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Im Zweifel für die Reisefreiheit

Bezüglich der Zeugen gilt selbstverständlich der Grundsatz, der für jede vernünftige Arbeit gilt, auch für die des Untersuchungsausschusses. Erst muss man sich schlau machen, um dann schlaue Fragen stellen zu können.

Von Matthias Thiel | 16.02.2005
    Ich will das mal zusammenfassen in der Bemerkung: schwerer Dilettantismus seitens der Union. Es werden da viele, viele Anträge, die man sich irgendwann mal ausgedacht hat, gestellt, das wird Schwierigkeiten machen.

    Also man kann mit Mehrheit nicht alles verhindern, aber man kann’s jedenfalls ein bisschen verschleppen. Aber irgendwann wird’s die Sonne an den Tag bringen. Es gibt keinen Anlass auf Dauer, die Zeugen zu verhindern, einen Ablehnungsgrund gibt es nicht.

    Ich bin nur fest davon überzeugt, dass wir das ruhig, gelassen, sachlich tun sollten und eben nicht mit der Aufgeregtheit, mit der Sie eben hier die Vertreter der Union gehört haben. Ich glaube, Sie stehen sich ein bisschen mit dieser Aufgeregtheit selbst im Weg

    Herr Scholz, wir sind doch nicht im Lügenausschuss, sondern im Schleuser-Ausschuss.

    Vielleicht ist dem einen oder anderen Mitglied im Untersuchungsausschuss zu empfehlen mitzukriegen, dass es hier ein ganz verantwortliches Gremium des deutschen Parlamentarismus und nicht die Schülerunion (ist), aber wir werden’s ja noch sehen.

    Politisches Stimmengewirr vor der ersten Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Visa-Affäre. Morgen beginnt der Visa-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages mit seinen öffentlichen Sitzungen. Dabei geht es zum einen um die Aufklärung des Sachverhalts, der zu der Einschleusung von Menschen vornehmlich aus der Ukraine nach Deutschland geführt hat. Aber es geht natürlich auch um die politische Verantwortung für diese Praktiken.

    Als dieser Ausschuss von der Opposition im Bundestag beantragt worden war, runzelten einige die Stirn. Mittlerweile aber macht sich in der Koalition ein wenig Unbehagen breit. Die immer wieder betonte Unterstützung für Außenminister Fischer, der nach dem Amtsverzicht des außenpolitischen Sprechers der Grünen im Bundestag, Volmer, in die Schusslinie der Opposition geraten ist, unterstreicht dies. Natürlich hat diese Nervosität auch damit zu tun, dass am kommenden Sonntag Landtagswahlen in Schleswig-Holstein stattfinden und eigentlich niemand so recht einschätzen kann, ob diese Affäre das Wahlverhalten noch beeinflussen kann.


    Kalter Putsch gegen die bestehende Gesetzeslage – Auswärtiges Amt und Bundesinnenministerium haben durch schweres Fehlverhalten bandenmäßige Schleusungen erst ermöglicht. Dem Angeklagten wurden die Straftaten gegen das Ausländergesetz auf allen Ebenen sehr leicht gemacht.

    Die heftigen Vorwürfe an die politisch Verantwortlichen in Berlin kommen vom Kölner Landgericht. In Ihrem Urteil gegen einen Deutsch-Ukrainer im Februar letzten Jahres gewähren die Richter deshalb sogar einen Strafrabatt von drei Jahren. Wegen gewerbs- und bandenmäßiger Einschleusung von Ausländern sowie Betrug in diesem Zusammenhang muss der Beschuldigte nur für fünf Jahre ins Gefängnis.

    Ankläger ist in diesem Verfahren der Kölner Oberstaatsanwalt Egbert Bülles. Er stellt bei seinen Ermittlungen schon im Sommer 2003 fest:

    Hier ist eigentlich erstmals ein Ermittlungskomplex ans Tageslicht gekommen, wo man quasi unter den Augen und mit Hilfe der Ministerien in größtem Stil Schleusungskriminalität durchgeführt hat.

