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Im Schatten der Londoner Terroranschläge

Demonstrationen, Randale, zerborstene Schaufenster, blutige Nasen. Seit Tagen gibt es in Südschottland immer wieder vereinzelte Zusammenstöße zwischen militanten Demonstranten und der Polizei. Doch damit werden die Staats- und Regierungschefs nicht konfrontiert, als sie sich am Mittwochabend im Golfhotel Gleneagles einfinden. Dinner auf Einladung der Queen. Die Gattinnen sind auch dabei. Das hochherrschaftliche Hotel liegt am Rande der schottischen Highlands und ist weiträumig abgeschirmt. Nicht nur deswegen interessiert die Gäste der Krawall draußen nicht sonderlich, sondern auch weil der fast schon zur Normalität am Rande von G-8-Gipfeln gehört. Doch diese abstruse Form von Normalität ist vorbei am nächsten Morgen. Noch vor Beginn der Arbeitssitzung Donnerstag früh erfahren die Gipfelteilnehmer von den Explosionen in London. Der Bundeskanzler ist gerade im Vier-Augen-Gespräch mit dem japanischen Regierungschef Koizumi. Zunächst ist von einem Unfall die Rede.

Von Theo Geers, Jochen Spengler und Martin Steinhage | 09.07.2005
    Mittags tritt ein bleicher und sichtlich bewegter Gastgeber in Gleneagles vor die Fernsehkameras. In einer kurzen Ansprache sagt Tony Blair, dass es ziemlich klar sei, dass Terroristen hinter der Bombenserie steckten, dass Sachschäden, Tote und schwer Verletzte zu beklagen seien und dass er für die Opfer und ihre Familien gebetet habe. Kurze Zeit später erscheint Tony Blair erneut auf den Bildschirmen, hinter sich die G-8-Kollegen und die Staats- und Regierungschefs Chinas, Indiens, Brasiliens, Mexikos und Südafrikas, alle mit ernsten Gesichtern. Es ist ein beeindruckendes Bild. In einer gemeinsamen Stellungnahme verurteilen sie die Anschläge und üben Solidarität. Blair verliest den Text:

    " All unsere Länder haben schon unter dem Angriff von Terroristen gelitten. Die dafür Verantwortlichen haben keinen Respekt vor dem menschlichen Leben. Wir sind vereint in unserer Entschlossenheit, uns diesem Terrorismus entgegen zu stellen und ihn zu besiegen. Das ist kein Angriff auf eine Nation, sondern auf alle Nationen und auf die zivilisierten Menschen überall. Wir werden der Gewalt nicht gestatten, unsere Gesellschaften oder Werte zu verändern, und wir werden ihr auch nicht erlauben, die Arbeit dieses Gipfels zu beenden. Wir werden unsere Beratungen fortsetzen - im Interesse einer besseren Welt. Die Terroristen werden nicht gewinnen.Wir werden die Oberhand behalten und nicht sie. "

    Kurze Zeit später äußert sich auch US-Präsident George W. Bush. Er begleitet den britischen Premierminister zum Hubschrauber und sagt:

    " Auf der einen Seite gibt es hier Menschen, die daran arbeiten, die Armut zu eliminieren, die helfen, AIDS zu bekämpfen, die Wege suchen, um eine saubere Umwelt zu schaffen, und auf der anderen Seite stehen Leute, die unschuldige Menschen töten. Der Gegensatz könnte nicht größer sein. Ich war höchst beeindruckt von der Entschlossenheit all der Staatsmänner in unserem Saal. Ihre Entschlossenheit ist so stark wie meine. Wir werden diese Terroristen finden und der gerechten Strafe zuführen.. "

    Doch zunächst will sich Tony Blair selbst ein Bild machen vom Ausmaß des Terrorakts und das Sicherheitskabinett einberufen. Er fliegt am frühen Nachmittag von Gleneagles nach London, während Außenminister Jack Straw ihn auf dem G-8-Gipfel vertritt.

    Der Gipfel macht weiter, versucht sich in business-as-usual, auch wenn dies - so Bundeskanzler Gerhard Schröder - nun natürlich nicht mehr der Gipfel ist, der ursprünglich geplant war.

