Rote Backsteingebäude mit weißen Säulen, eine Kapelle, endlose Baumalleen. Nichts auf dem beschaulichen Campus der Universität von Maryland deutet darauf hin, dass hier Terrorforschung im Auftrag des amerikanischen Heimatschutzministeriums betrieben wird. Professor Gary La Free leitet das Projekt START, Studies of Terrorism and Responses to Terrorism.
"Wir haben von Anfang an gesagt, wir sind kein verlängerter Arm der Regierung. Wir machen das, was wir immer gemacht haben: Forschen. Bisher hat die Zusammenarbeit gut funktioniert. Tom Ridge, der frühere Chef der Homelandsecurity, hat unseren Job mal so begründet: Wenn Du Deinen Feind besiegen willst, dann musst Du ihn genau kennen."
Kriminologe La Free und seine Kollegen waren genau die Experten, die das Heimatschutzministerium verzweifelt suchte. La Free betreibt vergleichende Terrorismusforschung – und das seit Jahrzehnten. Seine Datenbank verzeichnet mehr als 70.000 Terrorakte der vergangenen 25 Jahre, Das Terroristenalphabet reicht von von A wie Ansar al Islam bis Z wie Al Zawahiri. Grund genug für die Heimatschutzbehörde, das Projekt mit zwölf Millionen Dollar zu fördern.
"Nach dem 11. September hab ich nach Sponsoren gesucht. Das neu gegründete Heimatschutzministerium war damals zu sehr mit der bürokratischen Organisation beschäftigt, um selbst Grundlagenforschung zu betreiben. Und so bin ich an das Projekt gekommen. Ich hab ehrlich gesagt lediglich Geldgeber für meine Forschung gebraucht."
Weltweit arbeiten mehr als 50 Forscher an dem Projekt. Sie führen Umfragen in Pakistan, Ägypten und Singapur durch. Sie beobachten radikal-islamische Websites im Internet. Und sie kundschaften rechtsextreme Organisationen in Deutschland und Italien aus.
"Eine unserer Forschungsgruppen versucht herauszufinden, wie Terrorgruppen entstehen und wie sie Sympathisanten gewinnen. Eine zweite Gruppe geht der Frage nach, warum einige Terrorgruppen ab einem bestimmten Zeitpunkt gewalttätig werden und andere nicht. Die dritte Gruppe beschäftigt sich mit der Reaktion von Gesellschaften auf Terrorakte. Wie können Regierungen ihre Bürger glaubwürdig vor Terror warnen."
Vorläufige Erkenntnisse gibt es schon, beispielsweise zur Frage nach angemessenen Antworten auf Terroranschläge. Unser Auftraggeber und Sponsor, die amerikanische Regierung, kommt nicht allzu gut dabei weg, betont La Free.
"Um den Terror einzudämmen, muss man sich überlegen, wie man auf Terrorakte reagiert. Terrorismus ist manchmal wie Theater. Wenn es Terroristen gelingt, das Publikum zu gewinnen für ihre Sache, weil Regierungen mit Gegengewalt reagieren, wird diese Gruppe wachsen."
Solche und ähnliche Fehleinschätzungen und Schwachstellen sind nicht die einzigen, die der Kriminologe den Heimatschützern attestiert. Denn die haben in den USA nicht nur gegen Terroristen zu kämpfen. Manchmal wird auch die Natur zum Feind und zum Verhängnis - wie das Desaster nach dem Hurrikan Katrina gezeigt hat:
"Katastrophen können jeden jederzeit treffen. Wir haben das gerade erlebt."
Vier Footballstars der legendären New Orleans Saints machen Werbung. Und zwar nicht für Sportklamotten oder Bier, sondern für Katastrophenschutz.
Die Botschaft des Heimatschutzministeriums: "Sorgen Sie dafür, dass Ihre Familie einen Notfallplan hat. Telefonnummern, Treffpunkte, Evakuierungsrouten. Seien Sie vorbereitet auf den nächsten Hurrikan oder Terroranschlag."
David Heyman, Direktor der Abteilung Heimatschutz beim Center for Strategic Studies, einer Denkfabrik mit Sitz in Washington, schüttelt da den Kopf. Am schlechtesten auf Katrina vorbereitet waren die Verantwortlichen im Heimatschutzministerium, nicht die Menschen in New Orleans, sagt er.
