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Im Rampenlicht

Das Kunstmuseum Stuttgart zeigt eine Ausstellung des Malers Willi Baumeister als Bühnenbildner. Die Schau zeigt von diesem Samstag an Skizzen und Entwürfe des Künstlers.

Von Christian Gampert |
    Neben Otto Dix gehört Willi Baumeister zu den Hausgöttern des Stuttgarter Kunstmuseums. In der ständigen Ausstellung dominiert ein Bild aus seiner Montaru-Serie, auf dem eine tiefschwarze felsartige Masse sich über die intensiv leuchtenden Grundfarben Rot, Gelb, Blau schiebt. Diese Arbeit aus der Spätphase könnte auch der Ausgangspunkt für die jetzt eröffnete Sonderschau gewesen sein – denn einige Theaterarbeiten Baumeisters strukturieren die Bühne mit eben diesen Mitteln: das Übereinanderschieben diverser Form- und Farbelemente eröffnet dem Zuschauer einen Assoziationsraum, der noch 1953, dem Jahr von Baumeisters letztem Bühnenbild, als fremd und avantgardistisch galt.

    Seit der Eröffnung des Stuttgarter Kunstmuseums vor zwei Jahren gehört das Baumeister-Archiv zum Haus - und was liegt näher, als nun die unbekannte Seite dieses Klassikers zu beleuchten und das Archiv fürs Museum zu öffnen. Hadwig Goez, die Archivleiterin, ist jedenfalls froh, jetzt nicht nur forschen, sondern auch zeigen zu dürfen. Ihre spektakulärsten Objekte sind natürlich die Bühnenmodelle, kleine Kästen, die heute noch eine fast zauberische Wirkung entfalten - zum Beispiel jene Farbtupfer, die auf drei räumlich gestaffelten, beweglichen Gazevorhängen einen abstrakten Wald für Max Kommerells "Kasperlspiel" 1953 in Darmstadt lieferten; Gustav Rudolf Sellner war der Intendant. Aber die ausgestellten Kritiken und Baumeister-Skizzen geben oft noch detaillierteren Aufschluß, zum Beispiel über das 1949 in Stuttgart aufgeführte Ballett "In scribo satanis", im Siebe des Satans, das Hadwig Goez plastisch rekonstruieren kann:

    "Baumeister hatte da Bühnenelemente entwickelt, die vom Schnürboden abgehängt wurden, und hatte die Kostüme so ausgestattet, dass phosphoreszierende Farbe zum Einsatz kam, die Bühne abgedunkelt wurde, die Bewegungen der Tänzer also nur in einzelnen Körperteilen zu sehen waren, was sich dann ganz stark mit dem Bühnenhintergrund verschränkt hat."

    Willi Baumeister hatte sich von Anfang an als Gesamtkünstler verstanden, als Typograph, Dekorateur, Werbegraphiker, Drucker, Theoretiker, Maler und eben auch Bühnenbildner – das Theater war die Möglichkeit, den Raum zu erkunden, auch schon in der konstruktiven Phase. In Stuttgart hatte Baumeister bis 1910 zusammen mit Oskar Schlemmer studiert, der dann sein "Triadisches Ballett" entwickelte; die übergreifende Konzeption des "Bauhauses" war schon sehr früh vorhanden. Fast parallel bauten die russischen Konstruktivisten ihre Ballettbühnen. Frappierend an der Stuttgarter Ausstellung ist, wie synchron Baumeisters Entwicklung zu Le Corbusier verlief: das vorsichtige Entwickeln eines erst geometrischen, dann abstrakten Repertoires, später dann der organischen Formen. In den 1920iger Jahren stattete Baumeister eine Händel-Oper und ein Toller-Stück aus, auch Macbeth und den Faust, und auch als er unter den Nazis Mal- und Ausstellungsverbot hatte und in einer Wuppertaler Lackfabrik mit Schlemmer maltechnische Untersuchungen anstellte, philosophierte er über "die Fläche im absoluten Raum" – die dazugehörigen Skizzen sind in Stuttgart erstmals zu sehen.

    Nach dem Krieg sind es dann die abstrakten Formen und konkreten Zeichen, die Baumeisters Theaterarbeit dominieren – ein wandgroßes Foto zeigt den Künstler, auf dem Bühnenvorhang für Manuel de Fallas "Liebeszauber" stehend: der Herr der Signifikanten. Phantasiert man sich die jüngere Theatergeschichte hinzu, so ist ganz deutlich, dass wichtige Bühnenbildner wie Axel Manthey aus Baumeisters Zeichenvorrat schöpften - die Hand war auch bei Manthey ein Grundelement. Diese Fortschreibung fehlt - dafür zeigen die Stuttgart ausgiebig Baumeisters Skizzen, Modelle, Figurinen und auch Rezeptionsgeschichte. In den Kritiken und Fotos wird klar: Baumeisters Bühnenbilder waren weit fortschrittlicher als die Inszenierungen. Auch theaterhistorisch ist das also eine Tiefenbohrung, die lohnt.