Die Zeit scheint stillzustehen, im Herzen des Zululandes - grüne Hügel, soweit das Auge reicht. Kühe grasen auf dem fruchtbaren Land, bewacht von Hirtenjungen, wie schon seit Jahrhunderten. Schirmakazien mit Blättern, die an Federn erinnern, spenden großzügig Schatten, auch in der Mittagshitze. An den Wasserläufen und mäandernden Flüssen wachsen hellgrüne Fieberbäume. An den Ästen haben gelbe Webervögel ihre kunstvollen Nester gebaut, runde Körbchen aus Schilf und Grashalmen.
In der Weite der Landschaft stehen, in Grüppchen von zwei und drei verteilt, traditionelle Rundhütten aus Lehm gebaut, der Boden aus gestampftem Kuhmist, das Dach reetgedeckt. Die meisten Menschen in dieser Region Südafrikas leben so. Auf kleinen Feldern bauen sie Mais, Kartoffeln und Kohl an.
Frauen balancieren Wassereimer und Brennholz auf dem Kopf nach Hause, ihre Babys in Wolldecken auf den Rücken gebunden. Die größeren Kinder beobachten mit großen Augen jedes vorbeifahrende Fahrzeug auf den holprigen, ausgewaschenen Sandpisten.
Wie aus dem Nichts beginnt nach einer Kurve die Teerstraße. Eine schwarze Nobelkarosse mit getönten Scheiben braust vorbei, hinterlässt eine rote Staubwolke. Als sie sich legt, wird ein hoher Sicherheitszaun sichtbar, dahinter, gerade so zu erahnen, mehrere europäisch wirkende Gebäude. An der Toreinfahrt stehen uniformierte Männer Wache, denn dies ist einer der Paläste des Zulu-Königs Goodwill Zwelethini. Seine Residenz wirkt fremd in dieser ländlichen Gegend, sein Reichtum hebt sich klar von den ärmlichen Rundhütten seiner Untertanen ab. Dabei ist es nur einer von insgesamt fünf Palästen. Einer für jede seiner fünf Frauen, mit denen er abwechselnd Zeit verbringt und geschätzte 27 Kinder in die Welt gesetzt hat. Polygamie ist in Südafrika nach traditionellem Recht erlaubt, der König hat als Stammesführer einen anerkannten Platz in der jungen Demokratie.
Vom Palast aus sind es nur noch ein paar Kilometer bis zur Kleinstadt Nongoma, ein quirliges Zentrum mit Schulen, einem Krankenhaus und einer Privatklinik, Polizeiwache und sogar einem Gefängnis.
Auf der Hauptstraße herrschen Dauerstau und fröhliches Chaos. Fliegende Händler bieten ihre Waren an, alles von Gemüse bis zu lebenden Hühnern. Aus den Minibustaxis dröhnt südafrikanische Popmusik. Auf den ersten Blick ist Nongoma also ein ganz normales südafrikanisches Provinzstädtchen, aber eben nur auf den ersten, meint Geschäftsmann Percy Mlungisi Nzuza.
"Nongoma ist eine interessante Stadt mit einem ganz besonderen Flair. Denn selbst wenn man nur auf der Durchreise ist, spürt man, dass hier der König der Zulus residiert. Auf unserer einzigen Hauptstraße ist immer was los. Die Leute schieben ihre Einkaufswägen kreuz und quer. Manchmal muss man auch Ziegen ausweichen. Trotzdem herrscht zwischen den Menschen ein ganz besonderer Respekt. Wenn jemandem zum Beispiel Unrecht getan wird, dann werden sich alle für das Opfer einsetzen, weil sie es für ihre Pflicht halten, jeden in Nongoma zu beschützen."
Percy Mlungisi Nzuza ist ein anerkannter Mann in Nongoma. Er stammt aus einer der ältesten Familien der Kleinstadt. Mit dem König verbindet ihn eine Freundschaft. Deshalb findet er für den in Südafrika wegen seiner Verschwendungssucht durchaus umstrittenen Regenten nur gute Worte.
"Wenn sie ihn erst einmal persönlich treffen, dann werden sie innerhalb von fünf Minuten vergessen, dass sie einem König gegenübersitzen. Denn er liebt es zu scherzen, sich zu unterhalten und nimmt sich viel Zeit - so viel er will. Denn er bestimmt, wie lang der Besuch bleibt. Egal ob man es eilig hat. So will es unsere Tradition. Es ist schließlich eine Ehre, den König zu treffen. Jeder, der ihm begegnet, ist überglücklich."
