Sandra Schulz: Noch im Herbst mahnte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, es gehe um die Reformfähigkeit unseres Landes. Im Blick hatte er da die Neuregelung der Großen Koalition zur Pendlerpauschale. Seit Januar 2007 kamen in den Genuss dieser Begünstigung ja nur noch Pendler, deren Arbeitsweg länger als 20 Kilometer war. Diese Kappung hat gestern das Bundesverfassungsgericht gekippt und damit für ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk für Millionen von Arbeitnehmer gesorgt. Kosten für die öffentlichen Kassen: rund 7 Milliarden Euro. Über die Konsequenzen des Urteils hat mein Kollege Jochen Fischer gestern Abend mit dem Vorsitzenden der Steuer-Gewerkschaft gesprochen, mit Dieter Ondracek. Seine erste Frage war, ob er zufrieden sei mit dem Urteil.
Dieter Ondracek: Ja, weil das Zurückdrehen ein Akt der Steuergerechtigkeit ist. Das Streichen der ersten 20 Kilometer hat mit Steuersystematik und Gerechtigkeit nichts zu tun, und unsere Kolleginnen und Kollegen stehen für Steuergerechtigkeit.
Jochen Fischer: Lassen Sie uns mal kurz dabei verweilen, was sich denn nun für den Steuerpflichtigen, für uns alle geändert hat, wir, die wir Berufspendler sind zumindest. Kann ich denn ab morgen schon wieder 30 Cent pro Kilometer zur Arbeit absetzen?
Ondracek: Das ist richtig. Nicht nur ab morgen, sondern rückwirkend ab 2007 ist die Regelung wieder gestrichen. Es gilt die alte Regelung durchgehend weiter und die Zwischenstrecke, wo die Kürzung bei 20 Kilometer eingesetzt hat, ist gestrichen.
Fischer: Also das heißt, es ist so, als ob es diese Kürzung, dieses Gesetz 2007 gar nicht gegeben hätte?
Ondracek: Das ist richtig. Es ist so, als ob es diese Kürzung nie gegeben hätte.
Fischer: Wenn ich nun beim Ausfüllen meines Lohnsteuerermäßigungsantrages nicht auf das Verfassungsgericht gehofft habe und erst ab dem 21. Kilometer die Pauschale beantragt habe, wie komme ich denn nun an mein Geld?
Ondracek: Wenn Sie in der Steuererklärung Ihre Entfernung reingeschrieben haben, dann hat das Finanzamt die ersten 20 Kilometer nicht gerechnet, sondern erst ab dem 21. Kilometer. Der Steuerbescheid ist vorläufig. Es werden jetzt Korrekturläufe veranlasst, die also die ersten 20 Kilometer auch mitgreifen. In diesem Fall ist also nichts zu tun.
Wenn Sie aber in die Steuererklärung gar nichts mehr hinsichtlich dieser Fahrtkosten reingeschrieben haben, weil Sie sich gesagt haben, ich habe unter 20 Kilometer und da ist es eh sinnlos, wenn ich was reinschreibe, dann müssen Sie einen ergänzenden Antrag stellen, das heißt die Anlage N mit der Rückseite der Werbungskosten noch einmal ausfüllen und dem Finanzamt zuleiten.
Fischer: Wenn ich aber im Wege der Eintragung auf der Lohnsteuerkarte Einspruch gegen die Verweigerung der Pauschale eingelegt habe?
Ondracek: Wenn Sie einen konkreten Einspruch wegen der Nichteintragung des Freibetrages gestellt haben, dann wird dieser jetzt von Amtswegen in Ihrem Sinne erledigt.
Fischer: Zahlt mir das Finanzamt eigentlich Zinsen für zu Unrecht einbehaltene Rückzahlungen?
Ondracek: Da ist die Zeitspanne zu kurz. Es gibt die Zinszahlung bei Steuererstattungen, aber erst ab dem dritten Jahr und so lange ist diese Geschichte ja noch nicht gestrichen.
