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Im Rausch der zwei Buchstaben

Internet.- Webadressen wie vw.de, 1a.de oder o2.de gab es bisher nicht. Nun vergibt die Registrierungsstelle für deutsche Internetnamen auch ein- und zweistellige Seitennamen. Die Vergabe dieser begehrten Ware lief allerdings ungeordnet und chaotisch ab.

Von Thomas Reintjes | 24.10.2009
    Um 9 Uhr am Freitag Morgen setzte sich die Registrierungsmaschinerie in Gang. Bis zum Mittag waren rund 30.000 Domainnamen reserviert. Die begehrtesten Namen waren allerdings schon in den ersten Minuten vergeben. Dazu zählten tv.de, pc.de und de.de. Gerade solche Namen, die nach dem Prinzip Endung-Punkt-Endung aufgebaut sind, spielen eine entscheidende Rolle im Domainzirkus. Kombinationen wie de.de, com.de oder at.de könnten technische Probleme verursachen, hieß es bisher immer, und deshalb könnten solche Namen nicht registriert werden.

    "Das ist allerdings ein sehr altes Problem, das auch bekannt ist und in den meisten Rechnern inzwischen auch gefixt ist. Und wir gehen davon aus, dass das Problem nicht mehr so kritisch ist wie es war, als es erstmalig beschrieben wurde",

    sagt Sabine Dolderer von der Vergabestelle Denic. Dennoch hatte die Denic in der Vergangenheit behauptet, technische Probleme stünden der Vergabe ein- und zweistelliger Namen im Weg. Doch Denic unterlag dem Volkswagenkonzern vor Gericht. Aufgrund der zwangsweisen Registrierung von vw.de wurden nun auch nahezu alle anderen möglichen Kombinationen freigegeben. Und zwar fast von heute auf morgen. Dabei gab es keine zentrale Vergabe, sondern eine komplizierte Abwicklung über die Mitglieder der Genossenschaft Denic. Dazu gehören Anbieter wie 1&1, Strato, Domainfactory und andere. Nur diese Anbieter und Denic-Mitglieder konnten die begehrten Namen reservieren. Sie standen damit in Konkurrenz, denn jeder wollte die begehrtesten Namen für seine Kunden sichern.

    "Man hat 274 Denic-Mitglieder aufeinander losgejagt. Diejenigen, die sich miteinander abgesprochen haben, haben eine ganze Menge bekommen. Jeder andere, der normal mitgespielt hat, ist leer ausgegangen."

    Was der Domain-Fachmann und Blogger Richard Martin aus Berlin sagt, ist von einiger Brisanz. Sollten sich die Unternehmen bei der Registrierung der begehrten Domainnamen tatsächlich abgesprochen haben, wäre dies unter Umständen ein Fall für das Kartellamt. Auf Anfrage des Deutschlandfunks teilte das Bundeskartellamt zwar mit, dass dementsprechende Beschwerden eingegangen seien, man sehe derzeit aber keine Indizien für getroffene Absprachen. Ein relevanter Fall wäre es beispielsweise, wenn die Anbieter entgegen ihrer üblichen Dienstleistungen Domainnamen nicht für ihre Kunden, sondern auf ihren eigenen Namen registriert hätten. Das könnte als wettbewerbsbeschränkendes Verhalten ausgelegt werden.

    Der Verdacht richtet sich vor allem auf das Geschehen rund um die Domain-Auktionsbörse Sedo.de. Dort wurden die neuen Kurz-Domains versteigert bevor sie überhaupt registriert werden konnten. Im Nachhinein sollte dann versucht werden, die Domainnamen für die Gewinner der Auktionen zu reservieren.

    "Die Tatsache, dass man da mehr oder weniger ins Blinde geboten hat, ohne zu wissen, ob das Gebot einem überhaupt was bringt ... ich meine, wenn ich für irgendwas biete, dann bin ich am Ende der Auktion der Gewinner oder auch nicht. Aber wenn ich der Gewinner bin, dann habe ich die Ware. Bei Sedo hat man einfach auf eine Chance geboten. Also, wenn das nicht Glücksspiel ist, dann weiß ich nicht."

    Schließlich konnten auch die anderen Anbieter die Domainnamen aus den Sedo-Auktionen reservieren. Sedo hat deshalb mit mehreren Anbietern zusammengearbeitet, die versucht haben, die Domainnamen schneller zur reservieren als die Konkurrenz. Welche Partner das waren und wie viele, darüber gibt Sedo keine Auskunft. Man kann aber davon ausgehen, dass der größte deutsche Anbieter in diesem Bereich, 1&1 dabei war. Sedo ist Teil der Unternehmensgruppe, zu der auch 1&1 gehört. Trotz dieses Zusammenschlusses mehrerer Anbieter konnte nur ein Teil der gewünschten Namen für Sedo-Kunden reserviert werden. Für vier der begehrtesten zehn Domains hat das Unternehmen bisher eine erfolgreiche Reservierung bestätigt. Darunter die wohl teuerste Domain in dieser Sondervergabe: tv.de war einem Bieter knapp 280.000 Euro wert.

    Genauso gut hätte es aber einem anderen Anbieter gelingen können, tv.de zu reservieren. Bei vielen wäre diese Domain deutlich billiger gewesen. Manches Unternehmen bot seinen Kunden die begehrten Domains zu den normalen Tarifen an – etwa 50 Cent pro Monat. Die Bereitschaft, mehr zu bezahlen, war aber auf jeden Fall vorhanden, wie beispielsweise Tarkan Akman vom Frankfurter Anbieter clara.net berichtet.

    "Es kamen irrsinnige Aufträge rein. Gleich nach der Bekanntgabe von der Denic kamen Aufträge rein mit dem Hinweis: "Ich registriere alle einstelligen und alle zweistelligen Domains, die möglich sind zu registrieren. Ich biete soundsoviel Millionen dafür, dass sie mir alle registrieren. Es gab auch Angebote, unsere IP-Adressen abzukaufen, um mit mehr IP-Adressen dann bei der Denic einkaufen zu können. Das haben wir alles nicht mitgemacht."

    Für Überraschungen sorgten dann kurz vor dem Start der Vergabe noch einige einstweilige Verfügungen gegen die Denic. So erwirkten etwa O2 und einige öffentlich-rechtliche Sender, dass die für sie interessanten Domains nicht in die freie Vergabe gelangten. Mancher neue Inhaber eines markenrechtlich geschützten Domainnamens dürfte in den kommenden Tagen ebenfalls noch unangenehme Post bekommen.