahres auf: Der sozialistische Politiker und einer seiner besten Freunde Juan Mari Jáuregui, Ernest Lluc, ebenfalls ehemaliger politischer Weggefährte, und der Kolumnist Luis López de Lacalle. So viel absurde Morde, sagt Teresa, die sich neben ihren Mann gesetzt hat, und Recalde meint:
"Zu viele. Es war wirklich erstaunlich. Im gleichen Jahr hatte die Baskische Nationalistische Partei - PNV - mit der ETA einen Pakt über ein Ende der Gewalt aber auch gegen uns Nicht-Nationalisten geschlossen. Irgendwann beendeten sie das. Aber ihr Vorsitzender Xavier Arzalluz hatte diesen Satz gesagt: "Die einen rütteln am Baum, und die anderen sammeln die Früchte auf." Ein Bild über die Arbeitsteilung zwischen der ETA und seiner PNV. Der heutige Ministerpräsident Ibarretxe mit seinem Unabhängigkeitsplan ist nicht so zynisch. Aber er ist noch viel fanatischer."
Fanatisch, weil er immer wieder von baskischen und spanischen Identitäten spreche, als sei das ein Widerspruch und an seinem Unabhängigkeitsplan festhalte. Recalde hat die Beine übereinander geschlagen. Was er wie eine trockene Analyse vorträgt, ist in Wahrheit große Leidenschaft, sein Leben, und der Grund, weshalb die ETA ihn töten wollte. Mit viel Energie machte sich Recalde nach Francos Tod an den demokratischen Neubeginn in Euskadi, wurde für die Sozialisten baskischer Justizminister und begann mit der Ausgestaltung der "Gesellschaft freier Bürger", wie er es nennt:
"Der Nationalismus ist eine in reaktionäre romantische Bewegung. Er sucht die reaktionäre Solidarität der Leute um Begriffe wie Volk und Vaterland. Mit den deutschen Romantikern hat das in Wahrheit wenig zu tun, die suchten ja Einheit, keine Abspaltung. Man kann keinen Staat auf so unrationellen Fundamenten aufbauen. Rationell ist die Gesellschaft freier Bürger - nicht die Gesellschaft nationaler Identitäten."
Recalde steht auf, ein guter alter Freund ist in den Buchladen gekommen. Es dauert ein wenig, bis er sich sortiert hat, richtet Jacke und Hose zurecht, macht ein wenig Gesichtsgymnastik. Das Sprechen fällt ihm schwer, eine Spätfolge des Anschlags:
"Die Kugel ist hier an der Backe eingedrungen, zerschlug den Unterkiefer und einige Zähne. Einige Splitter machen mir ein Loch in der Zunge. Ich hatte einige Kronen aus Titan, die haben die Kugel aufgehalten und mir das Leben gerettet. Teresa hielt mir hinterher noch die Hand und sagte: Immer mit der Ruhe, von einem Schuss in den Mund ist noch keiner gestorben."
Schließlich will Recalde doch noch den Ort zeigen, wo er sterben sollte. Vor dem Buchladen stehen zwei bewaffnete Leibwächter, noch immer gilt er als Ziel der ETA. Sie fahren das Ehepaar zu ihrem Haus auf dem Berg Igueldo, etwas außerhalb der Stadt. "Wie sehr gefällt mir meine Stadt", sagt Recalde etwas wehmütig und blickt auf das mondäne San Sebastián und den blau leuchtenden Atlantik hinab. Der Wagen hält, einer der Leibwächter steigt aus, kontrolliert den Zugang zum Haus, erst dann steigen auch Maria Teresa und José Ramón Recalde aus:
"Hier am Eingang hat der Mörder gewartet. Ich wollte gerade die Tür aufschließen, da schoss er, und ich fiel zu Boden. Unsere kleine Hündin begann fürchterlich zu bellen. Ich glaube, das erschrak ihn, sonst hätte er noch einmal geschossen. Stattdessen rannt er weg. Ich bin dann rein in die Küche und habe mich hier auf den Stuhl gesetzt."
José Ramón Recalde führt ins Wohnzimmer, die Fenster geben einen wunderbaren Blick auf den Atlantik frei, zeigt auf seine Bibliothek. Er liebt deutsche Dichter, Hölderlin, gegenwärtig liest er die Kapuzinergruft von Joseph Roth. Und er blättert durch seine Autobiografie, die mit dem Tag des Attentats beginnt, und für ihn seine Aufarbeitung der Erlebnisse war. Hass empfindet er keinen, auch keine Bitterkeit darüber, dass nicht endgültig geklärt wurde, wer auf ihn schoss:
"Nein, das wäre nicht gut. Man kann nicht den Rest seines Lebens in Wut verbringen. Allerdings darf man von den Opfern auch nicht erwarten, dass sie vergeben. Jeden Tag erinnere ich mich an die ETA: Die Zunge entzündet sich, Zähne wackeln, ich muss sehr langsam essen. Ich hatte große Hoffnungen bei der letzten Waffenruhe. Ich dachte, bei der ETA hätten sich die durchgesetzt, die Schluss machen wollen, ohne politische Bedingungen. Schließlich war es doch nicht so. Gegenwärtig sehe ich keine neue Chance für ein Ende. Aber so ähnlich wird es sein müssen: Niederlegung der Waffen und eine Lösung für die mehr als 800 ETA-Mitglieder in den Gefängnissen."
Das waren Gesichter Europas: Im Angesicht der Gewalt -das Baskenland im Schatten der Vergangenheit
Mit Reportagen von Hans-Günter Kellner
Am Mikrofon war Britta Fecke.
