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Im Westen ungeliebt

Das Museum heißt "Junge Kunst" und befindet sich in Frankfurt an der Oder. Es besitzt eine der bedeutendsten Sammlungen der Kunst aus dem Osten Deutschlands - über 11.000 Werke der Malerei, dazu Handzeichnungen und Aquarelle, Grafiken, Objekte und Installationen. In einem Teil der Ausstellungsräume werden nun Landschaftsbilder der DDR gezeigt - die Werke bieten einen Überblick über verschiedene Standpunkte: Spätimpressionistische Gestaltung, Expressionismus oder die Formensprache der Popkunst stehen da einander gegenüber. Und natürlich liegt in der scheinbar harmlosen Darstellung der Natur oft auch eine politische Position: wenn etwa einige Künstler die Errungenschaften der Industrialisierung loben - andere vor ihren Folgen warnen.

Von Carsten Probst | 24.02.2004
    Abgesehen von den großen Auftragswerken, den agitatorischen Stadtansichten mit rauchenden Schloten und glücklichen Familien, interessierten sich die Kulturfunktionäre der DDR für das Landschaftsgenre ausgesprochen wenig, es galt als kleinbürgerlich und damit als unpolitisch, als Privatmalerei. Doch für ein breiteres Kunstpublikum in der DDR bestand gerade darin auch der Reiz, die gemalten Landschaften gleichsam als Sinnbilder und Hintergrundbespielung für den demonstrativen Rückzug ins Private zu entdecken, der eigentlich ja der tätigen Mitwirkung am Aufbau des Sozialismus widersprach. Dieser Rückzug begann offenbar frühzeitig, in den fünfziger Jahren – und gerade in jenen Nischen der Kunst, in denen ganz ungeniert einer Wiedererstehung von Romantik und Biedermeier oder einem bukolischen Expressionismus gefrönt wurde. Armin Hauer, Kurator der Ausstellung:

    Im Endeffekt stehen die Künstler in der Tradition. Da gibt’s dann die historischen Landschaften wieder, die Sinnbilder, die allegorischen Landschaften, Industrielandschaften, Seestücke und so weiter. Also eigentlich sind sie voll in der Zeit des 19. und 20. Jahrhunderts drin und versuchen wieder neu zu formulieren, und da kommt eben so ein gewisser Aspekt herein, dass man versucht, den geschlossenen Garten wieder zu finden, hortus conclusus, also man will schon 'ne gewisse Innerlichkeit konservieren und etwas Schönes malen. Vor allem die Spätimpressionisten, Rosenhauer, Niemeyer-Holstein, Hans Jüchser, die Dresdner Malkultur.

    Der Gang durch diese Ausstellung mutet schon seltsam an. Die knapp neunzig Gemälde und Zeichnungen von 42 verschiedenen Künstlern, die Hauer gemeinsam mit Brigitte Rieger-Jähner aus Tausenden von Arbeiten ausgewählt hat, sind durchaus nicht die röhrenden Hirsche, die andernorts vielleicht zu fürchten gewesen wären. Es handelt sich im Gegenteil um diskrete, ernstgemeinte Kunst, eine fast kontemplative, farbig-gedämpfte Kunstaura, die hier beschworen wird, ganz im Spiel mit sich selbst befangen – auch dann, wenn wie bei Konrad Knebel oder Uwe Pfeifer die Tristesse der realsozialistischen Stadt ganz ungeschönt ins Bild gesetzt wird. Und selbst bei den spärlichen Versuchen des Dix-Schülers Willy Wolff, zur Pop Art aufzuschließen:
    Jeglicher ideologische Ballast ist in dieser Malerei ausgeblendet. Dafür aber ebenso jedes Anzeichen eines kritischen Subjektivismus. Armin Hauer:

    Wenn's Zweifel gibt, dann über die Thematiken, zum Beispiel Schieferdecker oder Janson, die ein bisschen kritisch Umweltverschmutzung in der DDR aufgearbeitet haben oder Uwe Pfeifer zum Beispiel. Aber dieses Vortragen der Kritik floss dann nicht in diese Strukturen ein, die Strukturen selbst sind nicht destruktiv, zerstörend, irritierend. Und das verunsichert einen ein bisschen, zum Schluss sagt man so: haben die Bilder überhaupt n Biss gehabt oder waren es am Ende wirklich bloß Bilder?

    Es ist eine hochspezifische Kunst, deren wesentliche Intention es zu sein schien, die Zeit stillstehen zu lassen. Immerhin, jene "Nur-Bilder" heute wieder zu zeigen, spricht durchaus für das Gespür der Frankfurter Ausstellungsmacher: Der Andrang zur Eröffnung ist groß. Es gibt offenkundig eine Sehnsucht nach vertrauten Bildwerten, meint Armin Hauer, selbst ein wenig überrascht. Seine Absicht, diese Bilder auch und vor allem als "Orakel" der gesellschaftlichen Binnenwahrnehmung der DDR zu beleuchten, wird nun möglicherweise nicht von jedem Besucher reflektiert.

    Dabei gäbe es in der Tat genügend Stoff, sich hier nach Kräften über das zu Sehende zu wundern. Wolfgang Mattheuer, bekanntlich auch im Westen zeitweilig als Star herumgereicht, ist mit einigen biedermeierlichen Interieurs und Miniaturen vertreten, die einer geradezu muffigen Privatheit des Künstlers Raum geben und sie in eine unfreiwillig direkte Beziehung zu seinen Auftragswerken bringen. Werner Tübke wiederum scheint zeitweilig ernsthaft mit dem Gedanken gespielt zu haben, die Renaissance noch einmal rückwärts zu überholen. Für Kurator Armin Hauer freilich sind auf diesem Feld gerade die Kuriosa das Signifikante:

    Mattheuer, Tübke vielleicht noch stärker, sind an und für sich postmoderne Maler. Aber die sind bitterernst, und die Ironie fehlt. Deswegen wirkt das heute n bisschen antiquiert, wenn sich ein Maler wie ein Krebs rückwärts bewegt, 19. Jahrhundert, über Menzel immer weiter zurück bis zu Bellini und was weiß ich zu Althoff und Dürer. Und das ist natürlich auch wiederum im heutigen Sinne 'ne Konzeptmalerei, also Mattheuer, Leipziger Schule vor allem, haben ganz gezielt auch auf Wirkung hinaus gearbeitet, und deswegen gleiten bestimmte Arbeiten auch ganz einfach ins Plakative ab.