Die Nzuzas sind dem Königshaus schon lange eng verbunden, erzählt Percy Mlungisi stolz. Seine Vorfahren waren furchtlose Krieger. Sie haben Nongoma beschützt, erst gegen verfeindete Zulu-Fraktionen, 1879 dann gegen die Briten.
"Das Volk der Zulu war früher einmal geteilt. Zwei Brüder stritten um die Vorherrschaft. Sie haben sich so lange bekämpft, bis die uSuthu gewonnen haben. Von ihnen stammt auch der jetzt herrschende König ab. Heute sind die Streitigkeiten beigelegt und die Zulus vereinigt. Unter dem berühmten Shaka, seinem Halbbruder Dingane und den folgenden Königen Mpande und Cetshwayo sind die Zulus sehr mächtig geworden und haben große Teile Südafrikas dominiert. Besonders stolz sind wir darauf, dass wir als erstes Volk in Afrika die britischen Soldaten besiegt haben. Das ist einfach unvergesslich."
Von der stolzen Geschichte erzählen die traditionellen Tänze und Lieder der amaZulu, was übersetzt soviel heißt wie Söhne der Sonne. Bei Festen treten die Männer noch immer mit Leopardenschurz, Schild und Speer auf. Die Frauen tragen bunten, kunstvollen Perlenschmuck. Eines der uralten überlieferten Rituale ist der traditionelle Reed Dance: Im September bringen Tausende Jungfrauen Schilfrohre zum eNyokeni Palast des Königs in Nongoma und tanzen für ihn. Das Schilf symbolisiert die Herkunft der Zulu, denn ihr Urahn soll in grauer Vorzeit einem Schilf-umwachsenen Gewässer entstiegen sein.
Der Ahnenkult spielt bei den Zulu, wie bei vielen afrikanischen Volksstämmen, im Alltag noch eine große Rolle. Auch in Nongoma. Unmittelbar erleben lässt sich das beim Mona Market. In einem Tal zwischen den grünen Hügeln, nur ein paar Kilometer außerhalb der Stadtmitte bauen traditionelle Heiler einmal im Monat ihre Zelte auf, zwischen Gemüse- und Viehhändlern.
Ein würziger Duft von verbrannten Kräutern liegt in der Luft. Auf Planen sind getrocknete Baumrinden und Wurzeln verteilt, Flaschenkürbisse gefüllt mit Flüssigkeiten und Pulver. Dies sind die Waren der Nyangas: Sie sind mit der traditionellen Kräuterheilkunde vertraut. Das Wissen darüber haben ihnen ihre Ahnen in Träumen übermittelt. Neben den Nyangas haben die Sangomas ihre Zelte aufgebaut, die spirituellen Heiler der Zulu. Sie stehen in direktem Kontakt mit den Vorfahren, kommunizieren in Trancezuständen mit ihnen. Auch sie bieten getrocknete Kräuter an, daneben allerdings liegen Zebrahufe, Schlangenköpfe, sogar ein gehäuteter Pavian. Wer an diesen Anblick nicht gewöhnt ist, braucht einen starken Magen.
Bongiwe Zulu kann der tote Pavian nicht schrecken. Die stämmige Frau, die in Nongomas Gemeindeverwaltung arbeitet, kommt regelmäßig her, für Muti, traditionelle Medizin. Resolut betritt sie eines der Sangoma-Zelte. Die Augen müssen sich nach dem hellen Sonnenlicht erst an die Dämmerstimmung gewöhnen, der Duft von verbannten Kräutern, wie von Räucherstäbchen ist durchdringend. Mehrere Frauen, ein Mann und einer kleiner Junge sitzen auf dem Zeltboden, die Verwandtschaft der Sangoma, einer alten, drahtigen Frau, mit ledrigen Falten, aber der Vitalität und dem Lachen einer 13-Jährigen.
Der Blitz hat ins Nachbarhaus eingeschlagen, erzählt Bongiwe. Nun sucht sie nach einem schützenden Pulver. Außerdem wünscht sie sich mehr Aufmerksamkeit von ihrem Mann und allgemein mehr Glück im Leben. Die alte Frau nickt verständnisvoll, packt ein braunes Pulver aus Baumrinden in eine Plastiktüte. Das soll Bongiwe um ihr Haus streuen, um Blitz und böse Geister zu vertreiben. Ein grellpinkes Pulver soll sie ins Badewasser geben, damit ihre Ehe wieder Schwung bekommt und eine grünlich-graue Paste, in kleinen Mengen verbrannt, versöhnt die Vorfahren und bringt dadurch Glück. Bongiwe packt die Zutaten zufrieden in ihre Tasche, legt ein paar Geldscheine auf den Boden, als Dank für die Ahnen der Sangoma. Was in Europa als Aberglaube gilt, gehört hier ganz selbstverständlich zum Leben, selbst für moderne Frauen, wie Bongiwe. Auch deshalb scheint hier, im Herzen des Zululandes, den grünen Hügeln Nongomas, die Zeit oft stillzustehen.
