Archiv


Im Kampf gegen den Frauenhandel in Bosnien

Nach dem Krieg zwischen Bosnien-Herzegowina und Kroatien wurde Bosnien zu einem der wichtigsten Transitländer für Zwangsprostitutierte. An der Grenze zu Serbien gründete Mara Radovanovic 1998 die Organisation "Lara". Ihr Ziel ist es, die Prostitution zu verringern und die Menschenhändler dingfest zu machen. Seither hat sich die Zusammenarbeit mit der Grenzpolizei enorm verbessert, doch im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht der Schutz der Opfer.

Von Thomas Franke |
    Mara Radovanovic ist auf dem Weg zu einem Treffen mit dem Chef der bosnischen Grenzpolizei. Schnell packt sie noch ein paar Prospekte in ihre schwarze Tasche, außerdem ein paar Visitenkarten, und eine Birne als Proviant. Mara Radovanovic ist die Gründerin von "Lara", einer Organisation zum Schutz von Zwangsprostituierten in Bijeljina nicht weit von der Grenze nach Serbien. Lara wurde 1998 von Mara Radovanovic gegründet. Eigentlich ist die energische Frau Richterin. Damals wären in der Gegend diverse Bars mit als Tänzerinnen registrierten Mädchen gewesen, sagt Mara Radovanovic, heute sei das nicht mehr so.

    "Bis 2002 war es sehr einfach, hier über die Grenze zu kommen. Jetzt haben wir eine gute Kooperation mit den Grenzpolizisten. Wenn die ein Mädchen aufgreifen, dann rufen sie uns an. Wir fahren dann zur Grenze und schauen, ob es sich um ein Traffiking-Opfer handelt."

    Das Büro von "Lara" ist in einem Einfamilienhaus untergebracht, drumherum ein Garten, Birnenbäume. Ihre Äste biegen sich unter der Last der Früchte. Mara Radovanovic hat es eilig.

    "Wir haben jeden Monat ein Treffen mit der Grenzpolizei und der normalen Polizei. Daran nehmen auch Vertreter der Polizeimission der Europäischen Union teil, die das Verhalten ihrer Kollegen hier beobachten und die Bosnier beraten. Bei diesen Treffen tauschen wir alle Informationen aus und diskutieren die Fälle des letzten Monats. Das hat uns geholfen, die Prostitution in dieser Gegend zu verringern und die Schuldigen dingfest zu machen."

    Ein paar Kilometer weiter, am Ufer der Save, machen Grenzpolizisten ein weißes Motorboot klar. Beide Ufer sind bewaldet, hier und da stehen Häuser am Ufer, Gebüsch. Auf der anderen Seite liegt Serbien. Nicht weit vom Bootssteg entfernt fließen Save und Drina zusammen. Dragan Kilic, Chef der bosnischen Grenzpolizei, bindet sich eine rosa Schwimmweste um. Auf keinen Fall würden sie Menschen, die nach Bosnien geschmuggelt werden, wegen illegalen Grenzübertritts verhaften oder gar zurückschicken, beteuert Kilic.

    "Wenn wir Opfer von Trafficking aufgreifen, dann sehen wir in ihnen in erster Linie Opfer, und wir behandeln sie mit größter Fürsorge. Wir unterstützen sie mit allem was sie brauchen, medizinisch, sozial und rechtlich. Dann informieren wir "Lara", und natürlich auch die Staatsanwaltschaft, wenn es in deren Zuständigkeit fällt. Aber wenn das Opfer keine Aussage machen möchte, dann zwingen wir sie auch nicht dazu."

    Den Opfern die Angst zu nehmen, ist so ziemlich das wichtigste, denn sie sind auch potentielle Zeugen, die gegen Menschenhändler aussagen können. Viele der Frauen haben aber Angst vor Polizisten. Das hat Gründe. Denn häufig schicken die Peiniger Männer in Uniform zu den Frauen, vermeintliche Polizisten, die Interesse für die Situation der Opfer heucheln und ihnen Hilfe versprechen. Oft schenken die Frauen ihnen Vertrauen und berichten, wer sie wie misshandelt. Anschließend zeigen sich die vermeintlichen Helfer in Uniform in bestem Einvernehmen mit den Zuhältern. Das Vertrauen der Frauen in den angeblichen Polizisten wird ihnen zum Verhängnis. Ab da haben sie Angst vor Polizisten.

    "Das ist für den ersten Augenblick richtig. Aber dann finden sie heraus, dass sie von uns Hilfe, Schutz und Unterstützung bekommen können. Und dann ist auch ihre Angst weg. Unsere Offiziere werden in dem Bereich ständig fortgebildet."

    Die Traffiking-Opfer sind meist schwer misshandelt worden, wurden häufig mehrfach vergewaltigt. Die Frauen von "Lara" haben einen Schutzraum eingerichtet, in den sich die Opfer zurückziehen können. Derzeit wohnt dort eine junge Frau aus Osteuropa. Sie hat bisher nicht ausgesagt, wurde auch von niemandem dazu gedrängt. Erst wenn sie absolut in Sicherheit ist, wird sie etwas über ihre Peiniger berichten.
    Mara Radovanovic ist zufrieden. In anderen Gegenden von Bosnien-Herzegowina werden weniger Opfer von Trafficking entdeckt.

    "Das ist nicht etwa daran, dass es dort weniger Opfer gibt, sondern daran, dass hier die Zusammenarbeit so gut funktioniert. Manchmal rufen mich mitten in der Nacht Polizisten sogar aus der Stadt Brcko an und sagen, wir haben hier ein Mädchen. Wir fahren dann sofort dorthin und sprechen mit ihr."