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Im Sinne der alten Aufführungspraxis

Zu den zahlreichen bekannten Komponisten, derer in diesem Jahr anlässlich runder Geburts- und Todestage besonders gedacht wird, zählt auch der vor 200 Jahren gestorbene Joseph Haydn. 2009 ist eine große Anzahl an CDs mit seiner Musik erschienen, drei herausragende davon können Sie in dieser Sendung kennen lernen und alle drei haben etwas gemeinsam: Sie sind nach den Prämissen der historisierenden Aufführungspraxis eingespielt worden.

Von Rainer Baumgärtner | 22.11.2009
    Im Einzelnen stellen wir Ihnen eine Aufnahme mit Cembalosonaten, eine Doppel-CD mit Haydns Konzerten für Tasteninstrumente sowie seine "Cäcilien-Messe" in einem Mitschnitt aus der Dresdner Frauenkirche vor.

    Ein wesentliches Kennzeichen von Interpretationen in historischer Manier ist die Wahl alter Instrumente beziehungsweise Kopien alter Instrumente. Der gebürtige Brasilianer Nicolau de Figueiredo (er lebt bereits seit 1980 in Europa) hat für das belgische Label Passacaille vier der etwa 60 von Haydn erhaltenen Sonaten für Tasteninstrument auf einem Cembalo aufgenommen.

    Figueiredo, Schüler unter anderem von Gustav Leonhardt und vom legendären Scott Ross, hat für seine Aufnahme den Nachbau eines französischen Instruments aus der Mitte des 18. Jahrhunderts verwendet. Gewöhnlich führen Alte-Musik-Spezialisten diese Werke auf Hammerklavieren auf, doch erst in Haydns späteren Sonaten lassen sich stilistische Eigenarten ausmachen, die die neuen dynamischen und expressiven Möglichkeiten dieses Instrumententyps berücksichtigen. Zuvor dürfte er zum Komponieren in erster Linie das intime Clavichord verwendet haben und für Aufführungen vor Publikum sicherlich ein Cembalo. Auch die D-Dur-Sonate aus dem Jahr 1779, im Hoboken-Verzeichnis die Nummer 37 unter den Sonaten, ist eindeutig für Cembalo konzipiert. Und in dieser Sonate – wie auf der gesamten CD – überzeugt Nicolau de Figueiredo durch Fingerfertigkeit genauso wie durch seine durchdachte, organisch atmende Interpretation.

    Musikausschnitt: Joseph Haydn, Klaviersonate D-Dur, Hob.XVI:37, 3.Satz: Finale. Presto ma non troppo

    Dies war das Finale von Joseph Haydns D-Dur-Sonate aus dem Jahr 1779 mit dem Cembalisten Nicolau de Figueiredo.

    Ebenso wie bei Haydns Sonaten haben auch Interpreten seiner Konzerte für ein Tasteninstrument die Wahl zwischen verschiedenen Instrumenten. Die Frage ist, welches historisch gesehen die richtige Wahl ist. Prinzipiell spielen Konzerte in Haydns Œuvre quantitativ im Vergleich vor allem zu seinem sinfonischen Schaffen eine untergeordnete Rolle. Dies lag neben den Pflichten, die er zu erfüllen hatte, wohl vor allem daran, dass Sinfonien in seiner Zeit prestigeträchtiger waren als Konzerte. Haydns Konzerte für Tasteninstrumente stammen fast alle aus der frühen Phase seiner Laufbahn, sie sind also keine reifen "Schwergewichte" unter seinen Werken. Dennoch sind die acht von ihm erhaltenen Kompositionen dieser Art nicht unbedeutend, denn sie verlassen die Sphäre des Unverbindlichen und allzu Leichten, die bei Konzerten anderer Tonsetzer aus den 1760er-Jahren häufig vorherrscht.

    Für welche Gelegenheiten Joseph Haydn seine Konzerte komponierte, liegt weitgehend im Dunkeln. Es scheint aber immerhin festzustehen, dass er die fünf frühesten während seiner Zeit als Organist in Wien schrieb und dass sie für liturgische Zwecke bestimmt waren. Deshalb geht man davon aus, dass er sie ursprünglich für Orgel schrieb.

    Christine Schornsheim hat anlässlich des Haydn-Gedenkjahres 2009 zusammen mit der Neuen Düsseldorfer Hofmusik für das Label Capriccio seine gesamten Konzerte für Tasteninstrumente neu eingespielt. Die Spezialistin für historisches Tastenspiel verwendet dabei die drei Instrumente, mit denen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Klavierkonzerte aufgeführt wurden: Cembalo, Fortepiano und Orgel.