In der Weite der Landschaft stehen, in Grüppchen von zwei und drei verteilt, traditionelle Rundhütten aus Lehm gebaut, der Boden aus gestampftem Kuhmist, das Dach reetgedeckt. Die meisten Menschen in dieser Region Südafrikas leben so. Auf kleinen Feldern bauen sie Mais, Kartoffeln und Kohl an.
Frauen balancieren Wassereimer und Brennholz auf dem Kopf nach Hause, ihre Babys in Wolldecken auf den Rücken gebunden. Die größeren Kinder beobachten mit großen Augen jedes vorbeifahrende Fahrzeug auf den holprigen, ausgewaschenen Sandpisten.
Wie aus dem Nichts beginnt nach einer Kurve die Teerstraße. Eine schwarze Nobelkarosse mit getönten Scheiben braust vorbei, hinterlässt eine rote Staubwolke. Als sie sich legt, wird ein hoher Sicherheitszaun sichtbar, dahinter, gerade so zu erahnen, mehrere europäisch wirkende Gebäude. An der Toreinfahrt stehen uniformierte Männer Wache, denn dies ist einer der Paläste des Zulu-Königs Goodwill Zwelethini. Seine Residenz wirkt fremd in dieser ländlichen Gegend, sein Reichtum hebt sich klar von den ärmlichen Rundhütten seiner Untertanen ab. Dabei ist es nur einer von insgesamt fünf Palästen. Einer für jede seiner fünf Frauen, mit denen er abwechselnd Zeit verbringt und geschätzte 27 Kinder in die Welt gesetzt hat. Polygamie ist in Südafrika nach traditionellem Recht erlaubt, der König hat als Stammesführer einen anerkannten Platz in der jungen Demokratie.
Vom Palast aus sind es nur noch ein paar Kilometer bis zur Kleinstadt Nongoma, ein quirliges Zentrum mit Schulen, einem Krankenhaus und einer Privatklinik, Polizeiwache und sogar einem Gefängnis.
Auf der Hauptstraße herrschen Dauerstau und fröhliches Chaos. Fliegende Händler bieten ihre Waren an, alles von Gemüse bis zu lebenden Hühnern. Aus den Minibustaxis dröhnt südafrikanische Popmusik. Auf den ersten Blick ist Nongoma also ein ganz normales südafrikanisches Provinzstädtchen, aber eben nur auf den ersten, meint Geschäftsmann Percy Mlungisi Nzuza.
"Nongoma ist eine interessante Stadt mit einem ganz besonderen Flair. Denn selbst wenn man nur auf der Durchreise ist, spürt man, dass hier der König der Zulus residiert. Auf unserer einzigen Hauptstraße ist immer was los. Die Leute schieben ihre Einkaufswägen kreuz und quer. Manchmal muss man auch Ziegen ausweichen. Trotzdem herrscht zwischen den Menschen ein ganz besonderer Respekt. Wenn jemandem zum Beispiel Unrecht getan wird, dann werden sich alle für das Opfer einsetzen, weil sie es für ihre Pflicht halten, jeden in Nongoma zu beschützen."
Percy Mlungisi Nzuza ist ein anerkannter Mann in Nongoma. Er stammt aus einer der ältesten Familien der Kleinstadt. Mit dem König verbindet ihn eine Freundschaft. Deshalb findet er für den in Südafrika wegen seiner Verschwendungssucht durchaus umstrittenen Regenten nur gute Worte.
"Wenn sie ihn erst einmal persönlich treffen, dann werden sie innerhalb von fünf Minuten vergessen, dass sie einem König gegenübersitzen. Denn er liebt es zu scherzen, sich zu unterhalten und nimmt sich viel Zeit - so viel er will. Denn er bestimmt, wie lang der Besuch bleibt. Egal ob man es eilig hat. So will es unsere Tradition. Es ist schließlich eine Ehre, den König zu treffen. Jeder, der ihm begegnet, ist überglücklich."
Die Nzuzas sind dem Königshaus schon lange eng verbunden, erzählt Percy Mlungisi stolz. Seine Vorfahren waren furchtlose Krieger. Sie haben Nongoma beschützt, erst gegen verfeindete Zulu-Fraktionen, 1879 dann gegen die Briten.