""Katrina war eine Tragödie, aber auch ein Segen. Jahrelang haben sie uns erzählt, dass unser Heimatschutzministerium funktioniert, dass die Regierung riesige Summen investiert, um Amerikaner zu schützen. Und dann kam Katrina und plötzlich war klar, dass wir absolut nicht vorbereitet sind und schleunigst etwas unternehmen sollten."
Eine vernichtende Bilanz für eine Behörde, deren Mission der Schutz vor Terror und Katastrophen ist. Was genau vom Koloss Heimatschutz überwacht, kontrolliert und geschützt wird, bleibt für den Durchschnittsamerikaner allerdings schwer durchschaubar. Das einzige was jeder Buerger kennt ist, das täglich aktualisierte Terrorwarnsystem.
"Dieses Farbcodesystem, das so genannte Homeland Security Advisory System, war eine der ersten Maßnahmen des Heimatschutzministeriums. Und zunächst ein ziemlich unbrauchbares Instrument. Es hat vor allem dazu geführt, dass verunsicherte Bürger Trinkwasser, Gasmasken und Plastikfolie gebunkert haben, um sich vor vermeintlichen Terrorakten zu schützen."
Terrorwarnung als fünfstufiges Farbenspiel. Zurzeit gilt landesweit Code yellow – Stufe drei. Das heißt, es besteht ein signifikantes Risiko für Terroranschläge. Alle Amerikaner sind aufgerufen, wachsam zu sein und verdächtige Vorfälle sofort der Polizei zu melden. Abgesehen von der öffentlichen Mithilfe sind die Heimatschützer aber weiterhin auf die Geheimdienste angewiesen. Der Haken dabei: CIA und FBI gehören nicht wie ursprünglich geplant zum Homeland Security Ministerium, sondern operieren weiterhin unabhängig. David Heyman vom Center for Strategic Studies:
"Die Arbeit des Homelandsecurity-Ministeriums ist sehr undurchsichtig. Keine Spur von Transparenz. Da wird viel Geheimniskrämerei betrieben, um zu verhindern, dass Insider Informationen nach außen tragen."
Das haben auch Bürgerrechtsgruppen festgestellt. David Sobel vom Electronic Privacy Center meint, dass ihn zur Zeit vieles an die unselige Ära vor dem Watergateskandal in den 70er Jahren erinnert, als große Teile der Regierung Nixon fernab von öffentlichen Kontrollgremien operierten.
"Unser schlagkräftigstes Instrument seit Watergate ist der Freedom of Information Act, ein Transparenzgesetz, das es uns ermöglicht, zum Beispiel beim Heimatschutzministerium Informationen und Einblick einzufordern. Seit dem 11. September ist es allerdings so, dass mit dem Argument, es gehe um die Sicherheit Amerikas, Behörden wieder mehr von der Öffentlichkeit abgeschirmt und im Geheimen operieren können."
Die Folge: Unschuldige Bürger tauchen plötzlich auf staatlichen Terror-Überwachungslisten auf – und wissen oft nicht einmal, dass sie als verdächtig gelten. Tausende Bürger werden abgehört – ohne richterlichen Beschluss.
"Das ist ein radikal neuer Ansatz, den wir so noch nicht gesehen haben. Früher ermittelte das FBI, wenn ein Verbrechen passiert war. Seit dem 11. September behauptet die Regierung, sie versuche herausfinden, wer möglicherweise irgendwann einmal ein Verbrechen begehen könnte."
Was für Datenschützer alarmierend ist, bedeutet für den Kriminologen La Free vor allem eins: Eine wenig erfolgreiche Vorgehensweise. Know your enemy, kenne Deinen Feind, diesen Rat haben weder die USA mit ihrem Heimatschutzministerium noch die Europäer bislang wirklich befolgt.
"Europa weiß nicht genug über die radikalen Muslime in den eigenen Ländern. Das gilt natürlich auch für die USA. Wir wissen nichts über unsere Links- und Rechtsextremisten, über Al Kaida usw. Die psychologische Seite des Problems wird bislang übersehen."'#
Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis man wirklich weiß, wann eine Terrorgruppe entsteht, welche Motivationen einen Selbstmordattentäter dazu treiben, ein Blutbad anzurichten und wie sich Regierungen künftig besser auf Terroranschläge vorbereiten, gibt La Free zu. Das Heimatschutzministerium: Ein Anfang, aber nicht mehr:
""Ich glaube nicht, dass es eine Wunderwaffe gibt. Wir werden ein paar Schneisen schlagen und in drei Jahren vielleicht mehr über Terrorismus wissen. Aber ich glaube, dieses Problem wird die nächste Generation noch weit in die Zukunft hinein beschäftigen."
