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Im Trüben fischen?

Geologie.- Die Vulkanwolke aus Island hat nahezu den gesamten Flugverkehr über Europa lahmgelegt. Fluggesellschaften bemängeln, dass die computersimulierten Messungen der Staubwolke nicht aussagekräftig seien. Wissenschaftsjournalist Volker Mrasek erklärt im Interview mit Arndt Reuning, ob solche Einwände gerechtfertigt sind.

    Arndt Reuning: Monika Seynsche erklärte, wie man denn die Asche in der Luft nachweisen kann. Die Technik dafür existiert also. Dennoch haben viele Flugunternehmen Kritik geäußert, dass die Möglichkeiten zur Messung nicht ausgeschöpft worden seien, dass die Überwachung der Aschewolke zu spät angelaufen sei. Die Messflugzeuge seien nicht gestartet. Die Schließung des Luftraums sei nur aufgrund von Simulationen beschlossen worden. Dass die Fluggesellschaften darauf hinweisen, das ist natürlich verständlich, wenn man ihrer gewaltigen Verluste bedenkt. Aber ist das tatsächlich auch die volle Wahrheit. Das möchte ich nun von meinem Kollegen Volker Mrasek wissen. Herr Mrasek, stimmen denn die Vorwürfe, dass die Datenlage ein wenig dürftig ist?

    Volker Mrasek: Also die Vorwürfe stimmen insoweit, dass die Datenlage in dem Fall nicht optimal sein kann oder so optimal ist, wie man es vielleicht gerne hätte, aber sie als dürftig zu bezeichnen, da schießen die Leute, die das sagen, doch über das Ziel hinaus. Es ist schon richtig, wichtig oder das Wesentliche in dem Moment sind die Simulationsrechnungen. Also man hat den Vulkan, der Asche ausstößt und dann müssen Modellierer, die sogenannte Transport- und Verteilungsmodelle betreiben, schauen: Wie ist das Wetter der nächsten Tage? Wie ist die Zirkulation der Atmosphäre? Das sind Atmosphären-Zirkulationsmodelle. Und: Wo kann diese Wolke landen? Und eine wichtige Größe, die da einfließt, ist halt: Wie viel kommt aus diesem Vulkan heraus? Das andere, was jetzt im Vorbeitrag auch angesprochen worden ist, sind im Wesentlichen wissenschaftliche Messungen, gerade in diesem Lidar-Messnetz und die laufen permanent. Und die Forscher, die das betreiben – in Deutschland sitzen die zum Beispiel in Hamburg oder in München oder in Kühlungsborn an der Ostsee – die messen seit Donnerstag, wie sie sagen, wie verrückt. Kontinuierlich. Seit das Signal da war, haben die sich an ihre Computer gesetzt und schauen sich an, was da passiert und können eben auch nachweisen, dass da Vulkanasche in der Luft ist, allerdings nur immer in einer punktuellen Messung, also über Hamburg oder über Kühlungsborn, in Garmisch-Partenkirchen ist auch noch so ein Institut – also über Garmisch. Das heißt, das fließt jetzt nicht in dieses Warnsystem für die Luftfahrtgesellschaften ein. Das ist gestützt auf die Simulation. Aber diese Messung schaut man sich jetzt natürlich an und kann dann die Simulationsrechnung validieren, wie man sagen könnte oder wie man in dem Moment sagt. Also stimmt das, was die Simulationsrechnungen sagen.

    Reuning: Aber wenn man doch die Messungen hat: Wozu muss man denn da noch simulieren?