    " Die Terroristen verfolgen ganz offenkundig das Ziel zu verhindern, dass sich der Gipfel mit zentralen Themen, die unsere Welt bewegen, befasst, mit der Bekämpfung von Hunger und Armut, mit der Bekämpfung der Klimaschwierigkeiten, um nicht zu sagen -katastrophe… Der englische Gastgeber, Premierminister Tony Blair, hat entschieden, und ich finde diese Entscheidung richtig, dass der Gipfel fortgesetzt wird. …Natürlich ist das eine ganz andere Stimmung. Jeden berührt und bedrückt die Zahl der Opfer und es bewegt hier jeden, das kann man spüren, es ist eine andere Stimmung, und es ist ein anderer Gipfel geworden. "

    Und so versuchten die Staats- und Regierungschefs eben, so gut es ging den Kopf frei zu behalten für das erste wichtige Thema, das der nun nach London eilende Tony Blair auf die Tagesordnung gesetzt hatte: den weltweiten Klimaschutz. Dabei war schon im Vorfeld des Gipfels von Gleneagles deutlich geworden, dass es hier so gut wie keine Fortschritte geben würde. Denn US-Präsident Bush hatte schon in den Wochen zuvor strikte Weisung gegeben, dass aus Washingtoner Sicht bei diesem Thema nichts anbrennen dürfe. Gastgeber Tony Blair, aber auch Deutschland und Frankreich, strebten dennoch an, die USA so weit es eben geht beim Klimaschutz endlich in das Boot zu holen, das für George Bush alles andere als einen klangvollen Namen hat: Kyoto. In dieser japanischen Stadt wurde 1997 das nach ihr benannte Klimaschutzprotokoll unterzeichnet. Kyoto, wie es immer nur genannt wird, sieht vor, dass die Teilnehmerländer ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis zum Zeitraum 2008 bis 2012 auf ein Niveau verringern, dass um 5,2 Prozent unter dem von 1990 liegt. Das Problem liegt dabei in einer einsamen Entscheidung, die George Bush vor vier Jahren traf: Danach macht Amerika bei Kyoto nicht mit, weil es auf Amerika nicht passe und, so George Bush frank und frei, weil Kyoto als Killer-Vertrag die amerikanische Wirtschaft ruiniere:

    " I made a decision that the kyoto-treaty didn’t suit ours needs and it was al killer-treaty that would have wrecked our economy to be blunt. "

    Statistik: Die USA sind mit Abstand der größte Verursacher von Treibhausgasen: Vier Prozent der Weltbevölkerung produzieren 20 Prozent des Kohlendioxidausstoßes, jeder Amerikaner verursacht damit doppelt so viel Treibhausgase wie etwa ein Deutscher und sechs Mal so viel wie ein Chinese. Diese Zahlen zeigen: Kyoto macht nur Sinn, wenn auch die Amerikaner mitziehen. Doch George Bush machte in Gleneagles von Anfang an klar, er werde nichts unterschreiben, was auch nur im Entferntesten auf Kyoto und damit auf bindende Verpflichtungen zur Verringerung von Treibhausgasen hinauslaufe:

    " If this looks like Kyoto the answer is NO! "

    Und so kam es wie es kommen musste. Die politische Erklärung zum Klimawandel fiel so allgemein aus, dass sogar Bush am Ende damit leben konnte: Auch der US-Präsident erkennt nun an, dass der Klimawandel auf menschliches Verhalten zurückgeht. Daher soll der Anstieg von Treibhausgasen zunächst verringert und - sofern das wissenschaftlich gerechtfertigt ist - gestoppt und umgekehrt werden, und die G8-Staaten wollen dabei sogar schnell und entschlossen handeln. Konkrete Vorgaben, wann und um wie viel der Co2-Ausstoß verringert werden soll, enthält die Erklärung dagegen mit Rücksicht auf die USA nicht. Deshalb hielt sich auch Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Bewertung erkennbar zurück:

    " Dass zum ersten Mal Kyoto von allen akzeptiert worden ist, will ich nicht überschätzen, weil ich darin noch nicht sehe, dass die Amerikaner sagen, wir sind mit Kyoto einverstanden, aber immerhin begreifen sie es als ein denkbares Instrument, und es gibt jenseits dessen gute Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf technologischem Gebiet. "
    Umweltschutzorganisationen wie der WWF oder Greenpeace nahmen dagegen kein Blatt vor den Mund und kritisierten die Gipfelbeschlüsse zum Klimaschutz als große verpasste Chance, so Daniel Mittler von Greenpeace. Für ihn grenzt es an Lug und Betrug…

    "…. dass Bush hier so tun kann, als sei er ein Klimaschützer, obwohl er in Wirklichkeit nichts, aber auch gar nichts auf den Tisch gelegt hat. Blair tut so, als hätte er Bush zum Klimaschützer gemacht, und in Wirklichkeit haben Blair und Schröder den Minimalkonsens, den Bush bereit war mitzutragen, hier mit abgesegnet. "

