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Im Kampf gegen die religiös motivierte Gewalt in Nigeria

Der nigerianische katholische Theologe Obiora Ike fordert die internationale Gemeinschaft auf, die Regierung in Nigeria beim Kampf gegen die islamistische Terrorgruppe Boko Haram zu unterstützen. Er hat Organisationen gegründet, die sich um den Frieden zwischen Muslimen und Christen bemühen.

Von Marie Wildermann | 09.01.2012
    Schon mehrfach wurde Obiora Ike mit dem Tode bedroht. Er habe aber heute keine Angst mehr, so der Priester und Gründer des Katholischen Instituts für Entwicklung, Gerechtigkeit und Frieden in Nigeria. Unerschrocken kämpft Ike gegen die Geißel des Terrorismus. Dass der radikale Islam sich in Nord-Nigeria wie ein Krebsgeschwür ausbreiten konnte, hat auch mit der sozialen Situation in Nigeria zu tun, glaubt Obiora Ike, der in Europa Theologie, Politik und Wirtschaft studiert hat.

    "Es gab keine Boko Haram vor 20 Jahren, aber es gab Armut und die Armut ist gestiegen. Armut ist ein Grund, warum es solche Verhältnisse gibt. Wenn die Leute arm sind, dann glauben sie an irgendeine Ideologie, die ihnen verkauft wird. Wenn Leute keine Schule besuchen, dann können sie nicht irgendeiner Unwissenheit begegnen, also intellektuell und akademisch, dann sind sie einfach käuflich."

    Boko Haram heuert Jugendliche an, die keine Ausbildung und keinen Job haben und infiltriert sie mit Ablehnung und Hass gegen alles Westliche, Demokratische, gegen Andersgläubige. Christen werden nachts in ihren Dörfern überfallen und mit Macheten niedergemetzelt. Bei Gottesdienstversammlungen erscheinen wie aus dem Nichts ganze Horden von Boko Haram Banden und schießen gezielt in die Menge, bis die Magazine leer sind. Die Christen fühlen sich ausgeliefert, allein gelassen, auch von der Armee und der Polizei. Immer häufiger schließen Christen sich zu Bürgerwehren zusammen, um sich gegen die brutalen Angreifer zu verteidigen.

    "Das ist ein Naturrecht. Es ist ein Naturrecht, sich zu verteidigen. Selbstschutz, Selbstverteidigung ist immer gut, aber nicht Angreifer sein, sondern sich selbst schützen und Kinder und Frauen schützen."

    Seit Jahren terrorisiert Boko Haram das Land. In 12 der 36 Bundesstaaten Nigerias gelten schon Scharia-Gesetze. Boko Haram will sie für ganz Nigeria durchsetzen. Unterstützt werden die "nigerianischen Taliban", wie Boko Haram sich selbst nennt, von Extremisten und Waffenlieferungen aus dem Ausland. Die Grenzen zum Niger und zum Tschad sind inzwischen geschlossen. Aus diesen beiden Ländern, die an den Norden Nigerias grenzen, kamen immer wieder islamistische Terroristen ins Land. Medien und Menschenrechtsorganisationen in Nigeria berichten, dass Boko Haram auf viele Sympathisanten in der islamischen Bevölkerung zählen kann. Aber auch Polizei und Armee seien durchsetzt mit radikalen Muslimen, die bei Angriffen auf Christen beide Augen zudrückten oder die Täter sogar unterstützen. Präsident Goodluck Jonathan habe entschieden zu wenig getan gegen den Terrorismus, sagt Ike.

    "Aber unser Präsident in Nigeria braucht auch Unterstützung, das heißt Rückendeckung, ansonsten gibt es Anarchie.Von vernünftigen Leuten innerhalb des Landes Nigeria, von politischen Parteien, von Moslems, von Christen, von Nicht-Christen, von internationaler Gemeinschaft, von Politikern weltweit, man soll den Präsidenten in Nigeria aufgrund der Verfassung stärken, das heißt, dass wir auch als Kirchenleute den Präsidenten unterstützen in ihrer Bemühung um dieser Boko-Haram-Situation zu begegnen, zu bekämpfen, Sicherheit des Volkes zu geben. Auch sehr wichtig ist: interreligiöser Dialog zwischen Christen und Moslems, gemäßigte Moslems und gesamte Christenheit."

    Obiora Ike hat selbst mehrere Organisationen gegründet, die sich um Frieden zwischen Muslimen und Christen bemühen, und er setzt auch jetzt noch auf Dialog und Vernunft. Er hofft auf einen gemeinsamen Kampf mit liberalen Muslimen gegen die fanatischen Extremisten, die einen Islam herbeibomben wollen, der die elementaren Rechte des Menschen aushebelt. Es müsse aufgeklärt werden, wer die eigentlichen Drahtzieher seien, wer die Terroristen finanziell und ideologisch unterstütze, so Ike. Von Europa wünscht er sich mehr Engagement für Religionsfreiheit und Menschenrechte. Und er bedauert, dass die Europäer die tatsächlichen Auswirkungen des "arab spring", also des arabischen Frühlings so gründlich verkennen würden.

    "Und wenn man schaut auf ganze islamische Nordafrika, auf Ägypten, auf Libyen usw. Tunesien, alle führen eine islamische Staatsordnung ein. Eine anti-christliche, anti-westliche Bewegung. Wenn man schaut, auch im Irak, im Iran, man führt allmählich eine Kampagne gegen Christen weltweit. Was die Europäer nur nicht verstehen, ist, dass es keine 'arab spring' ist zur Verwestlichung, sondern eine 'arab spring' zur Arabisierung und Islamisierung."