Fischer: Die Bundeskanzlerin hat gesagt, sie wünscht sich, dass schon im Frühjahr mit den Rückzahlungen begonnen werden kann. Bis wann rechnen Sie denn eigentlich mit der Abwicklung des ganzen Systems?
Ondracek: Ich rechne im Frühjahr mit der Abwicklung. Das heißt jene, die vorläufige Steuerbescheide haben und bei denen nur ein Korrekturlauf gemacht werden muss, die gehen relativ schnell. Da braucht kein Sachbearbeiter die Akte in die Hand nehmen, sondern das wird programmtechnisch angestoßen. Die EDV-Anlage weiß, wo habe ich 20 Kilometer nicht anerkannt, und da wird jetzt der Programmbefehl gegeben, auch die ersten 20 Kilometer zu berechnen und da gehen automatisch berichtigte Steuerbescheide heraus. Dort wo eine Erklärung abgegeben werden muss, sei es eben eine Korrektur der alten Erklärung, weil ich gar keine Entfernung reingeschrieben habe, oder weil ich gar keine Steuererklärung abgegeben habe in der Annahme, ich bekomme eh keine Rückerstattung, da ist natürlich die Bearbeitung per Hand durch einen Sachbearbeiter notwendig und das trifft zusammen mit der Steuererklärung 2008, die ja dann auch im Januar/Februar abgegeben wird. Dann kann es etwas dauern, aber die Kolleginnen und Kollegen werden sich bemühen, die Altfälle, die aus dem Jahr 2007, vorab zu erledigen, damit hier dann endlich diese Geschichte abgewickelt ist.
Fischer: Im Laufe des Jahres 2009, höre ich daraus, haben alle, die es angeht, ihr Geld in der Hand oder auf dem Konto?
Ondracek: Ja. Ich bin mutig und sage, im ersten Halbjahr 2009 haben es alle.
Fischer: Nun braucht der Finanzminister ja für diese Umsetzung des Urteils mehr als sieben Milliarden Euro, haben wir heute gehört, und wenn man ihm Glauben schenkt, dann will er dieses Geld nicht an anderer Stelle einsparen. Dafür muss er also mehr Schulden machen. Das kann doch eigentlich auch nicht in Ihrem Sinne sein.
Ondracek: Das ist nicht in unserem Sinne, aber die 2,4 Milliarden, die das 2007 gekostet hätte, hat er mehr eingenommen, über Plan eingenommen. Da kann es kein Problem sein, diese dann zu zahlen. Das heißt, wir haben keine Nettoneuverschuldung null, sondern wir haben eine geringere Verschuldung als geplant. Wenn diese Streichung nicht von Anfang an erfolgt wäre, hätte er diese 2,4 Milliarden auch ausgeben müssen. Es kumuliert sich jetzt natürlich 2007, 2008 und 2009. Das ist die Rechnung, die dann auf 7,5 Milliarden kommt. Die müssen sicherlich an anderer Stelle irgendwo wett gemacht werden, aber die Steuereinnahmen liegen auch in diesem Jahr 2008 über Plan, so dass man hier etwas gegenfinanzieren kann, und 2009 wird so schlimm nicht werden, wie jetzt allgemein angenommen wird.
Fischer: Woher nehmen Sie denn diese Zuversicht?
Ondracek: Die Zuversicht nehme ich daraus, dass die Gewinne noch im Jahr 2008 ordentlich waren. Es wird sicherlich in manchen Branchen 2009 ein Einbruch erfolgen. Das ist zu kalkulieren. Die Konjunkturhilfen kosten auch Geld. 2009 muss man also in die Nettoneuverschuldung gehen. Es ist aber in einer Konjunkturdelle volkswirtschaftlich angesagt, dass man hier über Steuern gegensteuert, entweder Steuern senkt, oder Steuern zurückzahlt, oder Gutscheine ausgibt, was alles in der Diskussion ist. Jetzt hat das Gericht den Finanzminister genötigt, hier an dieser Stelle Geld zurückzugeben. Das kann er natürlich an anderer Stelle, wo er es vielleicht im Kopf hatte und wo sich die Politik im Januar noch mal treffen will, nicht mehr geben.
