Durch das Blätterdach der Kastanienbäume blinzelt die Sonne. Das Zwitschern der Vögel in den Bäumen mischt sich mit den Gesprächsfetzen der internationalen Gäste. Rot-weiß kariert: die Tische im idyllischen Hinterhof des berühmtesten Wirtshauses der Welt, dem Hofbräuhaus in München. Bier und Brotzeit im Schatten der Bäume - für den Wirt Wolfgang Sperger: ein Inbegriff bayerischer Gemütlichkeit.
"Ich hab mal gehört, dass die Amerikaner dieses Wort ins amerikanische Englisch übernommen haben. Genauso wie Kindergarten. Und so ist es auch mit Gemütlichkeit. Warum? Weil die Gemütlichkeit, wie wir sie verstehen, nichts mit dem zu tun hat, dass eine Couch gemütlich ist und sie bequem darauf sitzen. Sondern Gemütlichkeit bedeutet eigentlich, in einer ausgeglichenen, lockeren Gemütslage miteinander kommunizieren. Von Gemüt. Das ist das, was die Menschen entspannend empfinden. Sozusagen: In den Ruhemodus schalten, im Biergarten eine Maß Bier trinken und ein Hendl essen, oder Würstl, oder was auch immer. In lockerer Atmosphäre sitzen und quatschen. Das macht den Biergarten aus."
Streng genommen ist der Hinterhof im Hofbräuhaus mit seinen 600 Sitzplätzen kein Biergarten, sondern ein Wirtsgarten. Hier servieren Bedienungen und Kellner wie im Wirtshaus Speisen und Getränke. Unter König Max Joseph I. kam es vor 200 Jahren zum sogenannten "Biergartenerlass", der bis heute gilt. Das heißt: Das Essen darf man selber mitbringen, nur die Getränke müssen im Biergarten gekauft werden.
Die Maßkrügen klirren. Mit etwa 5000 Sitzplätzen ist der Biergarten am "Augustinerkeller" einer der größten in der bayerischen Landeshauptstadt. Lukas Bulka leitet in München das Bier- und Oktoberfestmuseum mit einer neu eröffneten Sonderausstellung zu 200 Jahren Biergarten. Er weiß, was es mit dem "Brotzeitrecht" auf sich hat.
"Festgelegt in der Biergartenverordnung von 1812: Dass der Ausschank erlaubt ist. Beziehungsweise, im Wortlaut heißt es: Der 'Minuto-Verschleiß' wird legalisiert. Aber nur unter der Prämisse, dass auf den Bierkellern beziehungsweise im Biergarten kein Essen verkauft werden darf. Somit war es den Leuten freigestellt, ihre Brotzeit selbst mitzubringen."
Die Klappbänke und Klapptische aus massivem Holz sind fast alle belegt. Vor einer grünen Bretterbude drängeln sich die Besucher: der Ausschank. Es gibt Bier vom Holzfass im 1-Liter-Maßkrug - gut gekühlt und frisch gezapft.
Kassierer: "6,80. Bitte. Zusammen: 13,60 Euro."
Bei einer Maß Bier erzählt Lukas Bulka von der ausgeklügelten Architektur der einstigen Bierkeller, auf denen die heutigen Biergärten entstanden sind.
"Wir sitzen jetzt eigentlich über dem ursprünglichen Keller. Das war eben so, dass es notwendig war, das Bier zu kühlen. Die Bier-Brau-Saison war im Winter von Oktober bis März, April. Und da musste man so viel Bier brauen, dass es sich über den Sommer hält. Das musste natürlich in den Kellern gelagert werden."
"Stoßen wir mal an? Prost. Zum Wohl!"
Vor 150 Jahren wurde das Eis zur Kühlung noch per Hand aus gefrorenen Flüssen und Seen geschnitten und mit Pferden zu den Bierkellern transportiert.
"Das war ein ziemlich aufwändiges System. Man musste Schächte haben, um das Eis einzubringen. Dann mussten in den Kellern Zwischenböden sein, dass die Luft auch zirkulieren kann. Weil die kalte Luft geht ja nach unten. Dann hat man diesen Kühleffekt. Dann schmilzt das Eis irgendwann. Das musste auch irgendwie abfließen. Und zum zusätzlichen Schutz hat man hier Kastanienbäume gepflanzt. Die Kastanie ist optimal, weil sie viel Schatten spendet. Und was noch dazu kommt: Die hat sehr flache Wurzeln. Also die macht den Keller nicht kaputt."
