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Im Visier: Der neue Vogelgrippen-Virus H7N9

Der neue Vogelgrippe-Erreger H7N9 ist in China zum ersten Mal von Tieren auf den Menschen übergesprungen. Einige Patienten sind bereits gestorben, bei anderen verläuft die Krankheit wiederum sehr mild. Wie weit das Virus unter den Vögeln verbreitet ist, kann nur schwer festgestellt werden. Grund: Die infizierten Tiere erkranken nicht.

Wissenschaftsjournalistin Marieke Degen im Gespräch mit Ralf Krauter | 08.04.2013
    Ralf Krauter: H7N9 – das könnte ein Kürzel sein, das man sich merken muss. Denn so bezeichnen Experten das neue Vogelgrippevirus. Der gefährliche Erreger ist in China zum ersten Mal von Tieren auf den Menschen übergesprungen – insgesamt 21 Fälle haben die Behörden inzwischen bestätigt. Sechs der Infizierten sind mittlerweile gestorben. Die Wissenschaftsjournalistin Marieke Degen hat die Entwicklung der neuen Vogelgrippe von Anfang an verfolgt und ist uns jetzt aus Berlin zugeschaltet. Frau Degen, wie geht es den 15 noch lebenden Infizierten denn zurzeit?

    Marieke Degen: Den meisten Patienten geht’s ziemlich schlecht. Aber bei Dreien verläuft die Grippe offenbar wohl eher mild. Und einer davon – ein vierjähriger Junge – ist wohl auch schon wieder gesund.

    Krauter: Um zu verhindern, dass sich das Virus weiter ausbreitet, müsste man ja vor allem wissen, wie und wo sich die Betroffenen angesteckt haben. Ist man denn bei der Suche nach den Quellen, dem Reservoir des Virus, schon weitergekommen?

    Degen: Nein, das ist man noch nicht. Also was man weiß, ist, dass viele der Erkrankten Kontakt zu Geflügel hatten. Man hat das Virus auch bei Tauben und Hühnern auf Geflügelmärkten gefunden. Da sind inzwischen 100.000 Vögel getötet worden, die Märkte geschlossen. Aber die Suche geht natürlich weiter – auch um zu sehen, wie weit sich das Virus schon ausgebreitet hat. Das Schwierige an der Sache ist, dass die infizierten Vögel nicht krank werden. Das heißt, man erkennt nicht gleich, wo das Virus zugeschlagen hat. Und deshalb muss man jetzt ganz großflächig die Geflügelfarmen durchtesten.

    Krauter: Weiß man denn schon, wie das Virus überhaupt auf so eine Geflügelfarm gekommen sein könnte? Also, wo kam der Erreger überhaupt zum erstem Mal her?

    Degen: Die chinesischen Behörden vermuten, dass Zugvögel das Virus eingeschleppt haben. Aber Beweise gibt es dafür noch nicht. Insofern ist das im Moment reine Spekulation.

    Krauter: H7N9, wir haben es schon gesagt, ist ein Vogelgrippevirus, das eben jetzt kürzlich erstmals auch Menschen befallen hat. Wie viel mehr weiß man denn jetzt schon über den Erreger? Es ist ja mittlerweile eine Woche vergangen, wahrscheinlich gab’s neue Erkenntnisse.

    Degen: Grippeforscher haben sich das Erbgut des Virus in der Zwischenzeit angeschaut. Und manche sagen, H7N9 sieht eigentlich gar nicht mehr aus wie ein Vogelgrippevirus. Das hat sich offenbar schon eher in Richtung Säugetiere angepasst. Also es kann möglicherweise leichter Säugetierzellen infizieren, als die Vogelgrippe das sonst kann. Und die Befürchtung ist eben schon da, dass sich das Virus in diese Richtung vielleicht weiterentwickelt und dann irgendwann wirklich das Zeug dazu hat, von Mensch zu Mensch zu springen. Das hat man nämlich bislang noch nicht beobachtet. Und das wäre verheerend, weil es für uns Menschen ein komplett neues Virus ist, gegen das wir auch überhaupt nicht gewappnet sind. Das heißt, dann könnte möglicherweise eine Pandemie drohen. Es könnte aber auch genauso gut sein, dass H7N9 einfach wieder verschwindet. Und auch deshalb müssen die Experten die Situation in China jetzt weiter sehr genau beobachten.

    Krauter: Wie kann man denn den Betroffenen helfen? Wirken die herkömmlichen Grippemittel bei H7N9?

    Degen: Ja, das Standard-Grippemittel Tamiflu soll helfen, genauso wie Relenza. Jetzt am Wochenende haben die chinesischen Behörden noch einen weiteren Wirkstoff zugelassen – Peramivir heißt der. Der wirkt ganz ähnlich wie der Wirkstoff von Tamiflu. Das heißt, er verhindert, dass sich die Grippeviren im Körper ausbreiten. Aber der Vorteil ist, dass man Peramivir intravenös geben kann. Und das ist natürlich praktisch für die Intensivstation. Die Patienten müssen dann keine Tabletten schlucken, oder keinen Saft schlucken, wenn sie dazu vielleicht schon gar nicht mehr in der Lage sind.

    Krauter: Es gibt also wirkende Grippemedikamente. Das ist ja erstmal eine gute Nachricht. Aber das langfristige Ziel – auch wenn man eine vielleicht drohende Pandemie eindämmen wollte – wäre es ja, einen Impfstoff gegen diese neue Art von Vogelgrippe zu entwickeln. Ist man da schon dran und wie weit ist man da schon?

    Degen: Der Impfstoff wird in der Tat gerade entwickelt, in den USA und auch in China. Aber erstmal wirklich nur für den Notfall. Also damit man praktisch einen Impfstoff auf Halde hat, wenn das Virus tatsächlich irgendwann von Mensch zu Mensch springen sollte. Nur die Sache ist die: Selbst dann würde es Monate dauern, bis der Impfstoff tatsächlich in Massen produziert werden könnte. Im Moment müssen sich die Menschen in China auf anderen Wegen vor dem Virus schützen. Sie sollten sich vor Vögeln fernhalten und sie sollten sich immer gut die Hände waschen. Das zumindest ist der Rat der Behörden im Moment.