    Auch der dazugehörige Aktionsplan zum Klimaschutz befriedigt die Umweltschützer nicht. Im Vordergrund steht der effizientere Einsatz von Energie in Gebäuden, Geräten, im Verkehr und in der Industrie; erwähnt werden aber auch fortschrittliche Technologien wie neue emissionsfreie Kraftwerke und natürlich der Ausbau erneuerbarer Energien. Hier wittert Gerhard Schröder sogar enorme Marktchancen, nachdem im Gegensatz zu George Bush vor allem die auch nach Gleneagles eingeladenen Präsidenten wichtiger Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien versicherten, für ihre Länder habe die Nutzung dieser alternativen Energiequellen von Anfang an einen enormen Stellenwert:

    " Da hat Deutschland ja in den letzten Jahren ne Menge anzubieten. Wir sind führend bei der Solarenergie - Weltmarktführer - führend bei Gewinnung von Strom aus Wind - wir sind Weltmarkführer, und wir können unsere technologischen Möglichkeiten anderen zur Verfügung stellen. "

    Immer mehr in den Hintergrund trat dagegen das, was einmal das ursprüngliche Anliegen der Weltwirtschaftsgipfel war - der Meinungsaustausch über die globale Konjunkturentwicklung und die bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik der wichtigsten Industrienationen. Im schottischen Gleneagles reicht das gerade noch zu einer zwei Seiten langen Erklärung zur Lage der Weltwirtschaft. Darin sorgen sich die G-8-Staaten, dass das an sich robuste Wirtschaftswachstum vor allem durch globale Ungleichgewichte und die hohen und stark schwankenden Ölpreise bedroht sei. Wirtschaftliche Ungleichgewichte bestünden vor allem in unterschiedlich hohen Wachstumsraten und den hohen Haushaltsdefiziten einzelner Länder. Deshalb werden insbesondere die USA aufgerufen, ihr Haushaltsdefizit zu verringern. Die EU-Staaten sollen dagegen ihre eingeleiteten Strukturreformen weiter vorantreiben, um bei ihnen das Wachstum wieder anzukurbeln. Noch größer ist allerdings die Sorge über die angespannte Lage an den Energie- und vor allem an den Ölmärkten, wo der Preis für das Fass Rohöl um die Marke von 60 Dollar pendelt. Deutschland sieht sich dabei im Kampf gegen die hohen Ölpreise in einer Vorreiterrolle. Denn aus Sicht der Bundesregierung könnte der reale Ölpreis bei 40 Dollar liegen, wenn die aktuellen Notierungen nicht aufgrund purer Spekulationsgeschäfte überhöht wären. Auf deutschen Druck wollen die G-8-Staaten deshalb für mehr Transparenz an den Ölmärkten sorgen und so der Spekulation das Fundament entziehen, so der Gipfelbeauftragte der Bundesregierung, Wirtschafts-Staatssekretär Bernd Pfaffenbach:

    " Das kann man ihm nehmen, indem man mehr Transparenz über Öldaten schafft, über Vorkommen, über Produktions- und Verbrauchszahlen, über Lagervorkommen, Bewegungen am Markt halt, denn dann ist den Spekulanten die Basis der Spekulation genommen, weil die Angstprämie entfällt. "

    Bundeskanzler Schröder räumte allerdings ein, auch er kenne im Kampf gegen die hohen Ölpreise keinen Königsweg.

    Immer dann, wenn die Mächtigen der Welt über die Erfolge und Probleme der Globalisierung sprechen, rufen sie damit eine bunte und vieltausendköpfige Schar von Globalisierungskritikern aus aller Welt auf den Plan. So auch diesmal. War es am Samstag noch zu einer friedlichen Demonstration von über zweihunderttausend Menschen in Edinburgh gekommen, so ändert sich das am Montag.

    " A killer comes to town … "

    Nicht eben zurückhaltend in Wort und Tat demonstrieren Tausende auf der Prachtstraße in Edinburgh gegen Bush, Blair, den G-8-Gipfel, den Irak-Krieg, die Mächtigen und den Kapitalismus. Angeführt werden sie von Dudelsackspielern, Hubschrauber kreisen in der Luft, Polizeisirenen heulen. Eine junge Punkerin mit knallroten Haaren verteilt Flugblätter und sammelt Unterschriften.

