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Im Osten was Neues

Das Filmfestival "goEast" in Wiesbaden hat sich zu einem der wichtigsten Treffpunkte des ost- und mitteleuropäischen Films entwickelt. So auch in diesem Jahr wieder - mit Förderpreisen für Ost-West-Koproduktionen, einem Nachwuchsprogramm, einer Hommage an die ukrainische Filmemacherin Kira Muratova und einer Retrospektive auf das Werk des tschechischen Regisseurs Jan Sverak.

Von Martin Hamdorf | 28.04.2009
    "Gerade bei den alten Menschen sehr beeindruckend. Das sind Gesichter von einer unglaublichen Tiefe und wo man irgendwie meint das ganze Leben, ihre ganze Vergangenheit darin zu sehen, den Schmerz, da könnte man teilweise minutenlang nur in das Gesicht eines alten Mannes schauen. Das ist toll, das man die Möglichkeit hat die Menschen in solchen Filmen zu sehen."

    Die deutsche Schauspielerin Julia Jentsch, Mitglied der internationalen Jury, ist besonders beeindruckt von den Einzelschicksalen, die sich in den sechs Dokumentar- und den zehn Spielfilmen des Wettbewerbs darstellen. Zehn Jahre nach dem Ende des eisernen Vorhangs beschreiben die meist jungen Filmemacher aus Serbien, Polen, Kasachstan, Bulgarien, Russland und Georgien die Gegenwart ihrer Region oft über den Rückgriff auf die Vergangenheit, - wenn auch mit ganz unterschiedlichen Ausdrucksformen:

    So erzählt der georgische Erstlingsfilm "Gagma Napiri" ("Das andere Ufer") die Irrfahrt eines kleinen Jungen, Mitte der 90er-Jahre, durch eine vom Krieg verwüstete Landschaft auf der Suche nach seinem verschollenen Vater. Für Regisseur George Ovashvili war es besonders wichtig zu einer auf wahren Tatsachen beruhende Geschichte die authentischen Gesichter zu finden

    "Für mich war es sehr wichtig, Gefühle über den Ausdruck dieser Gesichter zu vermitteln, und so haben wir und sechs bis sieben Monate Zeit genommen, um diese ausdrucksstarken Menschen außerhalb der bekannten Schauspielerkarteien zu finden."

    Der bulgarische Erstlingsfilm "Zift" setzt dagegen auf eine radikale Ästhetisierung. In stilisierten Schwarz-Weiß-Bildern erzählt "Zift" ganz im Genre des Cine Noir aus dem stalinistischen Bulgarien, Ende der 40er-Jahre. Es geht einen Diamantendiebstahl, um Korruption, Gewalt in den Gefängnissen, um Liebe und um Verrat. Für Regisseur Javor Gardev geht es bei dieser dunklen Geschichte auf keinen Fall um eine Rekonstruktion der Vergangenheit:

    "Dieser Film ist eine Metapher auf den Postkommunismus. Genauer gesagt um die Metastasen, die das autoritäre System in der Gegenwart gebildet hat, nicht nur in der Verwaltung, in der politischen Oberfläche, sondern besonders in unserem Charakter."

    Auch bei den Dokumentarfilmen ging es häufig um den Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart. Etwa über die extreme Rechte in Polen und ihre Verwurzelung in der polnischen Vorkriegsgeschichte, über den Streit um ein sowjetisches Denkmal in Estland oder über rumänische Juden in der Wirtschaftskrise. Eine ganz ungewöhnliche stilistische Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart findet der serbische Regisseur Boris Mitic. Sein zweiter Film "Do vidjenia, kako ste?" ("Auf Wiedersehen, wie geht es euch?") ist eine Reise durch zwanzig Jahre serbischer Geschichte im Grenzgebiet von Fiktion und Dokumentation. Eine Collage aus selbst gedrehtem Material und Fernsehbildern kommentiert in zwanzig Abschnitten von einer Stimme aus dem Off:

    "Mein Film ist ein satirisches Dokumentarmärchen. Ein Film über satirische Aphorismen, die ich aber nicht wie im Fernsehen über Interviews mit Schriftstellern darstellen wollte, sondern über die Montage pointierte Bilder und über einen fiktiven Erzähler, der uns über diese Bilder und Aphorismen seine Lebensgeschichte erzählt."