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Im Takt der Natur
Bei Frühjahrsmüdigkeit ab in den Campingurlaub

Die innere Uhr des Menschen kommt gerade in der Winterzeit mit ihren kurzen Tagen völlig aus dem Rhythmus - Montags fällt das Aufstehen besonders schwer. Wie schnell man seine innere Uhr wieder eichen kann, haben US-Forscher mithilfe einer ungewöhnlichen Freilanduntersuchung getestet.

Von Michael Stang | 03.02.2017
    Ein Mädchen gähnt.
    Künstliches Licht bringt den Schlafrhythmus völlig durcheinander. (picture alliance / dpa - Martin Gerten)
    Elektrisches Licht gilt als eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit. Früher ging man bei Einbruch der Dunkelheit ins Bett, heute kann jeder unabhängig von der Tageszeit lesen, arbeiten und die Nacht zum Tag machen – per Knopfdruck. Dieses Verhalten ist aber wider die Natur, denn elektrisches Licht bringt die innere Uhr aus dem Gleichgewicht, nach der sich biologische Organismen seit Jahrmillionen richten, sagt der Schlafforscher Kenneth Wright:
    "Wir wollten untersuchen, wie weit unser modernes Leben die innere Uhr tatsächlich verstellt und Einfluss auf Dinge wie den Schlafrhythmus hat. Wir verbringen immer mehr Zeit im Haus bei künstlichem Licht und setzen uns elektrischem Licht weiter aus, auch wenn die Sonne schon lange untergegangen ist."
    Wie Licht die innere Uhr beeinflusst
    Die Chronobiologen der Universität von Colorado in Boulder untersuchen seit vielen Jahren, wie genau die innere Uhr des Menschen tickt. Diese befindet sich im sogenannten Suprachiasmatischen Kern im ventralen Hypothalamus. Fotorezeptoren im Auge senden Lichtreize ins Gehirn, wo es die Information verarbeitet und dem Körper dann mitteilt, wie spät es ist. Ablesen können die Forscher die innere Uhr mithilfe des Hormons Melatonin.
    Melatonin steuert unser Verhalten: Es regelt, wann wir Hunger haben, wann wir besonders leistungsfähig sind und wann wir das Gefühl haben, es sei Zeit, ins Bett zu gehen. Der Melatoninspiegel im Speichel verrät auch, ob jemand ein sprichwörtlicher früher Vogel oder doch eher eine Nachteule ist. Letztere hängen mit ihrem inneren Taktgeber teils um über zwei Stunden zurück. Aber auch Frühaufsteher haben im Frühjahr manchmal Probleme, rechtzeitig aus dem Bett zu kommen.
    "Wir wollten herausfinden, wie sich die innere Uhr im Winter umstellt. Und was passiert, wenn man ein ganzes Wochenende im Freien bei natürlichem Licht verbringt? Wie weit kann man dann die innere Uhr wieder nach vorn stellen?"
    Feldversuche ohne elektrisches Licht
    Für die Studie wurde bei den Probanden zunächst eine Woche lang gemessen, wann sie wie viel Licht im Alltag abbekommen. Erhoben wurden diese Daten mithilfe von Armbändern, die die Teilnehmer trugen. Danach mussten alle 24 Stunden ins Labor, wo stündlich der Melatoninspiegel gemessen wurde. Dabei sahen die Forscher, dass das elektrische Licht die innere Uhr der Studienteilnehmer im Winter um zwei Stunden und 36 Minuten nach hinten verschoben hatte – entgegen dem natürlichen Rhythmus. Danach ging ein Teil der Freiwilligen zum Wochenende nach Hause, die anderen jedoch bekamen Zelte und Campingausrüstung in die Hand gedrückt und verbrachten das ganze Wochenende im Freien – ohne elektrisches Licht. Am Montag kamen alle wieder ins Labor. Die Ergebnisse waren eindeutig, sagt Kenneth Wright.
    Spaziergänge und gedimmtes Licht helfen
    "Bei den Studienteilnehmern, die das Wochenende zu Hause verbracht haben, verschob sich die innere Uhr noch weiter nach hinten. Damit war für sie das Aufstehen am Montag noch schwerer. Wohingegen unsere Camper nach dem Wochenende die Uhr nach vorn stellen konnten und viel besser wieder im natürlichen Rhythmus waren. Diese Umstellung geht also sehr schnell vonstatten."
    Demnach reicht schon ein Wochenende, um die innere Uhr im Frühjahr wieder richtig zu eichen. Bereits Spaziergänge oder das Dimmen des Lichts am Abend helfen dabei, den natürlichen Rhythmus nicht ganz zu verlieren. Auf die Idee, die Frühjahrsmüdigkeit mit einem Campingausflug zu bekämpfen, kam Kenneth Wright übrigens nicht ganz zufällig. Er zeltet selbst öfter mal. Zuletzt allerdings im vergangenen Sommer:
    "Ich bin selbst Camper. Zuletzt war ich in den Rockies hier in Colorado unterwegs - allerdings im letzten Spätsommer."