Die Schritte im Kies knirschen. Es riecht nach deftiger Brotzeit. Eine kleine Kapelle untermalt das gemütliche Beisammensein mit Blasmusik. Manche Touristen in T-Shirt und Turnschuhen tragen bayerische Filzhüte, viele sind wie traditionsbewusste Münchner in Dirndl und Lederhosen gekleidet, alle trinken genüsslich ihr Bier im Schatten der Bäume.
"Entschuldigung. Dürfen wir uns hier ganz kurz dazusetzen? Faszinierend. Im ganzen Biergarten ist das der einzige Tisch mit Tischdecke."
Gast: "Daran erkennt man die Profis: Die haben eine Tischdecke dabei."
Autor: "Und was habt ihr mitgebracht zum Essen?"
Gast: "Obatzter, Radieschen, Brezen, Kartoffelsalat, Nudelsalat - alles, was das Herz begehrt."
Autor: "Nach einer Maß Bier und einer Stunde im Biergarten stehe ich jetzt vor der Wirtin des Augustinerkellers. Was mögen sie denn am Biergarten?"
Wirtin: "Ich finde an unserem Biergarten ganz toll, dass wir sehr traditionell sind. Wir haben noch den alten Kies. Wir haben die alten Kastanien. Wir hegen und pflegen auch die Brotzeiten. Es ist selten, dass wir irgendwelche Ausfälle haben oder Streitereien."
Autor: "Ärgern sie sich nicht manchmal, dass die Leute ihre Essen mitbringen?"
Wirtin: "Nein, das tun wir nicht. Wir haben ja diesen Bereich ... Moment, jetzt haben wir Polizei da vorne ..."
Ja, auch das ist vielleicht bayerische Biergartentradition. Handgreiflichkeiten hier, verbale Aggressionen da. Plötzlich herrscht Alarmbereitschaft auf allen Seiten. Der Grund für die Streiterei: unklar. In wenigen Sekunden eilen aus allen Richtungen Kellner herbei, um den Streit unter den offensichtlich betrunkenen Touristen zu schlichten.
Ortswechsel - mitten im Englischen Garten befindet sich wohl Münchens berühmtester Biergarten: Um den gut 25 Meter hohen Chinesischen Turm haben knapp 7000 Gäste Platz. Merkwürdig fügt sich die Architektur mit markanten, vieleckigen Dachvorsprüngen, an denen ganz im asiatischen Tempelstil Glocken angebracht sind, in das bayerische Biergartenambiente. André Hollenbender ist hier schon seit 1989 stellvertretender Geschäftsleiter. Er hat die Jahre über ganz genau beobachtet, was den Reiz dieses weltweit bekannten Biergartens ausmacht.
"Ich glaube das ganz Markante an dem Biergarten am Chinesischen Turm ist einfach das Publikum. Wir haben völlig unterschiedliches Publikum: Da sitzt auch der Banker im Anzug neben dem - früher hat man immer gesagt - Punker mit der Ratte auf der Schulter. Aber ich glaube, das mit dem Punker und der Ratte ist out. Nur, um das noch mal zu beschreiben: Hier kann man einfach mit jedem über alles reden, weil auch jeder mit allem hier ist."
Hier pulsiert sie also, die "Weltstadt mit Herz" - München. Den Takt im Biergarten gibt die Blaskapelle vor: Im ersten der fünf Stockwerke im spitz zulaufenden Chinesischen Turm spielt die Rossbachtaler Blaskapelle aus Landshut ein buntes Potpourri - von konzertant bis folkloristisch. Kapellmeister Papst Josef dirigiert die Musiker über sein Flügelhorn.
"Es gibt Stücke wie "Auf der Vogelwiese", das ist immer angesagt, das gehört immer gespielt. Dann die böhmischen Polkas. Wir spielen auch viele Märsche, bekannte Märsche: Bayerischer Defiliermarsch, der gehört immer dazu, der wird immer gespielt. Auch zweimal am Tag. Aber wir haben eine Auswahl von ungefähr 250 Stücken. Wir sind da breit aufgestellt."
Der Himmel der Bayern: Bier, Brotzeit und Blasmusik im Biergarten. Es wird gesellig geplaudert und geprostet - und das über Landesgrenzen hinweg. Fünf Freundinnen aus Baden-Württemberg streifen gerade ihre mitgebrachte Tischdecke zurecht - packen Teller und Besteck, Salate und Brotaufstriche aus.
