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"Im Grunde genommen ist er ein verkappter Maler"

Der New Yorker Künstler Christopher Wool erhält den diesjährigen Wolfgang-Hahn-Preis. Dieser beinhaltet die Möglichkeit, im Museum Ludwig in Köln auszustellen, was Wool nun auch tut. Inmitten seiner großformatigen Bilder spricht Wool vom Ende der Malerei und - so Christiane Vielhaber - widerspricht sich mit seinen Werken selber.

Christiane Vielhaber im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
    Stefan Koldehoff: Einmal im Jahr ist oder kann eine Ausstellung im Kölner Museum Ludwig an einen Preis gebunden sein, an den Wolfgang-Hahn-Preis, der zu den höchstdotierten in Deutschland zählt - immer noch, trotz Krise. Wer den Preis erhält, darf auch ausstellen, wenn er das möchte, und so ist es in diesem Jahr der New Yorker Christopher Wool, für den die große Wechselausstellungshalle leergeräumt wurde. Die braucht man wohl auch, denn Wools Bilder sind, was man Großformate nennt. Die neueren von ihm sehen auf den ersten Blick aus - Christiane Vielhaber, Sie haben sie gesehen -, als sei der Künstler selbst gar nicht so recht zufrieden gewesen mit dem, was er da auf die Leinwand gebracht hat und hätte versucht, da was rückgängig zu machen, oder?

    Christiane Vielhaber: Ja, was Sie jetzt sagen, hört sich ein bisschen an wie die Vermalung von Gerhard Richter oder die Übermalung von Arnulf Rainer. Richtig ist, dass er das Ende der Malerei verkündet und gleichzeitig die Wiedergeburt von Bildern, und das ist sehr merkwürdig und sehr irritierend. Was Sie jetzt erwähnt haben - er ist bekannt geworden, auch hier in Köln, das war 1991, weiß ich noch ganz genau, die Ausstellung im Kunstverein. Da hat er Wortbilder gemacht, also nicht gemalt, sondern mit Schablonen Buchstaben, die zu Worten sich fügten, nicht immer so, dass sie leicht lesbar waren und die waren auch teilweise auf Plakaten in der Stadt verteilt und dann hat man gedacht, aha. Dann kam es, dass er solche Tapetenroller genommen hat, wo sie Blümchenmuster aufbringen konnten, das heißt also auch absolut gegen die Malerei, so ein bisschen Warhol, Blumen, so runtergerollt, diese Muster. Und dann ist ihm wohl klargeworden: So geht es nicht weiter, ich muss doch mal irgendwie an die Malerei denken und dann hat er diese Blümchenmustertapeten teilweise übermalt, dass man sie am Rande noch sah, aber das hatte ein bisschen was mit Malerei zu tun. Die neuen Bilder so ab 2006, die jetzt vornehmlich in Köln zu sehen sind, sind wiederum ganz anders, und zwar wieder der Verzicht auf Malerei. Er benutzt eine Sprühpistole, nimmt schwarzen Lack, macht das auf einen Untergrund, und der Lack muss noch feucht sein und dann kommt er so mit Läppchen, in Alkohol getränkt, und verwischt das wieder. Teilweise sieht das ein bisschen aus wie schöne Kalligrafie oder wie so Loopings oder wie so - wenn Sie an seine Blumenbilder denken -, wie so Lianen, die sich durch das Bild ziehen und dann in der Mitte so verhuscht und verwischt, also nein, dieses Schöne will ich nun doch nicht, aber - und dann kommt das, was am irritierendsten in dieser Ausstellung ist: Sie haben Gemälde, also Gemälde dieser Art, Verwischung, neben Siebdrucken, und dann sehen Sie bei diesen Siebdrucken, Moment, dieses Motiv habe ich doch eben auf dem Gemälde gesehen. Er fotografiert seine Gemälde und nimmt die schönen Stellen raus. Diese Siebdrucke können ja nicht so groß sein und diese Gemälde sind sehr groß, da haben Sie teilweise vier geteilte Bilder. Wenn Sie ganz nah ransehen, dann sehen Sie, dass die mittig irgendwie verrückt sind oder verwischt sind, weil das nicht so genau passt oder weil ihm diese Stelle passte, und die haben für ihn denselben Wert wie die Gemälde.

    Koldehoff: Aber ist er denn mit dem Prozess, den Sie gerade beschrieben haben, nicht doch irgendwie wieder bei der Malerei angelangt?

    Vielhaber: Genau das ist es. Im Grunde genommen ist er ein verkappter Maler, denn was jetzt passiert, ... Er nimmt teilweise auch von diesen alten Schablonen mit diesen Tapetenmustern mit den Blümchen, er nimmt das und das und plötzlich komponiert er, denn das, was er mit der Sprühpistole gemacht hat oder das, was er runtergerollt hat mit diesen Schablonen, das war ja Zufall, und Zufall und Zufall geht nicht. Also kommt es zu einer Komposition oder zu Kompositionen, und die haben etwas ... Grisaillen sind ja diese grau-weiß-schwarzen Rückseiten von mittelalterlichen Altären, plötzlich haben Sie da in diesen Grisaillen, da entdecken Sie zum Beispiel Kreuze, dann entdecken Sie Elemente und Motive, die Sie doch dem Gegenständlichen zuordnen.

    Koldehoff: Aber die Einstellung, die Malerei ist zu Ende, die vertritt er nach wie vor?

    Vielhaber: Ja, wenn das so wäre, dann würde er eigentlich im Stadtraum sprayen, aber er macht es eben im Atelier und er weiß ganz genau, dass er Kunst macht und dass er Kompositionen schafft und dass er Bilder schafft, und dass es für diese Bilder auch viele, viele Abnehmer gibt.

    Koldehoff: Kann man es genießen oder muss man es verstehen?

    Vielhaber: Ich bin ein Verfechter der Meinung: Ich muss nicht immer wissen, wie Bilder entstanden sind. Er will, dass wir es verstehen, er will, dass wir sehen, dass er auch am Computer mit der Maus drüberzeichnet über diese fotografierten oder abfotografierten Bilder. Ich denke, sie funktionieren als Bilder alleine schon, ohne zu wissen, dass das jetzt so und so passiert ist.

    Koldehoff: Im Museum Ludwig in Köln - Christiane Vielhaber, vielen Dank -, Christopher Wool stellt dort zurzeit aus.