Mittwoch, 01. Mai 2024

Archiv


Im Vakuum der Royals

In den Morgenstunden des 31. August 1997 kam aus Paris die Meldung von einem Autounfall, der die halbe Welt erschütterte: Die Kronprinzessin Diana war mit dem Auto gegen einen Betonpfeiler gerast, für die Insassen gab es keine Rettung. Von der Queen hörte man damals kein Wort der Trauer. Das haben ihr viele Briten übel genommen, darunter der Filmemacher Stephen Frears. In seinem neuesten Streifen "The Queen" geht es um diese Woche im August.

Von Josef Schnelle | 07.01.2007
    In der Geschichte der britischen Prinzessin Diana gibt es wie in den meisten Volksmärchen eine böse Königin. Bekanntlich starb die junge Frau, von bildgierigen Paparazzi auf Motorrädern verfolgt, auf einer Schnellstraße in Paris den Prinzessinnentod. Da war sie schon geschieden und damit vom Frühstückstisch des Königsschlosses verbannt aber immer noch die Mutter zweier Prinzen.

    Die ganze Welt trauerte, besonders aber trauerte England. Und was machte die böse Königin? Richtig - sie schwieg - eine ganze lange Woche. Beinahe hätten ihr die Untertanen in einem Meer von Blumen das ganze Königreich unter dem Hintern angezündet und die britischen Royals ein für alle Mal davon gejagt. Wäre da nicht ein junger aufstrebender sozialdemokratischer Politiker gewesen, der in dieser ersten Krise seiner Amtszeit als Premierminister die große Chance sah, umfassend aufzutrumpfen, ohne gleich Krieg führen zu müssen. So hört sich sein entscheidendes Telefonat mit der Queen an:

    Queen: "So handhaben wir das in unserem Land. Immer still und voller Würde. Dafür hat der Rest der Welt uns schon immer bewundert."

    Blair: "Eine Umfrage, die morgen früh erscheint kommt zu dem Ergebnis, dass 70 Prozent der Bevölkerung glaubt, dass ihr Handeln, der Monarchie schwer geschadet hat. Und jeder vierte befürwortet inzwischen die gänzliche Abschaffung der Monarchie."

    Tony Blairs Spin-Doktor fürs Grobe der politischen Schlagzeilen des politischen Geschäfts prägt mal schnell die griffige Formel von der "Königin des Volkes", später dann der Herzen, während Queen Elisabeth der Schwiegertochter mit Showtalent offensichtlich keine Träne nachweinte. Tony Blair musste sich beim Antrittsbesuch noch belehren lassen, er sei schon der zehnte Premier auf dem unbequemen Sofa und allein von Winston Churchill habe sie sich etwas sagen lassen. Damals als junges Mädchen auf dem Thron - als frisch gekrönte Medienmonarchin Elisabeth II. Und weil diese vornehme Zurechtweisung in keine Sprache der Welt so recht zu übersetzen ist, lauschen wir ihr mal eben im britisch-aristokratischen Original:

    Blair: " You obviously know my job better than I do. "

    Queen: "As well you are my tenth Prime Minister Mr. Blair. My first of course was Winston Churchill. He sat in your chair with front coat and top hat. He was kind enough to give a shy young girl like me quite an education."
    Trotz dieser kessen Sprüche versteht die Queen "die Welt" schon lange nicht mehr, hat ihr aber noch nicht den Rücken zugekehrt wir ihr ignoranter Prinzgemahl Philip, im Film eine Karikatur wie aus einem Monty-Python-Film. Elisabeth II dagegen wird, anfangs ein arrogantes, kaltes Schandmaul am Ende doch eine liebevoll gezeichnete sympathische Figur. Wohl fühlt sich die Queen nur in den weiten Ländereien von Balmoral Castel. Doch die wirken wie eine menschenleere Welt. Die Bilder aus der Fernsehkiste wirken dagegen sowieso immerzu unecht. Nur dort aber kann Elisabeth den Götzenkult der Blumengebinde für Lady Diana sehen. Und manchmal fühlt sie sich dann doch an die eigene gestohlene Jugend erinnert. Die Weisheit einer Jahrhunderte alten Aristokratie, die auf die eitlen Tagespolitiker der Neuzeit herabblickt wie auf Domestiken, besitzt sie natürlich auch. Das bekommt Blair gleich beim Antrittsbesuch zu spüren, auf den er von einem hochnäsigen Diener eingewiesen wird:

    "Noch ein paar andere Dinge. Es heißt Ma'm wie in Sam nicht Ma'm wie in Femme. Und wenn Sie in der Anwesenheit sind, drehen Sie ihr nicht den Rücken zu."

    Elisabeth die II aber scheint klüger geworden zu sein. Zur Überraschung aller lud sie die Filmcrew in den Buckinghampalast ein. So provokant und skandalös wie auf den ersten Blick ist dieser Film aus der Märchenwelt der Monarchie also gar nicht? Regisseur Stephan Frears widerspricht da keineswegs:

    "Ich finde auch nicht, dass es ein provokativer Film ist. Aber ich glaube dass die Fakten des Films sehr provokativ sind. Der Film selbst ist gar nicht sensationell, aber ihn überhaupt zu machen ist ziemlich sensationell."

    Nicht zuletzt wegen solcher Szenen: Einmal - mitten in der Krise stattet Elisabeth II aus ganzem Herzen einen respektvollen Trauerbesuch ab, dem kapitalen Hirschen, dem sie einmal plötzlich auf den Gütern von Balmoral begegnet ist. Von König zu König sozusagen. Die Fahnen des Buckinghampalastes hängen jedoch immer noch nicht auf Halbmast für Diana die Bürgerliche Prinzessin. Und Tony Blair pokert mit den Hofschranzen um die Zukunft der Monarchie, die an einer Geste des Respekts für die "Königin der Herzen" hängt. "Warum machst du das eigentlich." fragt Ehefrau Cherie Blair? Da kann einem so manches klar werden. Unter anderem, dass "The Queen" ein politischer Film voller überraschende Widerhaken ist. Und doch auch ein warmherziger Film. Wer diese Königin am Ende nicht irgendwie mag und einen Haufen Spaß gehabt hat, den sollte man in europäischen Parlamenten nicht einmal als Besucher zulassen. Soviel Royalismus muss sein.