    Schon die alte Bundesregierung unter Helmut Kohl bemüht sich um Einreiserleichterungen für Ausländer. 1995 soll die Erfüllung der Vorraussetzungen zur Visa-Erteilung mit der Einführung des "Carnet de Tourist" verbessert werden. Diese Versicherung dient zur Absicherung aller Kosten im Notfall, zum Beispiel bei einer eventuellen Krankheit.

    Der Besucher muss nicht nur einen plausiblen Reisegrund nachweisen können. Er muss auch belegen, dass er sich seinen Aufenthalt in Deutschland leisten kann und seine Wiederausreise finanziell gewährleistet ist.

    Daneben wird das so genannte Reisebüro–Verfahren eingeführt: Einreisewillige müssen nicht mehr persönlich in der deutschen Auslandvertretung erscheinen – ein Visum können sie auch im Reisebüro beantragen.

    Dadurch verstärkt sich der Run auf ein deutsches Visum. Die Botschaften in den Mitgliedstaaten der GUS sind überlastet, besonders die in der Ukraine. Bundesaußenminister Joschka Fischer:

    Der entscheidende Punkt für Kiew sind Reiseschutzpass-Verfahren und auch das Reisebüro-Verfahren, die von der Vorgänger-Regierung entwickelt wurden. Und hier gibt es einen direkten Zusammenhang mit der Vorgänger-Regierung, das wird dem Ausschuss darstellbar sein.

    Im Mittelpunkt des Bundestagsuntersuchungsausschusses stehen zwei Weisungen aus dem Hause Fischer. Denn rot-grün liberalisiert die Einreisepolitik entscheidend. Ab Oktober 1999 müssen Inhaber von Reiseschutzpässen Reisezweck und Rückkehrwillen nicht mehr nachweisen.

    Im März 2000 weist das Ministerium seine Botschaften an, im Zweifel für die Reisefreiheit zu entscheiden. Das ist der so genannte Volmer-Erlass.

    Es ging darum, Härtefälle, die es zuvor massenhaft gegeben hatte, zu vermeiden. Das ist auch gelungen. Dass später das Schleuser-Problem auftrat, konnte man zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnen.

    Ludger Volmer, Bündnis 90/Die Grünen, von 1998 bis 2002 Staatsminister im Auswärtigen Amt. Deutschland soll sich weltoffen, ausländer- und integrationsfreundlich darstellen. Nur noch die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer fehlenden Rückkehrbereitschaft rechtfertigt jetzt die Ablehnung eines Visums. Volmer:

    Dieser Erlass durchlief die gesamte Leiter des Auswärtigen Amtes und wurde von allen Ebenen mitgezeichnet.

    Schnell wächst die Zahl der Antragssteller gerade in der Visa-Stelle Kiew. Das Außenamt bittet die Botschaft, von genauen Prüfungen offenbar unrichtiger Reisebegründungen Abstand zu nehmen.

    Ab Mai 2001 wird ein weiterer Anbieter des so genannten Reiseschutzpasses zugelassen. Diese Versicherung kommt im Notfall für die Kosten bei Krankheit, Lebenshaltung oder Abschiebung auf und ersetzt eine Einladung oder Verpflichtungserklärung. In einer Weisung des Auswärtigen Amtes heißt es im Mai 2001:

    Dieser Reiseschutzpass ist anstelle der persönlichen Bürgschaft zu akzeptieren.

    Die Einführung des Reiseschutzpasses führte letztendlich dazu, dass Tausende von Osteuropäern, auch die Ukrainer, als angebliche Touristen nach Deutschland und anderen Schengen-Staaten, sprich: Spanien, Italien, Frankreich, Portugal, einreisten und hier illegal tätig wurden. Sei es in der Bauindustrie die Männer, und ein Großteil der Frauen wurde der Prostitution zugeführt,

    sagt der Kölner Oberstaatsanwalt Egbert Bülles. Er ermittelt inzwischen seit über dreieinhalb Jahren.

