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Im Namen Gottes

Die Zahl derer, die den christlichen Gedanken in die Wirtschaft tragen und nach biblischen Grundsätzen wirtschaften möchte, wird immer größer. Sie schließen sich in Verbänden zusammen, die Namen haben, wie: Christen im Beruf, Bund katholischer Unternehmer oder International Council of Christians in Commerce. Sie wollen weder ihre Kollegen missionieren, noch geben sie sich mit der guten alten Weihnachtsfeier zufrieden, bei der erst gewichtelt und dann getrunken wird.

Andrea Groß |
    Andrea Groß stellt zwei Unternehmen vor, in denen der christliche Gedanke ganz unterschiedlich gelebt wird.

    Wir haben schon seit vielen Jahren diese Weihnachtsfeier, die wirklich dem Sinn von Weihnachten entsprechen soll. Wir kommen zusammen mit zirka vierhundert Personen, dazu laden wir auch die ehemaligen Mitarbeiter mit ein und dann wird über Weihnachten gesprochen. Darüber, dass Jesus Christus in diese Welt gekommen ist um Sünder zu erretten. Das steht so in der Bibel und darauf möchten wir hinweisen.

    Helmut Deterding ist Betriebsratsvorsitzender des Schuhriesen Deichmann. Seit mehr als dreißig Jahren gehört er dem familiengeführten Unternehmen an. Früher, so erinnert er sich, fuhr der Chef noch zu den Weihnachtsfeiern der einzelnen Filialen. Bei mehr als 1.000 Niederlassungen in Deutschland ist das allerdings nicht mehr zu machen. Damals gab es bei der Feier in der Zentrale auch noch Aufführungen der Weihnachtsgeschichte und alle konnten alle Strophen der Lieder singen. Das hat schwer nachgelassen. Aber auch heute noch findet sich in jedem Jahr ein Azubi, der bereitwillig die Weihnachtsgeschichte vorliest. Die christliche Nächstenliebe wird bei Deichmann aber das ganze Jahr über praktiziert.

    Der Gedanke ist einfach, dass wir unsere Mitarbeiter nicht nur als Arbeitskräfte betrachten, sondern als Mitmenschen. Wir bekommen hautnah mit, dass Mitarbeiter in Schwierigkeiten kommen, in Not kommen und das ist einfach der Wunsch, dass wir diesen Mitarbeitern beistehen. Einmal mit gutem Rat aber auch mit finanzieller Unterstützung.

    In den Personalräumen einer jeden Filiale hängt ein großes Schild. Darauf steht, dass Mitarbeiter, denen es schlecht geht, sich doch bitte an die Unterstützungskasse wenden sollen. Die wird von einem Gremium verwaltet in dem Betriebsrat Deterding eine gewichtige Stimme hat.

    Wenn man hört, dass manche Auszubildende zuhause keinerlei Unterstützung bekommen, wo das wenige Geld, das sie bekommen noch weggenommen wird und sie selbst noch nicht einmal genügend zu essen bekommen, oder wenn ein Vater die Tochter vergewaltigt und dadurch erhebliche Probleme entstehen... wir sind sehr froh, wenn wir Mitarbeitern dann sehr schnell helfen zu können.

    Es ist nicht nur das Geld. Den Betroffenen hilft es auch, sich Kummer und Ärger einmal richtig von der Seele reden zu können. Auch bei anderen Gelegenheiten gewährt die Firma Zuwendungen: es gibt gestaffelt nach Betriebszugehörigkeit einen Betrag wenn eine Mitarbeiterin heiratet, ein Baby bekommt oder einen Familienangehörigen beerdigen muss. Den christlichen Gedanken hat Firmenchef Deichmann von seinem Vater übernommen. Und sein Sohn, der inzwischen die Geschäftsleitung übernommen hat, verfährt ganauso.

    Die Versicherungsfirma Care Concept hatte bei ihrer Gründung im Jahr 1999 drei Mitarbeiter. 2001 baten zwei von ihnen den Chef, ob sie sich nicht in den Pausenzeiten zum Gebet treffen dürften. Vertriebsleiter Frank Brandenberg erinnert sich noch an dessen Gesicht.

