" Ich bin von diesem jungen Körper besessen, der sich vor mir auf dem weißen Laken streckt und beugt und sich mir öffnet. Ist es die Phantasie zu besitzen, die mich so wild macht? Ist es das Verbotene? Ist es die erotische Vision des Kolonialismus, die aus dem Hinterkopf hervor schleicht und eine Doppelexponierung dieser Szene hervorruft, so dass ich Teil von ihr bin und mich gleichzeitig von außen beobachten kann? Dieses junge, eingeborene Mädchen, die zur Frau und Stöhnen und Hingabe unter mir wird. Ihre Zugänglichkeit berauscht mich."
Die Rezensionen von Jørgen Leths Memoiren waren ausgesprochen positiv. Am gleichen Tag, als das dänische Pendant zur Bild-Zeitung, das Ekstra Bladet, titelte: "Hielt 17-Jährige als Sex-Sklavin", stand im Kulturteil auf Seite 36 zu lesen: "'Der unperfekte Mensch' ist ein unvergleichbarer Erinnerungsfilm in Worten. Man schlingt Szene für Szene in sich hinein und wünschte, er würde weiter und weiter gehen."
Da war sie wieder - die Faszination, die Jørgen Leth seit Jahren auf sein Publikum ausstrahlt. Sommer für Sommer sitzt der Filmemacher und Lebenskünstler als Kokommentator für das dänische Fernsehen bei der Tour de France und fesselt die Zuschauer mit seinen magischen Reportagen. Doch diesmal hatte Leth es übertrieben. Auf vier seines 368 Seiten dicken Buches schildert er eine sexuelle Eskapade mit einem 17jährigen Mädchen aus Haiti - und zumindest die Medien des Landes fühlten sich in die Zeit des Kolonialismus zurückversetzt. Tøger Seidenfaden, Chefredakteur der liberalen dänischen Tageszeitung Politiken:
" Es geht hier nicht um Kunst, um Fiktion oder um einen Film, sondern um einen persönlichen Rückblick. Und hier hat sich Jørgen Leth dafür entschieden zu zeigen, dass er den sexuellen Freisinn, den wir Gott sei Dank in den letzten Jahrzehnten erreicht haben, völlig missverstanden hat. Er hat nicht verstanden, dass sexuelle Freiheit im Grunde nichts wert ist, wenn diese nicht mit einer Form von Gleichberechtigung einhergeht. Er ist in die Rolle des Herren geschlüpft und hat eine Person ausgenutzt, die sehr viel schwächer ist als er. Und daher finde ich die Kritik berechtigt."
Insbesondere zwei Tatsachen führten zu öffentlicher Empörung. Der auf Haiti lebende Jørgen Leth ist gleichzeitig Honorarkonsul seines Landes auf der karibischen Insel. Außerdem hatte Leth die umstrittene Szene gefilmt und plante sie für einen Dokumentarfilm über die Sexualität in verschiedenen Kulturen zu verwenden. Für dieses Projekt hatte er knapp 60.000 Euro an staatlicher Filmförderung erhalten.
Jørgen Leth selbst verteidigte sein Verhalten zunächst mit dem Argument, er habe sich selbst mit Buch und Film aufs Spiel setzen wollen - derartige Authentizität sei er seinem Publikum schuldig. Als das zweite dänische Fernsehen ihn dann aus Furcht vor einem Imageschaden von allen Aufgaben entband, ging Leth in die Defensive. Das Filmprojekt wurde von ihm verworfen, der Honorarkonsulposten aufgegeben, der ganze Wirbel täte ihm leid, hieß es in einer Mitteilung. Diese Entwicklung aber brachte Leths Kollegen auf die Barrikaden - darunter die Erfolgsregisseure Thomas Vinterberg und Lars von Trier. Die neupuritanische Hetzjagd gleiche einer öffentlichen Hinrichtung, sie gefährde die Meinungsfreiheit im Land und somit die Möglichkeit künstlerischer Entfaltung. Auch Filmemacher Thomas Gislason hat den Künstlerprotest unterzeichnet:
" Das Ganze ist so typisch für unsere Zeit. Viele meinen sicher, es handelt sich hier um ein moralisches Aufbäumen, aber es ist im Gegenteil ein Verfall. Wir beurteilen nicht mehr das Werk als solches, sondern die dahinter stehende Person - es geht nicht mehr um Kunst, die ja unser aller Existenz in Frage stellt. Das alles erinnert mich an Mccarthy in den fünfziger Jahren."
Der Vergleich mit McCarthy mag zu weit gehen, der berühmte dänische Freisinn aber hat in den vergangenen Jahren gelitten. Erst vor zwei Wochen bezichtigte der dänische Kulturminister die Moslems im Lande einer mittelalterlichen Kultur, die niemals als gleichberechtigt betrachtet werden könne. Gleichzeitig schiebt die bürgerliche Regierung Flüchtlinge ab, die in ihrer Heimat ein ungewisses Schicksal erwartet. Nur selten noch aber zieren derartige Geschichte die Titelseiten des Boulevards - vielleicht hat man sich bereits zu sehr an sie gewöhnt.
