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Im Schatten der Mauer

In der kommenden Woche soll erneut über die Wiedervereinigung Zyperns verhandelt werden: Der politische Führer des griechisch-zyprischen Südens, Dimitris Christofias, und der des türkischen Nordens, Mehmet Ali Talat, treffen sich dafür sogar an drei Tagen - und sie geben sich zuversichtlich.

Von Christiane Sternberg | 05.01.2010
    Frisches Gemüse liegt an den Ständen, das Obst duftet und die Kunden feilschen mit den Händlern. Sonnabends bringt der Markt im südlichen Teil Nikosias die Erinnerung daran zurück, dass die Altstadt einst ein blühendes Handelszentrum war. Heute sind nur noch wenige Straßenzüge von Geschäften belebt. Gebäude verfallen, Straßen enden an Barrikaden und Militärposten. Denn mitten durch den historischen Kern von Zyperns Hauptstadt verläuft die Grenze. Sie teilt Nikosia in den türkisch-zyprischen Norden und den griechisch-zyprischen Süden. Hier, im Herzen der Stadt, sind die Schwierigkeiten am deutlichsten spürbar, sagt die Bürgermeisterin von Süd-Nikosia, Eleni Mavrou:

    "In Nikosia ist die Teilung ein alltägliches Problem. Stadtentwicklung und Verkehrslenkung sind eingeschränkt, weil die Straßen in Sackgassen enden. Sogar die Lebensqualität der Leute, die entlang der Pufferzone wohnen, leidet darunter."

    Die Anwohner werden geplagt von Mücken, Ratten und Schlangen, die das Niemandsland bevölkern und die benachbarten Häuser heimsuchen. Doch ein unbürokratisches gemeinsames Vorgehen beider Stadtverwaltungen dagegen ist unmöglich. Die Ämter von Nord-Nikosia gelten für die griechisch-zyprische Seite als illegal, weil die Türkische Republik Nordzypern international nicht anerkannt ist. Um Probleme zu lösen, die türkische und griechische Zyprer gleichermaßen betreffen, müssen paritätisch besetzte Kommissionen gegründet werden, die unter der Schirmherrschaft von unparteiischen Dritten zusammenkommen. Die UNO hat mit dieser Art der Mediation Erfahrung. Ihre Friedenstruppen sind seit 1964 auf der Insel stationiert und vertraut mit der schwierigen Kommunikation zwischen den beiden Volksgruppen – auch, wenn es nur um Ungeziefer-Bekämpfung geht.

    Stromernde Katzen sind in manchen Gassen der Altstadt die einzigen Passanten. Das einstige Zentrum ist durch die Grenzlage zum toten Winkel geworden. Die einzige mit modernen Geschäften und Cafés belebte Gegend ist der Fußgängerboulevard in der Ledrastraße. Auch sie ist geteilt. Wer von einem Ende ans andere gelangen will, muss am Checkpoint seinen Ausweis vorzeigen. Eine Kuriosität, die sich kein Tourist entgehen lässt. Helen Zeniou in ihrem Zeitungskiosk mitten auf der Ledrastraße ärgert das:

    "Die Touristen laufen hier nur noch durch, weil sie auf die andere Seite wollen. Die Geschäftsleute beschweren sich, dass kaum einer von denen bei ihnen einkauft. Und unsere Reiseführer bringen die Touristen auch noch rüber. Das ist nicht gut."

    Da seit 2003 auch Einheimische die Checkpoints passieren dürfen, floriert der Grenzverkehr in der Doppelstadt. Vor allem zum Shoppen geht es auf die jeweils andere Seite. Türkische Zyprer nutzen die für sie kostenlose medizinische Versorgung im griechischen Teil, viele arbeiten im Süden, besuchen Schulen und Universitäten. Zyperngriechen schätzen vor allem das Glücksspiel im Norden, denn Casinos sind in ihrer Landeshälfte verboten.

    Auf anderer Ebene jedoch herrscht Funkstille. Strom- und Telefonleitungen führen nur bis zur Grenze, das Handynetz bricht jenseits davon zusammen. Selbst für ein Katastrophen-Szenario existiert kein gemeinsamer Notfallplan. Eine Zusammenarbeit mit den "illegalen Behörden" im Norden gibt es nicht, betont der Vize-Chef der Polizeistation in der Altstadt, Pavlos Loizou:

    "Es gibt keine Kooperation. Wir erkennen die türkisch-zyprische Polizei nicht an."

    Dafür zeitigt die Arbeit der bestehenden bikommunalen Projekte Ergebnisse. Auf der Grundlage des sogenannten "Nikosia Masterplans" zum Beispiel werden auf beiden Seiten der Altstadt historische Gebäude saniert, architektonisch so aufeinander abgestimmt, dass sich die Straßenzüge nach einer Wiedervereinigung harmonisch zusammenfügen würden. Eleni Mavrou, die Bürgermeisterin von Süd-Nikosia, träumt schon jetzt von einer City ohne Sperrzonen und ethnische Trennung, mit vielen Geschäften und jungen Bewohnern:

    "Mit Parks entlang der venezianischen Stadtmauer, wo Leute überall spazieren gehen können, ihren Kaffee trinken, und wo die Kinder unbesorgt spielen können."