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Im Ausnahmezustand

"Wer erfahren will, wie es wirklich war, wird sich an die Frauen halten müssen. Denn die Männer haben sich in den Ruinen als das 'schwächere Geschlecht' gezeigt." So schreibt die 'Anonyma' deren Tagebuch aus dem Jahr 1945 in der Anderen Bibliothek 2003 erschien.

Von Matthias Sträßner | 08.05.2005
    Tatsächlich stammen die meisten veröffentlichten Berliner Tagebücher des Jahres 1945 nicht nur von Frauen, sondern darüber hinaus auch noch von Journalistinnen, mögen sie nun für bekanntere Blätter geschrieben haben wie Ursula von Kardoff (Deutsche Allgemeine Zeitung) oder die Auslandskorrespondentin der Frankfurter Zeitung, Margret Boveri, oder eher für heute unbekannte Blätter wie Ruth Andreas-Friedrich oder die 'Anonyma'.

    Diese Tagebücher sind sehr unterschiedlich, auch was das zeitliche Panorama anlangt: Während in den Tagebüchern von Ruth Andreas-Friedrich und Ursula von Kardoff die gesamte Zeit des Krieges mitzuerleben ist, zeigen die Bücher der Boveri und der Anonyma eingegrenzte Ausschnitte. Aber in allen genannten Tagebüchern bleiben die Stufen des Erlebens und Erinnerns, der Niederschrift und der endgültigen Buch-Edition rekonstruierbar. Und hinter der Frage, wer die Verfasserinnen sind und ob die Tagebücher als 'authentisch' zu gelten haben, taucht auch die Frage auf, wie sich seit 1945 die Erwartungen der Leser an Authentizität verändert haben.