    " Ich komm aus Österreich, aus Wien, und ich bin vorrangig da, um den G-8-Gipfel in Gleneagles zu stoppen, dagegen zu protestieren, gemeinsam mit Hunderttausenden Leuten, weil ich mich als Teil der internationalen Bewegung sehe, wie die immer sagen "another world is possible", für eine andere Welt. "

    Wie diese andere Welt aussehen könnte, demonstrieren dann einige Hundert Anarchisten des Schwarzen Blocks. Sie liefern sich handfeste Schlachten mit der zunächst sehr zurückhaltenden Polizei. Es fliegen Steine und Feuerwerkskörper, Schaufenster gehen zu Bruch. 21 Menschen werden verletzt, 60 Protestler festgenommen, die Zeitungsschlagzeilen dick. Am Dienstag eine Atempause, ehe sich am Tag darauf pünktlich zum Gipfelbeginn, etwa 4.000 Demonstranten aufmachen ins 70 Kilometer entfernte Gleneagles. Ein junger Amerikaner:

    " Ich bin nach Gleneagles gekommen, um zu zeigen, dass es auch Amerikaner gibt, die nicht einverstanden sind mit Bush. Seine Wahl war illegal, sein Irak-Krieg ist illegal. Es ist wichtig, den Mächtigen zu sagen, dass wir sie beobachten, das wir eine andere Welt wollen ohne Armut und Kriege und dass das funktionieren kann. Sie sollen auf uns hören und helfen. "

    Es ist eine kleine Schlacht, die um Gleneagles tobt. Es herrscht das totale Verkehrschaos. Autobahnen müssen gesperrt werden, in zwei Dörfern kommt es zu demolierten Autos, geplünderten Läden und zerstörten Satelliten-Schüssel. Einige Hundert Demonstranten schaffen es, sich bis auf einen halben Kilometer dem Tagungshotel zu nähern und den doppelten Metallzaun zu durchbrechen. Die Polizei setzt schwere Hubschrauber ein, Reiterstaffeln, Hunde und Spezialeinheiten, nimmt einige Dutzend Randalierer fest und gewinnt die Kontrolle zurück.

    " Make poverty history… "

    Viel größer als der Druck von der Straße war vor und während des Gipfels der Druck, der durch eine neue, weltweit operierende Bewegung auf die G-8-Leader ausgeübt wurde. Unter dem Motto "make poverty history" - "überantwortet die Armut der Geschichte" - sollten die Staats- und Regierungschefs in Gleneagles dazu gebracht werden, Hunger und Elend in Afrika mit massiven Hilfsmaßnahmen für alle Zeit ein Ende zu machen. Um dieses Ziel den Mächtigen der Welt zu vermitteln, hatten sich binnen kürzester Zeit zahllose Organisationen rund um den Globus zusammengeschlossen - mit ihrem Sprachrohr, dem ehemaligen Popstar Bob Geldof:

    " Wir kommen mit dem Mandat von über drei Milliarden Menschen, wir haben 31 Millionen Unterschriften gesammelt...das bedeutet, Premierminister Blair geht in die Gipfel-Verhandlungen mit dem größten demokratischen Mandat, das jemals zusammengetragen wurde zu einem einzigen Thema - und dahinter steht die Tatsache, dass auch heute wieder 50.000 Menschen sterben werden. "

    Geldof hatte für sein Anliegen einen wichtigen Verbündeten - Tony Blair. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Gleneagles appellierte der Medienprofi Geldof an den britischen Premierminister und dessen Gipfelpartner:

    " Hier ist der Ort, wo dem Sterben ein Ende gemacht werden muss. Wenn man das Sterben in Afrika jetzt nicht stoppt, dann wäre das ein furchtbares Versagen - im humanitären wie im politischen Sinn. Drei Milliarden Menschen fordern vom Gipfel, das Problem jetzt zu lösen. "

    Tony Blair seinerseits hatte im Vorfeld des Gipfels mit Nachdruck für die ehrgeizigen Ziele seiner Afrika-Initiative geworben - eine Verdoppelung der Entwicklungshilfe für den schwarzen Kontinent, ein kompletter Schuldenerlass für die allerärmsten Staaten sowie die Schaffung fairer Handels-Bedingungen für afrikanische Güter und Waren auf den Weltmärkten - so lautete seine Agenda. Blairs Gipfelkollegen sind ihm auf diesem Weg ein gutes Stück gefolgt: So einigten sich die G-8-Vertreter darauf, bis 2010 die Entwicklungshilfe um 50 Milliarden Dollar pro Jahr zu erhöhen. Die Hälfte der Gesamtsumme soll dabei allein Afrika zugute kommen, was mehr als einer Verdoppelung der Hilfen für den schwarzen Kontinent entspricht. - Premier Blair zeigte sich hernach hochzufrieden:

    " Wir sind hierher gekommen in Solidarität mit dem afrikanischen Kontinent, wir sind gekommen, um einen Aktionsplan anzukündigen in Partnerschaft mit Afrika. - Es ist nicht das Ende der Armut in Afrika, aber es ist die Hoffnung, dass sie überwunden werden kann. "