    Tarnfirmen, straff organisierte Banden, Erpressung.

    Schnell entwickelt sich ein Massenansturm auf die deutschen Botschaften, hauptsächlich in Kiew. Von mafiösen Zuständen ist dort die Rede. Lange Schlangen sind vor der Vertretung zu sehen. Der so genannte Ameisenhandel - das Geschäft mit den Reiseschutzpässen – blüht. Die Zahl der Anträge auf Erteilung eines Visums steigt um über 100 Prozent. 2001 werden alleine in der ukrainischen Hauptstadt 297.000 Sichtvermerke erteilt. Egbert Bülles:

    Es ist bekannt geworden, dass der Botschaft zahlreiche Indizien bekannt waren, dass vor der Botschaft zu Hunderten illegal Visa-Erschleichung durchgeführt wurde. Wir haben einen Bericht eines Verbindungsbeamten, der von mafiösen Strukturen vor der Botschaft spricht.

    Diese Masse an Anträgen überfordert die Behörden – auch in Deutschland. Plötzlich kommen nämlich hier viele Menschen auf die Idee, Freunde aus der Ukraine einzuladen. Ausländerämter – zum Beispiel in Köln – verweigern die notwendige Bonitätsprüfung für die Verpflichtungserklärungen. Diese eigentlich zwingende Vorraussetzung für die Erteilung eines Visums können in Deutschland lebende Bürger gegenüber der Ausländerbehörde erbringen, wenn sie für den ausländischen Touristen bürgen wollen. Seit 1998 gibt es die formgebundene Verpflichtungserklärung.

    Im Land Berlin zuständig ist dafür zentral das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten. Hier wird – anders als in Köln – genau hingesehen und die finanzielle Bonität des Einladenden anhand von Einkommensnachweisen überprüft. Abteilungsleiterin Doris Lerch hat aber in rund 20 Prozent der Fälle Zweifel:

    Bereits in den ersten Wochen ist es den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aufgefallen, dass doch einige Personen recht häufig erscheinen und Einladungen abgeben. Bedingt durch diese Auffälligkeiten des häufigen Erscheinens wurde die Entwicklung natürlich besonders aufmerksam beobachtet. Verpflichtungserklärungen wurden auch in persönlichen Gesprächen befragt zu ihrem Anliegen, und wir haben dann häufig bemerken können, dass diese Einladungen offensichtlich anderen Zwecken dienten, als es eigentlich sein sollte.

    Wenn wir zum Beispiel den Kunden fragen, wie heißt denn der Freund, den Sie hier für sechs Wochen einladen, und der antwortet Ihnen, na, das weiß ich doch nicht, das steht doch da – kommt man schon ein bisschen ins Grübeln. Wir haben dann also durchaus die Entgegennahme von Verpflichtungserklärungen abgelehnt in entsprechenden Fällen, oder wenn die Personen auf die Entgegennahme der Verpflichtungserklärung bestanden haben, haben wir also auch entsprechende Bemerkungen auf dieser Erklärung vermerkt.


    Eine weitere Merkwürdigkeit: Der illegale Handel mit den Verpflichtungserklärungen – Geld gegen Unterschrift für einen unbekannten Touristen aus der Ukraine – floriert nur dort, wo die Behörde nicht aufpasst. Anders ist dies im Land Berlin. Doris Lerch:

    Wir konnten also auch einige Male beobachten, wie Personen, die eine Verpflichtungserklärung bei uns abgegeben haben, aus dem Haus rausgegangen sind. Wir haben aus dem Fenster geguckt und haben dann gesehen, dass sie diese Verpflichtungserklärung einer dritten Person, die wir nicht kannten, ausgehändigt haben und dafür Geld bekommen haben. Das wurde auch weitergemeldet. Da sind auch Konsequenzen draus entstanden.

