"Good morning. This is case number against Radovan Karadzic."
Neun Uhr morgens, Jugoslawien-Tribunal in Den Haag.
Im dritten Gerichtssaal beginnt eine der vielen Anhörungen zur Vorbereitung des Prozesses gegen Radovan Karadzic. Dazu ist der bosnische Serbenführer bislang jedes Mal erschienen, um sich selbst zu verteidigen - immer elegant gekleidet in dunklem Anzug mit Krawatte. Sein Platz ist gleich links vor dem Richter.
Auf der anderen Seite sitzen die Vertreter der Anklage, feierlich gehüllt in schwarze Roben mit weißer Schärpe. Unter ihnen eine kleine burschikose Frau mit frechem, graublondem Kurzhaarschnitt. Das ist Hildegard Ürtz-Retzlaff, wie immer voller Temperament und Tatendrang und mit wachsamen hellen Augen: .
Der Richter will wissen, wann Lord Owen, der ehemalige EU-Sonderbeauftragte für den Balkan, als Zeuge aufgerufen werden soll:
"Als einer der letzten", ... "
... antwortet die deutsche Anklägerin und verhaspelt sich ein bisschen.
Die Umstellung auf Englisch als Arbeitssprache sei ganz schön gewöhnungsbedürftig gewesen, meint sie in ihrem spartanisch eingerichteten Büro. Einmal zum Beispiel, erinnert sie sich lachend, ist ihr während eines Prozesses das englische Wort für "Stirn" nicht eingefallen.
""Und da hab' ich da rumgedruckst, und mir fiel das einfach nicht ein, ist ein ganz einfaches Wort: forehead. Fiel mir nicht ein. Dann merkte der Richter das und meinte ganz ironisch: Meinen Sie etwa forehead? Das war mir so was von peinlich. Und das passiert schon mal."
Die 58-Jährige arbeitet seit 1995 in Den Haag. Zuvor brachte sie bei der Staatsanwaltschaft in Bochum Wirtschaftsverbrecher hinter Gitter. Dass sie jetzt mutmaßlichen Kriegsverbrechern wie Radovan Karadzic den Prozess machen kann, hält sie für die "Krone der Justiz".
Über laufende Verfahren darf sich Hildegard Ürtz-Retzlaff nicht auslassen. Aber über Vergangenes erzählt sie gerne. Zum Beispiel die Reisen an die ehemaligen Tatorte, auf der Suche nach Zeugen und Beweismaterial. 1996 etwa nach Goraschde. Da wohnte sie eine Woche lang in einem völlig zerstörten Apartmentgebäude, ohne fließend Wasser, Strom und Fensterscheiben. Oder 1997, mitten im Winter in Sanski Most:
"Da waren wir in einem sogenanntes Hotel. Kann man nur sogenanntes Hotel nennen. Da war keine Heizung, und an den Wänden waren Schimmelpilze. Das war furchtbar, das war schlimmer als in Goraschde. Da haben wir auch gefroren und lagen im Mantel im Bett."
Zu ihren Sternstunden zählt das Verfahren gegen Slobodan Milosevic. Während ihres Eröffnungsplädoyers waren die Augen der Weltöffentlichkeit auf die Anklägerin aus Deutschland gerichtet.
Als ihr größter Erfolg allerdings gilt der sogenannte Foca-Prozess: Damit schrieb sie Rechtsgeschichte, denn die Anklage konnte nachweisen, dass sexuelle Gewalt gegen moslemische Frauen in Bosnien gezielt als Terrormethode eingesetzt wurde. Drei hohe Militärs wurden wegen Vergewaltigung, Versklavung und Folter zu bis zu 28 Jahren Haft verurteilt:
"Wichtig war, dass überhaupt mal Vergewaltigungen aufgegriffen wurden als Kriegsverbrechen und auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das war das erste Mal!"
Das Jugoslawientribunal, davon ist sie überzeugt, hat sich bewährt und bringt Gerechtigkeit. Alleine schon die Tatsache, dass die Opfer hier ihr Schicksal schildern können, sei eine ganz wichtige Sache. Anfangs allerdings hatte auch die unerschrockene Staatsanwältin aus Bochum ihre Zweifel: Das war 1996, als in Srebrenica Völkermord verübt wurde - ein Jahr nach der Anklage gegen Radovan Karadzic und seinen General Ratko Mladic:
"Da habe ich gedacht: Was machst du eigentlich hier, das bringt ja nichts, die Leute sind schon angeklagt, und trotzdem machen die das, da habe ich gedacht, nö, gehe ich wieder nach Hause, das ist vergeudete Zeit. Und da hat mein Mann gesagt: Wenn nur einer von denen verurteilt wird, dann ist das eigentlich schon ein Erfolg, dieses Gericht. Und da hat er schon Recht gehabt."
