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Im Kreidekreis

Filmregisseur Werner Schroeter hat sich mit der Inszenierung von "Don Giovanni" an der Oper Leipzig einen Traum erfüllt. Die Oper sei seine Leidenschaft, ist in der Ankündigung zu lesen. Wenn die Figuren etwas miteinander zu verhandeln haben, setzt Schroeter sie auf schwarze Stühle in einen Kreis.

Von Georg-Friedrich Kühn |
    Giovanni "for ever". Mit dem auf Rache sinnenden Komtur in die Grube fahren will der Frauenfreund nicht. Er reißt sich los von ihm, als der ihn mit in die Grube ziehen will, verdrückt sich über den Theatersaal durch eine Seitentür.

    Und als nach dem großen Schluss-Sextett der Hinterbliebenen auch sein Diener und Mitgenießer der Frauen-Aventuren Leporello sich aufmacht, um sich einen neuen Herrn zu suchen, steht Giovanni schon in der Tür, auffang-bereit.

    Federleicht, als Commedia dell'Arte, wollen Film- und Opernregisseur Werner Schroeter und seine Ausstatterin Alberte Barsacq die Mozart-Oper auf die Leipziger Bühne bringen. Der Bühnenraum ist ausgemalt mit einem Fries von weißen Kalla-Blumen.

    Hinten ein Durchgang wie in den Innenhof eines Hauses. In den Seiten Wandtüren. Ansonsten auf der Bühne nur ein paar schwarze Stühle und vorn ein dick weiß markierter Kreis.
    Das ist die Grube, in die der Komtur entsorgt wird und aus der er dann als Grabmal wieder hochfährt – der Kopf herausragend aus einer Platte, dahinter ein Kreuz mit der Aufschrift "Papa 1787 – 2009".

    Auch der den verflossenen Schwiegervater in spe rächen wollende Liebhaber der Donna Anna, Ottavio, fährt dort mal hinunter, um den alten Herren als Racheengel zu reanimieren, den wie ein Menetekel präsenten Degen zu reaktivieren. Nützen wird’s ihm nicht.

    Giovanni, wie gesagt, entwischt und Ottavio klammert sich an seine etwas falsche Anna, die ihm alle möglichen Ausflüchte serviert hat darüber, wie das war mit Giovanni und am liebsten ihm hinterher rennen würde.

    Soweit so lustig. Ansonsten funktioniert das mit der Commedia, wie es auch schon andere Regisseure versuchten, kaum. Dazu ist Mozarts "Don Giovanni" zu vielschichtig. Wenn die Figuren etwas miteinander zu verhandeln haben, setzt Schroeter sie immer auf die Stühle in den sozusagen Kreidekreis.

    Donna Elvira, die verbissen gleichfalls ihrem "one night stand" hinterher rennende Enttäuschte im aufgeplusterten Rock und mit dem blonden Bubikopf, lässt sich dort von Leporello das Register der Vorgängerinnen auflisten und gleich auch von ihm trösten.

    Marzelline im grünen luftigen Kleidchen wird von Giovanni dort als neue Eroberung auf den Stuhl gestellt, lässt sich von ihm auf die Arme nehmen und irgendwann auch hinter die Kulissen abschleppen. Derweil ihr Bräutigam Masetto etwas dumm erst aus der Wäsche guckt, dann zum verpatzten Gegenangriff rüstet.

    Immer werden Kerzen und / oder Kandelaber herumgetragen, aufgestellt, entzündet, gelöscht. Für Giovannis Ständchen entflammt im Parkett das Licht. Das gruftige Echo kommt von Choristen aus den Seitenlogen im Saal.

    Und es wird viel gerannt. Giovanni, in weißem Anzug mit schwarzer Weste, schwarzem Hut und strähnigen Haaren, ist mit Leporello immer als speedy Gonzales unterwegs. Überall und nirgends.
    Das Gewandhausorchester unter Sébastien Rouland musiziert von der Ouvertüre weg mit luftiger Frische und Transparenz. Dass es zwischen Bühne und Graben doch immer mal wieder klappert, liegt wohl eher an den Sängern.

    Mit etwas viel Vibrato die Stimmen der Frauenfiguren ausgesucht: Jean Broekhuizen als Elvira, Susanna Andersson als Zerlina, Malin Byström als Donna Anna aus dem Graben für die wegen einer Erkältung nur den darstellerischen Part gebende Elaine Alvarez.

    Eher rau intonierend die Männer: Konstantin Gorny als Giovanni und Tuomas Pursio als Leporello. Tiberius Simu als Ottavio hat immerhin ein weich schmelzendes piano. Am Ende freundlicher aber knapper Beifall neben einem vereinzelten Buh.

    Regisseur Schroeter wirkte sehr gebrechlich, als er auf die Bühne kam. Immerhin – die Ansage der notwendigen Besetzungs-Modifikation für die Donna Anna am Anfang machte er mit launigen Worten selbst.