"Wir haben von Anfang an gesagt, wir sind kein verlängerter Arm der Regierung. Wir machen das, was wir immer gemacht haben: Forschen. Bisher hat die Zusammenarbeit gut funktioniert. Tom Ridge, der frühere Chef der Homelandsecurity, hat unseren Job mal so begründet: Wenn Du Deinen Feind besiegen willst, dann musst Du ihn genau kennen."
Kriminologe La Free und seine Kollegen waren genau die Experten, die das Heimatschutzministerium verzweifelt suchte. La Free betreibt vergleichende Terrorismusforschung – und das seit Jahrzehnten. Seine Datenbank verzeichnet mehr als 70.000 Terrorakte der vergangenen 25 Jahre, Das Terroristenalphabet reicht von von A wie Ansar al Islam bis Z wie Al Zawahiri. Grund genug für die Heimatschutzbehörde, das Projekt mit zwölf Millionen Dollar zu fördern.
"Nach dem 11. September hab ich nach Sponsoren gesucht. Das neu gegründete Heimatschutzministerium war damals zu sehr mit der bürokratischen Organisation beschäftigt, um selbst Grundlagenforschung zu betreiben. Und so bin ich an das Projekt gekommen. Ich hab ehrlich gesagt lediglich Geldgeber für meine Forschung gebraucht."
Weltweit arbeiten mehr als 50 Forscher an dem Projekt. Sie führen Umfragen in Pakistan, Ägypten und Singapur durch. Sie beobachten radikal-islamische Websites im Internet. Und sie kundschaften rechtsextreme Organisationen in Deutschland und Italien aus.
"Eine unserer Forschungsgruppen versucht herauszufinden, wie Terrorgruppen entstehen und wie sie Sympathisanten gewinnen. Eine zweite Gruppe geht der Frage nach, warum einige Terrorgruppen ab einem bestimmten Zeitpunkt gewalttätig werden und andere nicht. Die dritte Gruppe beschäftigt sich mit der Reaktion von Gesellschaften auf Terrorakte. Wie können Regierungen ihre Bürger glaubwürdig vor Terror warnen."
Vorläufige Erkenntnisse gibt es schon, beispielsweise zur Frage nach angemessenen Antworten auf Terroranschläge. Unser Auftraggeber und Sponsor, die amerikanische Regierung, kommt nicht allzu gut dabei weg, betont La Free.
"Um den Terror einzudämmen, muss man sich überlegen, wie man auf Terrorakte reagiert. Terrorismus ist manchmal wie Theater. Wenn es Terroristen gelingt, das Publikum zu gewinnen für ihre Sache, weil Regierungen mit Gegengewalt reagieren, wird diese Gruppe wachsen."
Solche und ähnliche Fehleinschätzungen und Schwachstellen sind nicht die einzigen, die der Kriminologe den Heimatschützern attestiert. Denn die haben in den USA nicht nur gegen Terroristen zu kämpfen. Manchmal wird auch die Natur zum Feind und zum Verhängnis - wie das Desaster nach dem Hurrikan Katrina gezeigt hat:
"Katastrophen können jeden jederzeit treffen. Wir haben das gerade erlebt."
Vier Footballstars der legendären New Orleans Saints machen Werbung. Und zwar nicht für Sportklamotten oder Bier, sondern für Katastrophenschutz.
Die Botschaft des Heimatschutzministeriums: "Sorgen Sie dafür, dass Ihre Familie einen Notfallplan hat. Telefonnummern, Treffpunkte, Evakuierungsrouten. Seien Sie vorbereitet auf den nächsten Hurrikan oder Terroranschlag."
David Heyman, Direktor der Abteilung Heimatschutz beim Center for Strategic Studies, einer Denkfabrik mit Sitz in Washington, schüttelt da den Kopf. Am schlechtesten auf Katrina vorbereitet waren die Verantwortlichen im Heimatschutzministerium, nicht die Menschen in New Orleans, sagt er.
""Katrina war eine Tragödie, aber auch ein Segen. Jahrelang haben sie uns erzählt, dass unser Heimatschutzministerium funktioniert, dass die Regierung riesige Summen investiert, um Amerikaner zu schützen. Und dann kam Katrina und plötzlich war klar, dass wir absolut nicht vorbereitet sind und schleunigst etwas unternehmen sollten."