Neun Uhr morgens, Jugoslawien-Tribunal in Den Haag.
Im dritten Gerichtssaal beginnt eine der vielen Anhörungen zur Vorbereitung des Prozesses gegen Radovan Karadzic. Dazu ist der bosnische Serbenführer bislang jedes Mal erschienen, um sich selbst zu verteidigen - immer elegant gekleidet in dunklem Anzug mit Krawatte. Sein Platz ist gleich links vor dem Richter.
Auf der anderen Seite sitzen die Vertreter der Anklage, feierlich gehüllt in schwarze Roben mit weißer Schärpe. Unter ihnen eine kleine burschikose Frau mit frechem, graublondem Kurzhaarschnitt. Das ist Hildegard Ürtz-Retzlaff, wie immer voller Temperament und Tatendrang und mit wachsamen hellen Augen: .
Der Richter will wissen, wann Lord Owen, der ehemalige EU-Sonderbeauftragte für den Balkan, als Zeuge aufgerufen werden soll:
"Als einer der letzten", ... "
... antwortet die deutsche Anklägerin und verhaspelt sich ein bisschen.
Die Umstellung auf Englisch als Arbeitssprache sei ganz schön gewöhnungsbedürftig gewesen, meint sie in ihrem spartanisch eingerichteten Büro. Einmal zum Beispiel, erinnert sie sich lachend, ist ihr während eines Prozesses das englische Wort für "Stirn" nicht eingefallen.
""Und da hab' ich da rumgedruckst, und mir fiel das einfach nicht ein, ist ein ganz einfaches Wort: forehead. Fiel mir nicht ein. Dann merkte der Richter das und meinte ganz ironisch: Meinen Sie etwa forehead? Das war mir so was von peinlich. Und das passiert schon mal."
Die 58-Jährige arbeitet seit 1995 in Den Haag. Zuvor brachte sie bei der Staatsanwaltschaft in Bochum Wirtschaftsverbrecher hinter Gitter. Dass sie jetzt mutmaßlichen Kriegsverbrechern wie Radovan Karadzic den Prozess machen kann, hält sie für die "Krone der Justiz".
Über laufende Verfahren darf sich Hildegard Ürtz-Retzlaff nicht auslassen. Aber über Vergangenes erzählt sie gerne. Zum Beispiel die Reisen an die ehemaligen Tatorte, auf der Suche nach Zeugen und Beweismaterial. 1996 etwa nach Goraschde. Da wohnte sie eine Woche lang in einem völlig zerstörten Apartmentgebäude, ohne fließend Wasser, Strom und Fensterscheiben. Oder 1997, mitten im Winter in Sanski Most:
"Da waren wir in einem sogenanntes Hotel. Kann man nur sogenanntes Hotel nennen. Da war keine Heizung, und an den Wänden waren Schimmelpilze. Das war furchtbar, das war schlimmer als in Goraschde. Da haben wir auch gefroren und lagen im Mantel im Bett."
Zu ihren Sternstunden zählt das Verfahren gegen Slobodan Milosevic. Während ihres Eröffnungsplädoyers waren die Augen der Weltöffentlichkeit auf die Anklägerin aus Deutschland gerichtet.
Als ihr größter Erfolg allerdings gilt der sogenannte Foca-Prozess: Damit schrieb sie Rechtsgeschichte, denn die Anklage konnte nachweisen, dass sexuelle Gewalt gegen moslemische Frauen in Bosnien gezielt als Terrormethode eingesetzt wurde. Drei hohe Militärs wurden wegen Vergewaltigung, Versklavung und Folter zu bis zu 28 Jahren Haft verurteilt:
"Wichtig war, dass überhaupt mal Vergewaltigungen aufgegriffen wurden als Kriegsverbrechen und auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das war das erste Mal!"
Das Jugoslawientribunal, davon ist sie überzeugt, hat sich bewährt und bringt Gerechtigkeit. Alleine schon die Tatsache, dass die Opfer hier ihr Schicksal schildern können, sei eine ganz wichtige Sache. Anfangs allerdings hatte auch die unerschrockene Staatsanwältin aus Bochum ihre Zweifel: Das war 1996, als in Srebrenica Völkermord verübt wurde - ein Jahr nach der Anklage gegen Radovan Karadzic und seinen General Ratko Mladic:
"Da habe ich gedacht: Was machst du eigentlich hier, das bringt ja nichts, die Leute sind schon angeklagt, und trotzdem machen die das, da habe ich gedacht, nö, gehe ich wieder nach Hause, das ist vergeudete Zeit. Und da hat mein Mann gesagt: Wenn nur einer von denen verurteilt wird, dann ist das eigentlich schon ein Erfolg, dieses Gericht. Und da hat er schon Recht gehabt."