    Musikausschnitt: Joseph Haydn, Konzert für Orgel (Klavier) & Orchester C-Dur, Hob.XVIII:8, 3.Satz: Finale. Allegro

    Sie hörten den abschließenden dritten Satz aus Joseph Haydns C-Dur-Orgelkonzert, das in der 18. Abteilung des Hoboken-Verzeichnisses die Nummer 8 trägt.

    Christine Schornsheim zeigt auf ihrer neuen Aufnahme, weshalb sie als eine der führenden deutschen Interpretinnen auf historischen Tasteninstrumenten gilt. Mit Joseph Haydns Kompositionsstil ist sie seit Langem auf das Engste vertraut, schon vor einiger Zeit hat sie eine Gesamteinspielung seiner Klaviersonaten vorgelegt. Diese Vertrautheit merkt man ihrem Spiel in jedem Moment an, ihre Interpretation besticht durch Formgefühl und ebenso elastisches wie schmeichelndes Spiel. Die Neue Düsseldorfer Hofmusik unter ihrer Konzertmeisterin Mary Utiger begleitet Christine Schornsheim federnd und stets aufmerksam. Durch den Einsatz von Orgel, Cembalo und Fortepiano ist die Doppel-CD zudem klanglich sehr abwechslungsreich. Aus einem weiteren frühen Orgelkonzert Haydns – der Nummer 10 im Hoboken-Verzeichnis – erklingt nun der langsame Satz mit der Tempobezeichnung Adagio.

    Musikausschnitt: Joseph Haydn, Konzert für Orgel (Clavier) & Orchester C-Dur, Hob.XVIII:10, 2.Satz: Adagio

    Aufnahmen auf historischen Tasteninstrumenten wie die Einspielung von Christine Schornsheim spielen unter den CD-Veröffentlichungen im Haydn-Jubiläumsjahr 2009 eine besondere Rolle. Doch auch in anderen musikalischen Genres sind interessante Neuerscheinungen zu verzeichnen. Heute ist der Festtag der Heiligen Cäcilia, der Schutzpatronin der Musik, und da bietet es sich um so mehr an, noch auf eine Neuaufnahme von Joseph Haydns sogenannter "Cäcilien-Messe" hinzuweisen. Vertonungen der feststehenden Teile der katholischen Messe zählen – vor allem dank ihrer Verwendung im Gottesdienst – bis heute zu den populärsten Teilen von Haydns Schaffen.

    Im Juni vergangenen Jahres führte das belgische Orchester Anima Eterna unter seinem Gründer Jos van Immerseel in der Dresdner Frauenkirche die "Cäcilien-Messe" auf, die Haydn 1766 selbst "Missa Cellensis", also "Mariazeller Messe", nannte und die erst um 1820 ihren Populärtitel erhielt. Man merkt dem Konzertmitschnitt die sorgfältige Vorbereitung der Künstler an, ihren Versuch, Haydns rhetorische Tonsprache und das Theatralische der Texte möglichst gut zu transportieren. Ein überaus geglücktes Unterfangen!

    Musikausschnitt: Joseph Haydn, Missa Cellensis ("Cäcilien-Messe") C-Dur Hob.XXII:5, Credo (1.Teil)

    Dies war der erste Teil des Credo aus Joseph Haydns "Missa Cellensis" von 1766 mit der Sopranistin Lydia Teuscher sowie Chor und Orchester Anima Eterna unter der Leitung von Jos van Immerseel.

    Die "Neue Platte" im DLF war heute Neuerscheinungen zum Haydn-Gedenkjahr 2009 gewidmet. Neben der bei Carus erschienenen Konzertaufnahme mit der "Cäcilien-Messe" standen von Nicolau de Figueiredo für das Label Passacaille interpretierte Cembalosonaten sowie die Konzerte für Tasteninstrumente mit Christine Schornsheim und der Neuen Düsseldorfer Hofmusik auf dem Programm, veröffentlicht vom Label Capriccio.

    CD 1:
    Nicholau de Figueiredo
    Joseph Haydn: Cembalosonaten Hob.XVI:20, 23, 32 & 37
    Passacaille (Note 1)

    CD 2:
    Solistin: Christine Schornsheim
    Neue Düsseldorfer Hofmusik
    Joseph Haydn: 8 Concerti für Cembalo, Hammerklavier und Orgel
    CAPRICCIO

    CD 3:
    Dirigent(in): Jos van Immerseel
    Ensemble: Orchester "Anima Eterna"
    Ensemble: Chor "Anima Eterna"
    Joseph Haydn: Missa cellensis
    Carus