Die Rezensionen von Jørgen Leths Memoiren waren ausgesprochen positiv. Am gleichen Tag, als das dänische Pendant zur Bild-Zeitung, das Ekstra Bladet, titelte: "Hielt 17-Jährige als Sex-Sklavin", stand im Kulturteil auf Seite 36 zu lesen: "'Der unperfekte Mensch' ist ein unvergleichbarer Erinnerungsfilm in Worten. Man schlingt Szene für Szene in sich hinein und wünschte, er würde weiter und weiter gehen."
Da war sie wieder - die Faszination, die Jørgen Leth seit Jahren auf sein Publikum ausstrahlt. Sommer für Sommer sitzt der Filmemacher und Lebenskünstler als Kokommentator für das dänische Fernsehen bei der Tour de France und fesselt die Zuschauer mit seinen magischen Reportagen. Doch diesmal hatte Leth es übertrieben. Auf vier seines 368 Seiten dicken Buches schildert er eine sexuelle Eskapade mit einem 17jährigen Mädchen aus Haiti - und zumindest die Medien des Landes fühlten sich in die Zeit des Kolonialismus zurückversetzt. Tøger Seidenfaden, Chefredakteur der liberalen dänischen Tageszeitung Politiken:
" Es geht hier nicht um Kunst, um Fiktion oder um einen Film, sondern um einen persönlichen Rückblick. Und hier hat sich Jørgen Leth dafür entschieden zu zeigen, dass er den sexuellen Freisinn, den wir Gott sei Dank in den letzten Jahrzehnten erreicht haben, völlig missverstanden hat. Er hat nicht verstanden, dass sexuelle Freiheit im Grunde nichts wert ist, wenn diese nicht mit einer Form von Gleichberechtigung einhergeht. Er ist in die Rolle des Herren geschlüpft und hat eine Person ausgenutzt, die sehr viel schwächer ist als er. Und daher finde ich die Kritik berechtigt."
Insbesondere zwei Tatsachen führten zu öffentlicher Empörung. Der auf Haiti lebende Jørgen Leth ist gleichzeitig Honorarkonsul seines Landes auf der karibischen Insel. Außerdem hatte Leth die umstrittene Szene gefilmt und plante sie für einen Dokumentarfilm über die Sexualität in verschiedenen Kulturen zu verwenden. Für dieses Projekt hatte er knapp 60.000 Euro an staatlicher Filmförderung erhalten.
Jørgen Leth selbst verteidigte sein Verhalten zunächst mit dem Argument, er habe sich selbst mit Buch und Film aufs Spiel setzen wollen - derartige Authentizität sei er seinem Publikum schuldig. Als das zweite dänische Fernsehen ihn dann aus Furcht vor einem Imageschaden von allen Aufgaben entband, ging Leth in die Defensive. Das Filmprojekt wurde von ihm verworfen, der Honorarkonsulposten aufgegeben, der ganze Wirbel täte ihm leid, hieß es in einer Mitteilung. Diese Entwicklung aber brachte Leths Kollegen auf die Barrikaden - darunter die Erfolgsregisseure Thomas Vinterberg und Lars von Trier. Die neupuritanische Hetzjagd gleiche einer öffentlichen Hinrichtung, sie gefährde die Meinungsfreiheit im Land und somit die Möglichkeit künstlerischer Entfaltung. Auch Filmemacher Thomas Gislason hat den Künstlerprotest unterzeichnet:
" Das Ganze ist so typisch für unsere Zeit. Viele meinen sicher, es handelt sich hier um ein moralisches Aufbäumen, aber es ist im Gegenteil ein Verfall. Wir beurteilen nicht mehr das Werk als solches, sondern die dahinter stehende Person - es geht nicht mehr um Kunst, die ja unser aller Existenz in Frage stellt. Das alles erinnert mich an Mccarthy in den fünfziger Jahren."
Der Vergleich mit McCarthy mag zu weit gehen, der berühmte dänische Freisinn aber hat in den vergangenen Jahren gelitten. Erst vor zwei Wochen bezichtigte der dänische Kulturminister die Moslems im Lande einer mittelalterlichen Kultur, die niemals als gleichberechtigt betrachtet werden könne. Gleichzeitig schiebt die bürgerliche Regierung Flüchtlinge ab, die in ihrer Heimat ein ungewisses Schicksal erwartet. Nur selten noch aber zieren derartige Geschichte die Titelseiten des Boulevards - vielleicht hat man sich bereits zu sehr an sie gewöhnt.