    Der Schwarzhandel mit Verpflichtungserklärungen ist also lange bekannt, genauso wie das schwunghafte Geschäft mit Blanko–Reiseschutzversicherungen vor der deutschen Botschaft in Kiew. Bis zu 1.000 Euro werden dafür gezahlt, stellt das Bundeskriminalamt fest.

    In Wiesbaden bildet das BKA im November 2001 eine Sonderermittlungskommission. Denn es gibt erhebliche Anhaltspunkte für Organisierte Kriminalität. Ergebnis: erhebliche Zunahme von Schleusungen durch Visa-Erschleichung. Die Beamten notieren:

    Folge sind Zwangsprostitution, Schwarzarbeit, Schutzgelderpressung und Menschenhandel.

    Auch der Bundesgrenzschutz beklagt sich. Das Reisebüroverfahren führe dazu, dass mit falschen Einladungen und fingierten Reisegründen gearbeitet wird und damit die unkontrollierte kriminelle Visa-Erschleichung verstärkt wird. Einreisegründe und Rückreisewillen sind im Reisebüroverfahren nicht zu prüfen. Der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Olaf Scholz:

    Das Reisebüroverfahren, das schon am Anfang der 90er Jahre, also vor der rot-grünen Regierung, noch unter Kinkel und Kanther etabliert worden ist, das ist dann plötzlich sehr missbraucht worden. Innerhalb eines Jahres, nachdem der Missbrauch so zugenommen hatte, ist das dann beendet worden. Gleich danach ist dann der Missbrauch erkennbar intensiver geworden mit der Reiseschutzversicherung. Auch das ist dann innerhalb von noch nicht einmal einem Jahr beendet worden.

    Hinweise aus Kiew auf den massenhaften Missbrauch der Reiseschutzpässe werden in Berlin ignoriert. Erst im Juni 2002 stoppt das Auswärtige Amt die Verwendung von Papieren einer als unseriös erkannten Firma. Allerdings lizensiert die Behörde wenig später ein weiteres Unternehmen, gegen das das Landeskriminalamt Berlin schon wegen illegaler Einschleusungen ermittelt. Das Bundeskriminalamt rechnet genau diese Gesellschaft dem Bereich der Organisierten Kriminalität zu und rät von der Genehmigung zur Ausstellung von Reiseschutzpässen ab. Eckardt von Klaeden, der Obmann der Union im Untersuchungsausschuss:

    Die Reiseschutzpässe haben dazu geführt, nach entsprechenden Anweisungen des Auswärtigen Amtes, dass weder die Bonität der Einladenden überprüft wurde, noch die Rückkehrbereitschaft derjenigen, die die Visa-Anträge stellen, auch nicht die Glaubhaftigkeit ihres Vortrages, also Reisezweck, Reiseziel usw.

    Man hat im Grunde die Reiseschutzpässe als einen Nachweis für die Rückkehrbereitschaft für die Richtigkeit der angegebenen Reiseziele und des Reisezwecks genommen. Das ist ein klarer Missbrauch dieser Reiseschutzpässe gewesen. Und diese Praxis des Auswärtigen Amtes hat wiederum Kriminelle dann motiviert, selber Reiseschutzpässe herauszugeben. Denn das ist ja ein lohnendes Geschäft, wenn man Menschen nach Europa schmuggelt, die eine Rückkehrversicherung abschließen, aber gar nicht zurückkehren wollen oder nicht zurückkehren können. Dann kann logischerweise der Versicherungsfall nicht eintreten, d.h. ich muss keine Versicherungsleistung erbringen, dann ist das ein Bombengeschäft, im Grunde eine Lizenz zum Gelddrucken.