Eine vernichtende Bilanz für eine Behörde, deren Mission der Schutz vor Terror und Katastrophen ist. Was genau vom Koloss Heimatschutz überwacht, kontrolliert und geschützt wird, bleibt für den Durchschnittsamerikaner allerdings schwer durchschaubar. Das einzige was jeder Buerger kennt ist, das täglich aktualisierte Terrorwarnsystem.
"Dieses Farbcodesystem, das so genannte Homeland Security Advisory System, war eine der ersten Maßnahmen des Heimatschutzministeriums. Und zunächst ein ziemlich unbrauchbares Instrument. Es hat vor allem dazu geführt, dass verunsicherte Bürger Trinkwasser, Gasmasken und Plastikfolie gebunkert haben, um sich vor vermeintlichen Terrorakten zu schützen."
Terrorwarnung als fünfstufiges Farbenspiel. Zurzeit gilt landesweit Code yellow – Stufe drei. Das heißt, es besteht ein signifikantes Risiko für Terroranschläge. Alle Amerikaner sind aufgerufen, wachsam zu sein und verdächtige Vorfälle sofort der Polizei zu melden. Abgesehen von der öffentlichen Mithilfe sind die Heimatschützer aber weiterhin auf die Geheimdienste angewiesen. Der Haken dabei: CIA und FBI gehören nicht wie ursprünglich geplant zum Homeland Security Ministerium, sondern operieren weiterhin unabhängig. David Heyman vom Center for Strategic Studies:
"Die Arbeit des Homelandsecurity-Ministeriums ist sehr undurchsichtig. Keine Spur von Transparenz. Da wird viel Geheimniskrämerei betrieben, um zu verhindern, dass Insider Informationen nach außen tragen."
Das haben auch Bürgerrechtsgruppen festgestellt. David Sobel vom Electronic Privacy Center meint, dass ihn zur Zeit vieles an die unselige Ära vor dem Watergateskandal in den 70er Jahren erinnert, als große Teile der Regierung Nixon fernab von öffentlichen Kontrollgremien operierten.
"Unser schlagkräftigstes Instrument seit Watergate ist der Freedom of Information Act, ein Transparenzgesetz, das es uns ermöglicht, zum Beispiel beim Heimatschutzministerium Informationen und Einblick einzufordern. Seit dem 11. September ist es allerdings so, dass mit dem Argument, es gehe um die Sicherheit Amerikas, Behörden wieder mehr von der Öffentlichkeit abgeschirmt und im Geheimen operieren können."
Die Folge: Unschuldige Bürger tauchen plötzlich auf staatlichen Terror-Überwachungslisten auf – und wissen oft nicht einmal, dass sie als verdächtig gelten. Tausende Bürger werden abgehört – ohne richterlichen Beschluss.
"Das ist ein radikal neuer Ansatz, den wir so noch nicht gesehen haben. Früher ermittelte das FBI, wenn ein Verbrechen passiert war. Seit dem 11. September behauptet die Regierung, sie versuche herausfinden, wer möglicherweise irgendwann einmal ein Verbrechen begehen könnte."
Was für Datenschützer alarmierend ist, bedeutet für den Kriminologen La Free vor allem eins: Eine wenig erfolgreiche Vorgehensweise. Know your enemy, kenne Deinen Feind, diesen Rat haben weder die USA mit ihrem Heimatschutzministerium noch die Europäer bislang wirklich befolgt.
"Europa weiß nicht genug über die radikalen Muslime in den eigenen Ländern. Das gilt natürlich auch für die USA. Wir wissen nichts über unsere Links- und Rechtsextremisten, über Al Kaida usw. Die psychologische Seite des Problems wird bislang übersehen."'#
Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis man wirklich weiß, wann eine Terrorgruppe entsteht, welche Motivationen einen Selbstmordattentäter dazu treiben, ein Blutbad anzurichten und wie sich Regierungen künftig besser auf Terroranschläge vorbereiten, gibt La Free zu. Das Heimatschutzministerium: Ein Anfang, aber nicht mehr:
""Ich glaube nicht, dass es eine Wunderwaffe gibt. Wir werden ein paar Schneisen schlagen und in drei Jahren vielleicht mehr über Terrorismus wissen. Aber ich glaube, dieses Problem wird die nächste Generation noch weit in die Zukunft hinein beschäftigen."