Schulz: Der Vorsitzende der Steuergewerkschaft Dieter Ondracek im Gespräch mit meinem Kollegen Jochen Fischer. Thema war das Urteil zur Pendlerpauschale von gestern.
Dieter Ondracek: Ja, weil das Zurückdrehen ein Akt der Steuergerechtigkeit ist. Das Streichen der ersten 20 Kilometer hat mit Steuersystematik und Gerechtigkeit nichts zu tun, und unsere Kolleginnen und Kollegen stehen für Steuergerechtigkeit.
Jochen Fischer: Lassen Sie uns mal kurz dabei verweilen, was sich denn nun für den Steuerpflichtigen, für uns alle geändert hat, wir, die wir Berufspendler sind zumindest. Kann ich denn ab morgen schon wieder 30 Cent pro Kilometer zur Arbeit absetzen?
Ondracek: Das ist richtig. Nicht nur ab morgen, sondern rückwirkend ab 2007 ist die Regelung wieder gestrichen. Es gilt die alte Regelung durchgehend weiter und die Zwischenstrecke, wo die Kürzung bei 20 Kilometer eingesetzt hat, ist gestrichen.
Fischer: Also das heißt, es ist so, als ob es diese Kürzung, dieses Gesetz 2007 gar nicht gegeben hätte?
Ondracek: Das ist richtig. Es ist so, als ob es diese Kürzung nie gegeben hätte.
Fischer: Wenn ich nun beim Ausfüllen meines Lohnsteuerermäßigungsantrages nicht auf das Verfassungsgericht gehofft habe und erst ab dem 21. Kilometer die Pauschale beantragt habe, wie komme ich denn nun an mein Geld?
Ondracek: Wenn Sie in der Steuererklärung Ihre Entfernung reingeschrieben haben, dann hat das Finanzamt die ersten 20 Kilometer nicht gerechnet, sondern erst ab dem 21. Kilometer. Der Steuerbescheid ist vorläufig. Es werden jetzt Korrekturläufe veranlasst, die also die ersten 20 Kilometer auch mitgreifen. In diesem Fall ist also nichts zu tun.
Wenn Sie aber in die Steuererklärung gar nichts mehr hinsichtlich dieser Fahrtkosten reingeschrieben haben, weil Sie sich gesagt haben, ich habe unter 20 Kilometer und da ist es eh sinnlos, wenn ich was reinschreibe, dann müssen Sie einen ergänzenden Antrag stellen, das heißt die Anlage N mit der Rückseite der Werbungskosten noch einmal ausfüllen und dem Finanzamt zuleiten.
Fischer: Wenn ich aber im Wege der Eintragung auf der Lohnsteuerkarte Einspruch gegen die Verweigerung der Pauschale eingelegt habe?
Ondracek: Wenn Sie einen konkreten Einspruch wegen der Nichteintragung des Freibetrages gestellt haben, dann wird dieser jetzt von Amtswegen in Ihrem Sinne erledigt.
Fischer: Zahlt mir das Finanzamt eigentlich Zinsen für zu Unrecht einbehaltene Rückzahlungen?
Ondracek: Da ist die Zeitspanne zu kurz. Es gibt die Zinszahlung bei Steuererstattungen, aber erst ab dem dritten Jahr und so lange ist diese Geschichte ja noch nicht gestrichen.
Fischer: Die Bundeskanzlerin hat gesagt, sie wünscht sich, dass schon im Frühjahr mit den Rückzahlungen begonnen werden kann. Bis wann rechnen Sie denn eigentlich mit der Abwicklung des ganzen Systems?