"Die Stimmung ist super. Wir haben tolles Wetter. Unter Freunden. Etwas Besseres gibt es eigentlich nicht. Und dann noch ein wenig Musik mit dabei. Herrlich!"
"Ich hab mal gehört, dass die Amerikaner dieses Wort ins amerikanische Englisch übernommen haben. Genauso wie Kindergarten. Und so ist es auch mit Gemütlichkeit. Warum? Weil die Gemütlichkeit, wie wir sie verstehen, nichts mit dem zu tun hat, dass eine Couch gemütlich ist und sie bequem darauf sitzen. Sondern Gemütlichkeit bedeutet eigentlich, in einer ausgeglichenen, lockeren Gemütslage miteinander kommunizieren. Von Gemüt. Das ist das, was die Menschen entspannend empfinden. Sozusagen: In den Ruhemodus schalten, im Biergarten eine Maß Bier trinken und ein Hendl essen, oder Würstl, oder was auch immer. In lockerer Atmosphäre sitzen und quatschen. Das macht den Biergarten aus."
Streng genommen ist der Hinterhof im Hofbräuhaus mit seinen 600 Sitzplätzen kein Biergarten, sondern ein Wirtsgarten. Hier servieren Bedienungen und Kellner wie im Wirtshaus Speisen und Getränke. Unter König Max Joseph I. kam es vor 200 Jahren zum sogenannten "Biergartenerlass", der bis heute gilt. Das heißt: Das Essen darf man selber mitbringen, nur die Getränke müssen im Biergarten gekauft werden.
Die Maßkrügen klirren. Mit etwa 5000 Sitzplätzen ist der Biergarten am "Augustinerkeller" einer der größten in der bayerischen Landeshauptstadt. Lukas Bulka leitet in München das Bier- und Oktoberfestmuseum mit einer neu eröffneten Sonderausstellung zu 200 Jahren Biergarten. Er weiß, was es mit dem "Brotzeitrecht" auf sich hat.
"Festgelegt in der Biergartenverordnung von 1812: Dass der Ausschank erlaubt ist. Beziehungsweise, im Wortlaut heißt es: Der 'Minuto-Verschleiß' wird legalisiert. Aber nur unter der Prämisse, dass auf den Bierkellern beziehungsweise im Biergarten kein Essen verkauft werden darf. Somit war es den Leuten freigestellt, ihre Brotzeit selbst mitzubringen."
Die Klappbänke und Klapptische aus massivem Holz sind fast alle belegt. Vor einer grünen Bretterbude drängeln sich die Besucher: der Ausschank. Es gibt Bier vom Holzfass im 1-Liter-Maßkrug - gut gekühlt und frisch gezapft.
Kassierer: "6,80. Bitte. Zusammen: 13,60 Euro."
Bei einer Maß Bier erzählt Lukas Bulka von der ausgeklügelten Architektur der einstigen Bierkeller, auf denen die heutigen Biergärten entstanden sind.
"Wir sitzen jetzt eigentlich über dem ursprünglichen Keller. Das war eben so, dass es notwendig war, das Bier zu kühlen. Die Bier-Brau-Saison war im Winter von Oktober bis März, April. Und da musste man so viel Bier brauen, dass es sich über den Sommer hält. Das musste natürlich in den Kellern gelagert werden."
"Stoßen wir mal an? Prost. Zum Wohl!"
Vor 150 Jahren wurde das Eis zur Kühlung noch per Hand aus gefrorenen Flüssen und Seen geschnitten und mit Pferden zu den Bierkellern transportiert.
"Das war ein ziemlich aufwändiges System. Man musste Schächte haben, um das Eis einzubringen. Dann mussten in den Kellern Zwischenböden sein, dass die Luft auch zirkulieren kann. Weil die kalte Luft geht ja nach unten. Dann hat man diesen Kühleffekt. Dann schmilzt das Eis irgendwann. Das musste auch irgendwie abfließen. Und zum zusätzlichen Schutz hat man hier Kastanienbäume gepflanzt. Die Kastanie ist optimal, weil sie viel Schatten spendet. Und was noch dazu kommt: Die hat sehr flache Wurzeln. Also die macht den Keller nicht kaputt."