Aber José Ramón Recalde hat es überlebt. Ein hartes Jahr, erzählt der kleine, schmächtige Baske und kratzt an seinem Spitzbart. Der 76-Jährige zählt die Liste mit den Namen der Toten jenen Jahres auf: Der sozialistische Politiker und einer seiner besten Freunde Juan Mari Jáuregui, Ernest Lluc, ebenfalls ehemaliger politischer Weggefährte, und der Kolumnist Luis López de Lacalle. So viel absurde Morde, sagt Teresa, die sich neben ihren Mann gesetzt hat, und Recalde meint:
"Zu viele. Es war wirklich erstaunlich. Im gleichen Jahr hatte die Baskische Nationalistische Partei - PNV - mit der ETA einen Pakt über ein Ende der Gewalt aber auch gegen uns Nicht-Nationalisten geschlossen. Irgendwann beendeten sie das. Aber ihr Vorsitzender Xavier Arzalluz hatte diesen Satz gesagt: "Die einen rütteln am Baum, und die anderen sammeln die Früchte auf." Ein Bild über die Arbeitsteilung zwischen der ETA und seiner PNV. Der heutige Ministerpräsident Ibarretxe mit seinem Unabhängigkeitsplan ist nicht so zynisch. Aber er ist noch viel fanatischer."
Fanatisch, weil er immer wieder von baskischen und spanischen Identitäten spreche, als sei das ein Widerspruch und an seinem Unabhängigkeitsplan festhalte. Recalde hat die Beine übereinander geschlagen. Was er wie eine trockene Analyse vorträgt, ist in Wahrheit große Leidenschaft, sein Leben, und der Grund, weshalb die ETA ihn töten wollte. Mit viel Energie machte sich Recalde nach Francos Tod an den demokratischen Neubeginn in Euskadi, wurde für die Sozialisten baskischer Justizminister und begann mit der Ausgestaltung der "Gesellschaft freier Bürger", wie er es nennt:
"Der Nationalismus ist eine in reaktionäre romantische Bewegung. Er sucht die reaktionäre Solidarität der Leute um Begriffe wie Volk und Vaterland. Mit den deutschen Romantikern hat das in Wahrheit wenig zu tun, die suchten ja Einheit, keine Abspaltung. Man kann keinen Staat auf so unrationellen Fundamenten aufbauen. Rationell ist die Gesellschaft freier Bürger - nicht die Gesellschaft nationaler Identitäten."
Recalde steht auf, ein guter alter Freund ist in den Buchladen gekommen. Es dauert ein wenig, bis er sich sortiert hat, richtet Jacke und Hose zurecht, macht ein wenig Gesichtsgymnastik. Das Sprechen fällt ihm schwer, eine Spätfolge des Anschlags:
"Die Kugel ist hier an der Backe eingedrungen, zerschlug den Unterkiefer und einige Zähne. Einige Splitter machen mir ein Loch in der Zunge. Ich hatte einige Kronen aus Titan, die haben die Kugel aufgehalten und mir das Leben gerettet. Teresa hielt mir hinterher noch die Hand und sagte: Immer mit der Ruhe, von einem Schuss in den Mund ist noch keiner gestorben."
Schließlich will Recalde doch noch den Ort zeigen, wo er sterben sollte. Vor dem Buchladen stehen zwei bewaffnete Leibwächter, noch immer gilt er als Ziel der ETA. Sie fahren das Ehepaar zu ihrem Haus auf dem Berg Igueldo, etwas außerhalb der Stadt. "Wie sehr gefällt mir meine Stadt", sagt Recalde etwas wehmütig und blickt auf das mondäne San Sebastián und den blau leuchtenden Atlantik hinab. Der Wagen hält, einer der Leibwächter steigt aus, kontrolliert den Zugang zum Haus, erst dann steigen auch Maria Teresa und José Ramón Recalde aus:
"Hier am Eingang hat der Mörder gewartet. Ich wollte gerade die Tür aufschließen, da schoss er, und ich fiel zu Boden. Unsere kleine Hündin begann fürchterlich zu bellen. Ich glaube, das erschrak ihn, sonst hätte er noch einmal geschossen. Stattdessen rannt er weg. Ich bin dann rein in die Küche und habe mich hier auf den Stuhl gesetzt."
José Ramón Recalde führt ins Wohnzimmer, die Fenster geben einen wunderbaren Blick auf den Atlantik frei, zeigt auf seine Bibliothek. Er liebt deutsche Dichter, Hölderlin, gegenwärtig liest er die Kapuzinergruft von Joseph Roth. Und er blättert durch seine Autobiografie, die mit dem Tag des Attentats beginnt, und für ihn seine Aufarbeitung der Erlebnisse war. Hass empfindet er keinen, auch keine Bitterkeit darüber, dass nicht endgültig geklärt wurde, wer auf ihn schoss:
"Nein, das wäre nicht gut. Man kann nicht den Rest seines Lebens in Wut verbringen. Allerdings darf man von den Opfern auch nicht erwarten, dass sie vergeben. Jeden Tag erinnere ich mich an die ETA: Die Zunge entzündet sich, Zähne wackeln, ich muss sehr langsam essen. Ich hatte große Hoffnungen bei der letzten Waffenruhe. Ich dachte, bei der ETA hätten sich die durchgesetzt, die Schluss machen wollen, ohne politische Bedingungen. Schließlich war es doch nicht so. Gegenwärtig sehe ich keine neue Chance für ein Ende. Aber so ähnlich wird es sein müssen: Niederlegung der Waffen und eine Lösung für die mehr als 800 ETA-Mitglieder in den Gefängnissen."
Das waren Gesichter Europas: Im Angesicht der Gewalt -das Baskenland im Schatten der Vergangenheit
Mit Reportagen von Hans-Günter Kellner
Am Mikrofon war Britta Fecke.