Archiv


"Im Dienst des Architektur-Schönen"

"Couturier war unser Freund. Freund von dem, was uns das Heiligste ist: den Glauben in unsere Kunst", sagte Le Corbusier kurz nach dem Tod Marie-Alain Couturiers. Ungewöhnlich genug, denn Couturier war ein Geistlicher, genauer: ein Dominikanermönch. Genau darin hat diese äußerst sorgfältig gemachte Ausstellung im Dresdner Haus der Architekten ihren besonderen Reiz. Sie thematisiert eben jenen Zusammenhang von christlicher Spiritualität in der als ach so weltlich geltenden modernen Kunst und Architektur, der bislang nur selten beachtet, vielleicht auch verdrängt worden ist. Dabei bot der sakrale Rahmen offenkundig vielen großen unter den modernen Künstlern eine neue Bühne für ihr Selbstverständnis.

Carsten Probst |
    Die katholische Kirche hatte bekanntlich stets Mühe, sich mit moderner Kunst anzufreunden, das gilt im Grunde bis heute. Marie-Alain Couturier aber zählte von Beginn zu den entschiedensten Feinden von religiösem Kitsch und der Verniedlichung der christlichen Symbolfiguren. Die größten Künstler der Zeit aber, so war er überzeugt, könnten auch die Tiefe der christlichen Botschaft vermitteln. Und so kam es, daß er begann, Aufträge an die berühmten, meist aus Frankreich stammenden Künstler seiner Zeit zu verteilen, Aufträge für die bildliche Ausgestaltung von Kirchenräumen, für Glasfenster und für ganze Kirchen- und Klosterbauten. Ohne Couturiers Engagement gäbe es womöglich nicht Le Corbusiers berühmte Kirche von Ronchamp bei Besancon oder das Convent La Tourette oder die Glasfenster von Matisse in der Rosenkranz-Kapelle von Vence und mittlerweile zahlreiche andere Beispiele von moderner Sakralbaukunst in Europa.

    Couturiers Leben ist geprägt von einem in diesem Zusammenhang hochinteressanten inneren Kampf zwischen seiner eigenen künstlerischen Neigung und seiner christlichen Berufung. Zunächst fühlte er sich zur Malerei hingezogen, studierte sie in Paris und schloß sich 1920, mit 23 Jahren, dem Kreis sakraler Künstler um Maurice Denis an. Von ihm erhoffte er sich eine Verbindung zwischen christlicher und künstlerischer Inspiration, wurde aber enttäuscht. Bei allen damaligen Mitstreitern, Denis selbst ausgenommen, fand Couturier nur, daß sich geistliche Erleuchtung und künstlerische Genialität widersprachen. Keiner von ihnen erreichte je kunsthistorische Bedeutung. Wenig später hatte Couturier selbst "sein" Erweckungserlebnis, daß ihn zu dem Entschluß brachte, in den Dominikanerorden einzutreten. Selbstzeugnisse aus den folgenden Jahren belegen, daß er versuchte, den Künstler in sich nun regelrecht zu ertöten. Kunst sei nichts als ein Spiel mit der Schönheit, schrieb er, das nur an der Oberfläche der Seele gespielt werde, aber niemals die Ernsthaftigkeit und Tiefe des Lebens selbst erreiche. Doch mußte er sich bald darauf dem Künstler in sich wieder geschlagen geben. Ohne nicht wenigstens ein paar Tage in der Woche zu Zeichnen oder zu malen, konnte er nicht leben.

    Kurz vor seinem vierzigsten Geburtstag überantwortete ihm sein Orden die Redaktion der Zeitschrift "L’Art Sarcé", in der er sich in den folgenden Jahrzehnten intensiv mit seinen Fragen zur zeitgenössischen Kunst auseinandersetzte. Unter dem Einfluß seines zeitweiligen amerikanischen Exils kam während des zweiten Weltkriegs dann noch eine Hinwendung zur abstrakten Kunst hinzu, die er vorher noch abgelehnt hatte. Die Zeitschrift "L’Art Sacré" strahlte durchaus auch in intellektuelle Kreise aus, die ihn ermutigten, und immer wieder gelang es ihm nun in der Folgezeit, kirchliche Gremien von Aufträgen an zeitgenössische Künstler zu Überzeugen. Unklar ist, ob bereits Alfred Manessiers großartige Glasfenster in der Kirche von Les Bréseux auf einen solchen Auftrag Couturiers zurückgingen. Doch bereits beim Kirchenbau in Assy unterhalb des Montblanc waren unter anderem Pierre Bonnard, Matisse, Chagall, Germaine Richier und auch Couturier selbst an der malerischen Ausgestaltung beteiligt. Das Projekt wurde vielfach angefeindet, und Couturier konnte sich hier erstmals als öffentlicher Kämpfer wider den christlichen Kitsch bewähren. Und man ließ ihn fortfahren.

    1951 wurde die berühmte Rosenkranzkapelle im südfranzösischen Vence geweiht, deren Glasfenster und Malereien von Matisse stammen. Im selben Jahr wurden Fernand Légers Glasfenster in Audincourt fertiggestellt. Noch bevor Couturier 1954 starb, konnte er das Generalkapitel davon überzeugen, den Neubau des Konvent von La Tourette an Le Corbusier zu vergeben, der erste Klosterbau ganz aus Beton. Mit Picasso dagegen, den er mehrfach zu langen Gesprächen traf, konnte er nie wirklich etwas anfangen, bezeichnete ihn, bei aller Bewunderung, einmal auch als "oberflächlich und akrobatisch". Couturier selbst blieb bislang innerhalb der katholischen Orden eine weitgehend singuläre Erscheinung, allerdings mit Ausstrahlung. Jegliches Engagement von katholischen Gremien für zeitgenössische, "nicht-kitschige" Kunst oder Architektur heute wird sich auf ihn berufen können.