    Mrasek Die Simulation ist hier wichtig um zu sehen ... man braucht hier eine Vorhersage: Wo geht dieses Vulkan-Aerosol hin? Die Messungen sind wissenschaftliche Messungen, Punktmessungen. Was man jetzt gerne hätte, dass diese Echtzeitmessungen, die man da im Moment hat, auch einflößen, das funktioniert einfach nicht. Also es ist nicht so, dass diese Daten sofort in die Modelle eingespeist werden, um die jetzt akut aktuell zu verbessern. Aber diese Lidar-Messungen konnten zeigen, dass die Simulationen stimmen. Diese Vulkanasche ist ja vom Nordwesten her nach Deutschland eingewandert und dann hat sich der Vorhang nach Süden bis nach München hin zugezogen. Und die Lidar-Messungen haben diese Vulkanasche erfasst und die konnten diese Entwicklung zeigen und haben das bestätigt. Also man hat jetzt Messungen von Messgeräten am Boden, man hat auch Messungen von Satelliten, das klang auch an. Die haben bestätigt, dass diese Simulationsmodelle und –rechnungen nicht so falsch sind. Das heißt, da gehen zwei Dinge ineinander und wenn jetzt jemand behauptet, da stützt man sich ja nur auf Simulationen, dann können die Wissenschaftler mit ihren Lidar- und Laser-Messgeräten am Boden sagen: Natürlich, das sind nur Simulationen, aber wir können mit unseren Geräten zeigen, die stimmen. Und wir sehen momentan, dieses Vulkan-Aerosol, diese Vulkanasche über Deutschland und die verteilt sich gerade über einen ziemlich großen Höhenbereich von zwei bis 13 Kilometern, das zeigen die Lidar-Messgeräte. Die Dichte ist ein bisschen geringer geworden, also die Wolke war anfangs dichter, jetzt verteilt die sich über einen größeren Luftraum und die Partikelkonzentrationen scheinen eben nicht mehr so groß zu sein, das zeigen diese Bodenmessgeräte.

    Reuning: Bodenmessgeräte, Messgeräte in der Luft: Die Experten haben ja hier einen ganzen Werkzeugkoffer verschiedener Methoden. Die haben, denke ich auch, bestimmte Vorteile, bestimmte Nachteile. Welche eignet sich denn da für welchen Fall am besten?

    Mrasek: Die Lasermessgeräte haben eben den Nachteil, dass es nur Punktmessungen sind. Die stehen an einem Ort und machen eine Messung für diesen Ort. Und jetzt haben wir gehört: 25 Messstationen in Europa, das heißt, man hat 25 Punktmessungen. Und zwischendurch hat man keine Daten im Moment. Die Satelliten, die decken natürlich den ganzen Bereich ab. Es gibt geostationäre europäische Wettersatelliten, die stehen sehr weit hoch am Himmel. Der Zuständige steht über Afrika, der sieht das Gebiet auch. Da gibt es Satelliten in polaren Umlaufbahnen, die immer wieder über dieses Gebiet fliegen. Die haben natürlich eine beschränkte räumliche Auflösung und die können zum Beispiel das Vulkan-Aerosol nicht komplett im Höhenprofil zeigen, die sehen nur, welche maximale Höhe erreicht ist. Da kommt das Messsignal her. Das heißt, Messdaten von Meteosat-Satelliten zum Beispiel sagen: Die Messwolke ist bis acht Kilometer heute aufgestiegen oder bis 13 Kilometer. Mehr können die dann auch nicht. Was jetzt natürlich passieren wird: Wenn jetzt Flugzeuge aufsteigen, kriegt man tatsächlich ergänzende Informationen. Wenn jetzt die Falcon drei Stunden lang – das soll sie heute – durch diese Wolken fliegt, übrigens auch über die Lidar-Stationen, weil man da eine Referenz hat. Wenn das Flugzeug drei Stunden da durch fliegt, dann sammelt es die Partikel ein. Das heißt, das Flugzeug hat Saugrohre, die werden richtig eingesogen und dann werden die gezählt im Partikelzähler. Und dann bezieht man sie auf ein eingesaugtes Luftvolumen und dann können die Forscher sagen: Wir haben tatsächlich diese und jene Partikelkonzentration und dann hat man eine handfeste Messgröße.

    Reuning: Von dem Ist-Zustand aus: Wie sieht das denn mit der Zukunft aus? Gibt es da schon irgendwelche Abschätzungen?

    Mrasek Es gibt Abschätzungen für die Zukunft. Es ist so, dass dieser Vulkan ja nicht gleichbleibend aktiv ist, der hat am Anfang eine stärkere Eruption gehabt. Am Wochenende auch noch mal. Und nach Modellrechnungen, Simulationen wiederum, von denen wir ja jetzt wissen, die sind gar nicht so unzuverlässig, könnte es so sein, dass noch mal ein stärkerer Vulkan-Staubschwung morgen, spätestens morgen Abend nach Mitteleuropa weht, weil die Luftströmungen gerade wieder so sind. Das sagen die aktuellen Simulationen, das heißt, es ist sogar davon auszugehen: Momentan Entspannung, aber morgen könnte es schon wieder ein bisschen dicker kommen. Die Vulkansuppe wird wieder dicker.

    Reuning: Vielen Dank an meinen Kollegen Volker Mrasek.