"Das Volk der Zulu war früher einmal geteilt. Zwei Brüder stritten um die Vorherrschaft. Sie haben sich so lange bekämpft, bis die uSuthu gewonnen haben. Von ihnen stammt auch der jetzt herrschende König ab. Heute sind die Streitigkeiten beigelegt und die Zulus vereinigt. Unter dem berühmten Shaka, seinem Halbbruder Dingane und den folgenden Königen Mpande und Cetshwayo sind die Zulus sehr mächtig geworden und haben große Teile Südafrikas dominiert. Besonders stolz sind wir darauf, dass wir als erstes Volk in Afrika die britischen Soldaten besiegt haben. Das ist einfach unvergesslich."
Von der stolzen Geschichte erzählen die traditionellen Tänze und Lieder der amaZulu, was übersetzt soviel heißt wie Söhne der Sonne. Bei Festen treten die Männer noch immer mit Leopardenschurz, Schild und Speer auf. Die Frauen tragen bunten, kunstvollen Perlenschmuck. Eines der uralten überlieferten Rituale ist der traditionelle Reed Dance: Im September bringen Tausende Jungfrauen Schilfrohre zum eNyokeni Palast des Königs in Nongoma und tanzen für ihn. Das Schilf symbolisiert die Herkunft der Zulu, denn ihr Urahn soll in grauer Vorzeit einem Schilf-umwachsenen Gewässer entstiegen sein.
Der Ahnenkult spielt bei den Zulu, wie bei vielen afrikanischen Volksstämmen, im Alltag noch eine große Rolle. Auch in Nongoma. Unmittelbar erleben lässt sich das beim Mona Market. In einem Tal zwischen den grünen Hügeln, nur ein paar Kilometer außerhalb der Stadtmitte bauen traditionelle Heiler einmal im Monat ihre Zelte auf, zwischen Gemüse- und Viehhändlern.
Ein würziger Duft von verbrannten Kräutern liegt in der Luft. Auf Planen sind getrocknete Baumrinden und Wurzeln verteilt, Flaschenkürbisse gefüllt mit Flüssigkeiten und Pulver. Dies sind die Waren der Nyangas: Sie sind mit der traditionellen Kräuterheilkunde vertraut. Das Wissen darüber haben ihnen ihre Ahnen in Träumen übermittelt. Neben den Nyangas haben die Sangomas ihre Zelte aufgebaut, die spirituellen Heiler der Zulu. Sie stehen in direktem Kontakt mit den Vorfahren, kommunizieren in Trancezuständen mit ihnen. Auch sie bieten getrocknete Kräuter an, daneben allerdings liegen Zebrahufe, Schlangenköpfe, sogar ein gehäuteter Pavian. Wer an diesen Anblick nicht gewöhnt ist, braucht einen starken Magen.
Bongiwe Zulu kann der tote Pavian nicht schrecken. Die stämmige Frau, die in Nongomas Gemeindeverwaltung arbeitet, kommt regelmäßig her, für Muti, traditionelle Medizin. Resolut betritt sie eines der Sangoma-Zelte. Die Augen müssen sich nach dem hellen Sonnenlicht erst an die Dämmerstimmung gewöhnen, der Duft von verbannten Kräutern, wie von Räucherstäbchen ist durchdringend. Mehrere Frauen, ein Mann und einer kleiner Junge sitzen auf dem Zeltboden, die Verwandtschaft der Sangoma, einer alten, drahtigen Frau, mit ledrigen Falten, aber der Vitalität und dem Lachen einer 13-Jährigen.
Der Blitz hat ins Nachbarhaus eingeschlagen, erzählt Bongiwe. Nun sucht sie nach einem schützenden Pulver. Außerdem wünscht sie sich mehr Aufmerksamkeit von ihrem Mann und allgemein mehr Glück im Leben. Die alte Frau nickt verständnisvoll, packt ein braunes Pulver aus Baumrinden in eine Plastiktüte. Das soll Bongiwe um ihr Haus streuen, um Blitz und böse Geister zu vertreiben. Ein grellpinkes Pulver soll sie ins Badewasser geben, damit ihre Ehe wieder Schwung bekommt und eine grünlich-graue Paste, in kleinen Mengen verbrannt, versöhnt die Vorfahren und bringt dadurch Glück. Bongiwe packt die Zutaten zufrieden in ihre Tasche, legt ein paar Geldscheine auf den Boden, als Dank für die Ahnen der Sangoma. Was in Europa als Aberglaube gilt, gehört hier ganz selbstverständlich zum Leben, selbst für moderne Frauen, wie Bongiwe. Auch deshalb scheint hier, im Herzen des Zululandes, den grünen Hügeln Nongomas, die Zeit oft stillzustehen.