    Mit seinem Afrika-Engagement hat sich Blair unter anderem sowohl gegenüber Kanzler Schröder als auch US-Präsident Bush durchgesetzt, die für mehr Zurückhaltung geworben hatten. Zum guten Schluss begrüßte Schröder zwar die gemachten Zusagen - wollte aber eine gewisse Skepsis nicht verhehlen: Zum einen, was die finanziellen Herausforderungen angeht, die nun auch auf den G-8-Staat Deutschland zukommen. Und zum anderen ließ der deutsche Regierungschef Zweifel erkennen über die Zuverlässigkeit und Aussagekraft der Blair´schen Rechenmodelle, die sich auf Schätzungen der OECD stützen:

    " Das wird kein leichter Ritt, und wir brauchen dazu nicht nur Budgets, sondern auch vernünftige Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb der Budgets. Aber ich fand es schon richtig, dass man sich auch eingelassen hat auf eine Schätzung der OECD, die ja gesagt hat, wenn ihr das hinkriegt - bestimmte Wachstumserwartungen vorausgesetzt - dann sind da schon 25 Milliarden für Afrika zusätzlich drin. "

    Das Gipfel-Schlussdokument bestätigt ferner den bereits im Juni von den Finanzministern der G-8 vereinbarten sofortigen Schuldenerlass für 18 arme Länder, darunter 14 afrikanische, mit einem Gesamt-Volumen von 40 Milliarden US-Dollar. - Doch auch hier gibt es Kritik, so etwa von der der Antiglobalisierungs-Organisation "attac" - Hugo Braun:

    " Wir wissen dass das, was an Schulden erlassen worden ist, nicht reicht. Es ist tatsächlich ein Fortschritt, aber es bleibt ein Tropfen auf den heißen Stein. Und was diese Menschen in Afrika besonders bedrückt, ist, dass dieser Schuldenerlass mit Bedingungen verknüpft ist. "

    Zu den Bedingungen für den Schuldenerlass zählt unter anderem die Verpflichtung der afrikanischen Staaten zu einer "good governance", sprich: "guten Regierungsführung", also für Frieden und Stabilität im eigenen Umfeld zu sorgen, Korruption zu bekämpfen, die Menschenrechte zu achten, und ähnliches mehr. Nach allgemeiner Überzeugung absolut enttäuschend sind die Beschlüsse der G-8 zum Thema "fairer Handel". Dabei ist unumstritten, dass die EU, Japan und die USA zusammen pro Jahr rund 300 Milliarden Euro für Subventionen und Maßnahmen zum Schutz ihrer Produzenten ausgeben. Was wiederum dazu führt, dass afrikanische Waren auf den Weltmärkten auch bei bester Qualität kaum eine Chance haben. Und was ferner bedeutet, dass die wohlhabenden Staaten ihre hoch subventionierten Produkte konkurrenzlos billig in Afrika selbst anbieten können.

    " Die G-8 hat es versäumt, hier einen nachhaltigen und fairen Handel in die Wege zu leiten, und sie tut so, als mache sie Zugeständnisse an die Entwicklungsländer. In Wirklichkeit werden nur Versprechungen, die sehr alt sind, z.B. dass die Export-Subventionen in der Landwirtschaft endlich abgeschafft werden, wiederholt. "

    ...beklagte Daniel Mittler von Greenpeace. - Ein Standpunkt, den der Bundeskanzler zumindest teilweise nachvollziehen kann:

    " Wir müssen in Hongkong bei der WTO-Runde weiterkommen, wir müssen erreichen, dass die Märkte geöffnet werden, nicht nur für Agrarprodukte, auch für das, was wir an einfachen industriellen Produkten anzubieten haben, und ich hoffe, es ziehen alle mit. "

    Doch trotz aller Kritik: Am Ende ist es so, wie es die britischen Gastgeber es vor Gipfelbeginn prophezeit hatten: "Nicht alle Erwartungen werden erfüllt werden in Gleneagles, doch es wird Fortschritte geben für Afrika und seine leidgeplagten Menschen." So war es viel mehr als nur diplomatische Höflichkeit, dass sich der Nigerianer Olusegun Obasanjo - als amtierender Präsident der Afrikanischen Union Gast in Gleneagles - für den Afrika-Aktionsplan der G8 bedankte:

    " Das Treffen der G-8 und der afrikanischen Führer ist ein großartiger Fortschritt, und wir danken und gratulieren Premierminister Blair für den erzielten Fortschritt. "