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Im Stich gelassen

Die Mehrzahl der über zwei Millionen Studierenden in Deutschland braucht Einnahmen aus Nebenjobs, um sich finanziell über Wasser zu halten. Beliebter Anlaufpunkt für klamme Studenten waren deshalb in der Vergangenheit die Jobvermittlungen der örtlichen Arbeitsämter. Doch die scheinen das Interesse am akademischen Nachwuchs verloren zu haben. Wuppertal hat die studentische Jobvermittlung bereits geschlossen, Köln zieht nach. Warum hat die persönliche Beratung bei der Jobvermittlung angeblich keine Zukunft mehr?

Von Britta Mersch |
    Was wollen Sie, bitteschön, einen Studenten beraten. Er hat sein Studium, er hat doch seinen Gang. Die Beratung muss er woanders holen, nicht bei uns, es sei denn, es geht darum, ein Studium abzubrechen.

    Klare Worte von Franziska Arndt-Duve, Pressesprecherin der Wuppertaler Agentur für Arbeit. Die hat die Jobvermittlung für Studenten eingestellt. Seit dem Umbau der Agentur für Arbeit zählt sie in Wuppertal nicht mehr zum Kerngeschäft. Der Grund: rückläufige Vermittlungszahlen, weniger Angebote von Arbeitgebern. Dabei sind die Studenten mehr denn je auf die Agentur angewiesen. Denn der Arbeitsmarkt für Studenten ist nicht gerade rosig. Fritz Berger-Marchand, Geschäftsführer des Hochschul-Sozialwerks der Uni Wuppertal, wundert sich.

    Die Tatsache, dass eine sehr große Nachfrage nach Jobs besteht seitens der Studierenden, aber nur sehr wenige Angebote bestehen, die muss man ja nicht einfach tatenlos hinnehmen, sondern man kann sicherlich auch, oder man sollte vielleicht auch dafür regelmäßig werben, dass so eine Jobbörse besteht und die Arbeitgeber darauf hinweisen, welche Vorteile das hat, Studierende einzustellen.

    Wie etwa geringe Nebenkosten für Arbeitgeber, relativ niedrige Löhne von durchschnittlich 9 Euro und flexible Einsetzbarkeit. Trotz dieser Vorteile fällt für Studenten der persönliche Kontakt zur Agentur für Arbeit flach, sie müssen sich in Zukunft mit einem schwarzen Brett und Online-Angeboten zufrieden geben. Eine unglückliche Situation, meint Berger-Marchand.

    Also ich persönlich bin davon überzeugt, dass es einen konkreten Bedarf nach einer Jobbörse gibt, es muss eine persönliche Präsenz da sein, es reicht nicht, einfach einen Link im Internet auf eine private Agentur, die überregional tätig ist, davon bin ich überzeugt, ich glaube, es bedarf einer Ansprechperson oder eines Ansprechservices, um auch Fragen klären zu können usw. und das war bisher da und das ist eben jetzt nicht mehr da.

    Zwei Drittel der Studierenden in NRW arbeiten regelmäßig während des Studiums, das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Studentenwerkes aus dem Jahr 2001. In Wuppertal sind es sogar drei von vier Nachwuchsakademikern. Die meisten arbeiten in Aushilfsjobs, etwa in Fabriken, Büros oder Cafés. Der durchschnittliche Nebenverdienst liegt bei 382 Euro im Monat, zusammen mit einer Stütze der Eltern haben die meisten gerade mal rund 600 Euro zum Leben. Für die Wuppertaler Arbeitsvermittler kein Argument. Franziska Arndt-Duve:

    Ist das der Personenkreis, den wir brauchen? Sie müssen sich das mal überlegen: Wir sollen Arbeitslosigkeit abbauen, wir haben hier im Bezirk Wuppertal 27.000 Arbeitslose, wir haben hier in der Stadt Wuppertal über 20.000 Arbeitslose, wir sollen Arbeitslosigkeit abbauen, sind Studenten arbeitslos? Dass sie Geld brauchen, ist eine ganz andere Sache, ungenommen, aber sind sie arbeitslos? Sind das Leute, die hier stehen und sagen, wir müssen unseren Lebensunterhalt sichern?

    Auch wenn die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg das Gegenteil behauptet: Die Wuppertaler Studenten sind nicht die einzigen, die von der Agentur für Arbeit im Stich gelassen werden. Auch in Köln wurde die Jobbörse an der Uni gestrichen. Für die Kölner Studenten ein ungünstiger Zeitpunkt, klagt Anja Becker vom AStA Köln:

    Es kommt so alles auf einmal: Die Studienkonten, die Jobbörse macht zu, und sie stehen so ein bisschen allein gelassen da, auf jeden Fall, das ist aber dieses Paradoxum in der ganzen Bildungspolitik oder Hochschulpolitik, das gesagt wird: Macht mehr, übernehmt mehr Verantwortung, ihr wollt später mal zur Elite gehören, also müsst ihr auch schauen, dass ihr das hinbekommt, es werden einem aber immer mehr Steine in den Weg gelegt.

    Dass die Jobbörse an der Uni fehlt, merkt der AStA am eigenen Leib: fünfmal so viele Anfragen gehen hier seit der Schließung ein. Der AStA will jetzt selbst aktiv werden:

    Wir sind jetzt am Planen, was wir machen können. Wir haben uns jetzt erst mal angeschaut, wie die Situation ist, ob eine Anfrage besteht, und die besteht auf jeden Fall und wollen das jetzt erst mal online machen, also dass es möglich ist, dass diese ganzen Angebote nicht per Fax reinkommen, sondern per e-mail und dass da Informationen abrufbar sind.

    Dass das funktionieren kann, zeigt die Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule in Nürnberg. Seit zwei Jahren hat die FH ein eigenes Internetportal mit Angeboten für Praktika, Studentenjobs und Stellen für Absolventen. Der Service kommt an: Rund 2.200 Studenten suchen hier täglich nach einem Job. Mit dem richtigen Händchen für Studenten geht’s dann doch - ganz ohne die offiziellen Jobvermittler von der Agentur für Arbeit.