Ondracek: Ich rechne im Frühjahr mit der Abwicklung. Das heißt jene, die vorläufige Steuerbescheide haben und bei denen nur ein Korrekturlauf gemacht werden muss, die gehen relativ schnell. Da braucht kein Sachbearbeiter die Akte in die Hand nehmen, sondern das wird programmtechnisch angestoßen. Die EDV-Anlage weiß, wo habe ich 20 Kilometer nicht anerkannt, und da wird jetzt der Programmbefehl gegeben, auch die ersten 20 Kilometer zu berechnen und da gehen automatisch berichtigte Steuerbescheide heraus. Dort wo eine Erklärung abgegeben werden muss, sei es eben eine Korrektur der alten Erklärung, weil ich gar keine Entfernung reingeschrieben habe, oder weil ich gar keine Steuererklärung abgegeben habe in der Annahme, ich bekomme eh keine Rückerstattung, da ist natürlich die Bearbeitung per Hand durch einen Sachbearbeiter notwendig und das trifft zusammen mit der Steuererklärung 2008, die ja dann auch im Januar/Februar abgegeben wird. Dann kann es etwas dauern, aber die Kolleginnen und Kollegen werden sich bemühen, die Altfälle, die aus dem Jahr 2007, vorab zu erledigen, damit hier dann endlich diese Geschichte abgewickelt ist.
Fischer: Im Laufe des Jahres 2009, höre ich daraus, haben alle, die es angeht, ihr Geld in der Hand oder auf dem Konto?
Ondracek: Ja. Ich bin mutig und sage, im ersten Halbjahr 2009 haben es alle.
Fischer: Nun braucht der Finanzminister ja für diese Umsetzung des Urteils mehr als sieben Milliarden Euro, haben wir heute gehört, und wenn man ihm Glauben schenkt, dann will er dieses Geld nicht an anderer Stelle einsparen. Dafür muss er also mehr Schulden machen. Das kann doch eigentlich auch nicht in Ihrem Sinne sein.
Ondracek: Das ist nicht in unserem Sinne, aber die 2,4 Milliarden, die das 2007 gekostet hätte, hat er mehr eingenommen, über Plan eingenommen. Da kann es kein Problem sein, diese dann zu zahlen. Das heißt, wir haben keine Nettoneuverschuldung null, sondern wir haben eine geringere Verschuldung als geplant. Wenn diese Streichung nicht von Anfang an erfolgt wäre, hätte er diese 2,4 Milliarden auch ausgeben müssen. Es kumuliert sich jetzt natürlich 2007, 2008 und 2009. Das ist die Rechnung, die dann auf 7,5 Milliarden kommt. Die müssen sicherlich an anderer Stelle irgendwo wett gemacht werden, aber die Steuereinnahmen liegen auch in diesem Jahr 2008 über Plan, so dass man hier etwas gegenfinanzieren kann, und 2009 wird so schlimm nicht werden, wie jetzt allgemein angenommen wird.
Fischer: Woher nehmen Sie denn diese Zuversicht?
Ondracek: Die Zuversicht nehme ich daraus, dass die Gewinne noch im Jahr 2008 ordentlich waren. Es wird sicherlich in manchen Branchen 2009 ein Einbruch erfolgen. Das ist zu kalkulieren. Die Konjunkturhilfen kosten auch Geld. 2009 muss man also in die Nettoneuverschuldung gehen. Es ist aber in einer Konjunkturdelle volkswirtschaftlich angesagt, dass man hier über Steuern gegensteuert, entweder Steuern senkt, oder Steuern zurückzahlt, oder Gutscheine ausgibt, was alles in der Diskussion ist. Jetzt hat das Gericht den Finanzminister genötigt, hier an dieser Stelle Geld zurückzugeben. Das kann er natürlich an anderer Stelle, wo er es vielleicht im Kopf hatte und wo sich die Politik im Januar noch mal treffen will, nicht mehr geben.
Schulz: Der Vorsitzende der Steuergewerkschaft Dieter Ondracek im Gespräch mit meinem Kollegen Jochen Fischer. Thema war das Urteil zur Pendlerpauschale von gestern.