    Bis zum Haaransatz nicht, aber auf halbem Weg (lacht) waren die Augenbrauen schon hoch. Also es war schon was neues für ihn auch und wir sind aber sehr dankbar, dass wir das durften.

    Heute hat die Firma 31 Mitarbeiter, die Zahl der Betenden ist auf sieben angewachsen. Der Chef gehört auch dazu. Gebetet wird im kleinen Konferenzraum. Das ist ein Raum unter dem Dach mit einem achteckigen Tisch und Stühlen drumherum. Ein Kreuz, eine Marien- oder Erlöserstatue sucht man vergebens. Überhaupt gibt es im ganzen Haus nur ein einziges Heiligenbildnis: ein farbiges Relief über der Eingangstür. Und das ist da, weil das Haus, in dem die Firma untergebracht ist, zu einem Kloster gehört. Die Firma hat es von Ordensschwestern angemietet.

    Wir beten natürlich in erster Linie für die Anliegen einer jeden Person innerhalb des Gebetskreises und der Firma. Wir beten dann für die Familienangehörigen aller Mitarbeiter und für die Stabilität vor allem der Familien. Wir beten für unsere Kunden, für die Geschäftspartner und auch für die Schwestern hier auf dem Klostergelände und auch sonstige Nachbarn, die wir hier im Bereich noch haben.

    Wenn die Umsätze nicht so sind, wie sie sein sollen, wird auch dieser Punkt mit in die Gebete aufgenommen. Manchmal wird das sogar erhört.

    Also es gab tatsächlich schon Sätze, wo Vertriebsmitarbeiter gekommen sind und gesagt haben, haben sie schon wieder gebetet? Es sind wieder zwei attraktive Rahmenverträge reingekommen. Also das passiert tatsächlich.

    Für Frank Brandenberg sind die Gebete Momente der Einkehr und der Besinnung auf Werte, die weitgehend verloren gegangen sind in einer Welt in der jeder sich selbst der nächste ist und in der Abzocke zum Volkssport wird. Diese Rückbesinnung ist für ihn eine Frage der Moral, nicht der Religionszugehörigkeit.

    Ich glaube schon, dass es, ob im muslimischen Bereich, ob im atheistischen Bereich, dass die Menschen eine Sehnsucht danach haben, dass wieder mehr Wahrhaftigkeit stattfindet. In allen Bereichen mehr Glaubwürdigkeit stattfindet. Mir ist es wichtig, nochmal zu sagen, dass es mir so geht und auch uns hier in der Firma: je mehr wir uns um Wahrheit bemühen, desto mehr stellen wir fest, wo wir überall Lügner sind. Also ich möchte das auch so verstanden wissen, nicht aus einer Position heraus des erhobenen Zeigefingers, sondern aus einer Position heraus darum zu wissen, wie schwer das ist, das eigentlich einzuhalten.

    Fang Wang kam im Jahr 2001 zu Care Concept. Sie ist Buddhistin. Sie bezeichnet sich als gläubig, aber nicht streng praktizierend. Das mit den Gebetskreisen hat sie sehr schnell mitbekommen.

    Das war für mich eine ganz neue Erfahrung, weil ich so was vorher noch nicht kannte. Das in der Firma noch gebetet wird, während des Tages und nicht am Wochenende oder nach dem Feierabend. Aber ich bin normalerweise auch ein sehr offener Mensch und toleranter Mensch und ich habe das gleich als sehr gut empfunden. Ich denke ob es eine Firma ist oder ob es ein Mensch ist – jeder muss eine Orientierung, einen Glauben haben. Und für diesen Glauben soll man auch was arbeiten. Ich bewundere die Kollegen, die sich die Zeit nehmen und etwas dafür tun.

    Die Kollegen haben Fang Wang angesprochen, ob sie nicht einmal mitbeten wolle, aber bisher hat sie das abgelehnt. Das laut gesprochene Gebet vor Mehreren ist ihre Sache nicht. Sie möchte lieber stille, innere Zwiesprache halten. Das ist okay, finden auch die christlichen und muslimischen Kollegen oder die, die an gar keinen Gott glauben.