Die Schritte im Kies knirschen. Es riecht nach deftiger Brotzeit. Eine kleine Kapelle untermalt das gemütliche Beisammensein mit Blasmusik. Manche Touristen in T-Shirt und Turnschuhen tragen bayerische Filzhüte, viele sind wie traditionsbewusste Münchner in Dirndl und Lederhosen gekleidet, alle trinken genüsslich ihr Bier im Schatten der Bäume.
"Entschuldigung. Dürfen wir uns hier ganz kurz dazusetzen? Faszinierend. Im ganzen Biergarten ist das der einzige Tisch mit Tischdecke."
Gast: "Daran erkennt man die Profis: Die haben eine Tischdecke dabei."
Autor: "Und was habt ihr mitgebracht zum Essen?"
Gast: "Obatzter, Radieschen, Brezen, Kartoffelsalat, Nudelsalat - alles, was das Herz begehrt."
Autor: "Nach einer Maß Bier und einer Stunde im Biergarten stehe ich jetzt vor der Wirtin des Augustinerkellers. Was mögen sie denn am Biergarten?"
Wirtin: "Ich finde an unserem Biergarten ganz toll, dass wir sehr traditionell sind. Wir haben noch den alten Kies. Wir haben die alten Kastanien. Wir hegen und pflegen auch die Brotzeiten. Es ist selten, dass wir irgendwelche Ausfälle haben oder Streitereien."
Autor: "Ärgern sie sich nicht manchmal, dass die Leute ihre Essen mitbringen?"
Wirtin: "Nein, das tun wir nicht. Wir haben ja diesen Bereich ... Moment, jetzt haben wir Polizei da vorne ..."
Ja, auch das ist vielleicht bayerische Biergartentradition. Handgreiflichkeiten hier, verbale Aggressionen da. Plötzlich herrscht Alarmbereitschaft auf allen Seiten. Der Grund für die Streiterei: unklar. In wenigen Sekunden eilen aus allen Richtungen Kellner herbei, um den Streit unter den offensichtlich betrunkenen Touristen zu schlichten.
Ortswechsel - mitten im Englischen Garten befindet sich wohl Münchens berühmtester Biergarten: Um den gut 25 Meter hohen Chinesischen Turm haben knapp 7000 Gäste Platz. Merkwürdig fügt sich die Architektur mit markanten, vieleckigen Dachvorsprüngen, an denen ganz im asiatischen Tempelstil Glocken angebracht sind, in das bayerische Biergartenambiente. André Hollenbender ist hier schon seit 1989 stellvertretender Geschäftsleiter. Er hat die Jahre über ganz genau beobachtet, was den Reiz dieses weltweit bekannten Biergartens ausmacht.
"Ich glaube das ganz Markante an dem Biergarten am Chinesischen Turm ist einfach das Publikum. Wir haben völlig unterschiedliches Publikum: Da sitzt auch der Banker im Anzug neben dem - früher hat man immer gesagt - Punker mit der Ratte auf der Schulter. Aber ich glaube, das mit dem Punker und der Ratte ist out. Nur, um das noch mal zu beschreiben: Hier kann man einfach mit jedem über alles reden, weil auch jeder mit allem hier ist."
Hier pulsiert sie also, die "Weltstadt mit Herz" - München. Den Takt im Biergarten gibt die Blaskapelle vor: Im ersten der fünf Stockwerke im spitz zulaufenden Chinesischen Turm spielt die Rossbachtaler Blaskapelle aus Landshut ein buntes Potpourri - von konzertant bis folkloristisch. Kapellmeister Papst Josef dirigiert die Musiker über sein Flügelhorn.
"Es gibt Stücke wie "Auf der Vogelwiese", das ist immer angesagt, das gehört immer gespielt. Dann die böhmischen Polkas. Wir spielen auch viele Märsche, bekannte Märsche: Bayerischer Defiliermarsch, der gehört immer dazu, der wird immer gespielt. Auch zweimal am Tag. Aber wir haben eine Auswahl von ungefähr 250 Stücken. Wir sind da breit aufgestellt."
Der Himmel der Bayern: Bier, Brotzeit und Blasmusik im Biergarten. Es wird gesellig geplaudert und geprostet - und das über Landesgrenzen hinweg. Fünf Freundinnen aus Baden-Württemberg streifen gerade ihre mitgebrachte Tischdecke zurecht - packen Teller und Besteck, Salate und Brotaufstriche aus.
"Die Stimmung ist super. Wir haben tolles Wetter. Unter Freunden. Etwas Besseres gibt es eigentlich nicht. Und dann noch ein wenig Musik mit dabei. Herrlich!"