    Das Auswärtige Amt hat auch auf frühzeitige Warnungen des Bundesinnenministeriums nicht gehört. Schon zwei Tage nach dem Volmer-Erlass schrieb Otto Schily an Joschka Fischer:

    Diese Weisung steht im Widerspruch zum nationalen Visa-Recht und zu allen Vereinbarungen mit den Schengen-Staaten.

    Zudem fehle die Ressortabstimmung. Noch einmal Eckardt von Klaeden:

    Wir wissen, dass das BMI immer wieder gewarnt hat vor der Visums-Verteilungspraxis des Auswärtigen Amtes. Wir wissen andererseits aber auch, dass diesen Warnungen letztlich keine Konsequenzen gefolgt sind. Also wir wissen immer wieder von Kritik, von Warnungen des Innenministeriums gegenüber dem Auswärtigen Amt.

    Aber wir haben auch den Eindruck, dass das Innenministerium keine Konsequenzen daraus gezogen hat. Wenn die Umstände so sind, wie das Bundesinnenministerium sie geschildert hat, und daran haben wir keinen Zweifel, dann hätte Schily entschieden demonstrieren müssen und hätte sich nicht mit Briefen von Staatssekretären auf seine Briefe an Fischer hin abspeisen lassen dürfen.


    Noch bevor das Bundeskriminalamt den Bericht seiner Sonderkommission vorlegt, schreibt BKA-Vizepräsident Bernhard Falk an den Innenminister. Er bezeichnet im Mai 2002 die deutsche Botschaft in Kiew als Brennpunkt der Visa-Erschleichung. Die innere Sicherheit Deutschlands sei bedroht. Die Reisebüroversicherungen würden überwiegend von Reisebüros vertrieben, die bereits Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungsverfahren seien.

    Wie Außenminister Joschka Fischer will auch sein Kollege vom Innenressort erst im Untersuchungsausschuss über die Vorgänge reden. Otto Schily:

    Ich muss Sie bitten um Geduld. Wann immer sich da dann die Möglichkeit ergibt, dazu Stellung zu nehmen, werde ich das dort tun. Aber nicht in irgendwelchen vorweggenommenen Presseerklärungen oder Pressekonferenzen.

    Frühzeitig ruft die Botschaft in Kiew um Hilfe: Wir werden von Antragstellern mit Reiseschutzpässen überrollt, heißt es.

    2002 verfügt das Auswärtige Amt nämlich in einem Runderlass, dass diese Dokumente auch im Ausland verkauft werden dürfen. Bereits einen Monat später steht in einem Fernschreiben aus Kiew:

    Die Zustände vor der Visa-Stelle drohen angesichts des täglichen Ansturms von bis zu 2.000 Antragsstellern zu eskalieren.

    Jerzy Montag, Obmann der Bündnisgrünen im Untersuchungsausschuss, ist überzeugt, dass die Einfallstore für kriminelle Schleuserbanden nicht zu spät geschlossen wurden:

    Das Reisebüroverfahren gibt es seit den 90er Jahren und wurde in Richtung auf die Ukraine im August 2001 eingestellt. Es gilt natürlich für andere Länder, in denen es keine Probleme gegeben hat, durchaus weiter; diese ganzen Einstellungen sind immer fallbezogen erfolgt. Da, wo Probleme auftauchten, da wurde dann reagiert.

    Bezüglich der Reiseschutzpässe haben wir eine fallbezogene Entscheidung. Die Anbieter von Reiseschutzpässen hatten einen Anspruch darauf, solange sie als Unbescholtene galten, dass ihre Produkte auch anerkannt worden sind. Das Auswärtige Amt hat immer dann, wenn die Sicherheits- oder die Ermittlungsbehörden Mitteilung gaben über die Unzuverlässigkeit, reagiert – immer bezogen wiederum auf die Ukraine und auf Kiew, wo die Probleme aufgetaucht sind.


    Die rot-grüne Verteidigungslinie lautet jetzt:

    Sicher gab es zehntausendfache illegale Visa-Erschleichungen. Dies hat aber mit dem Volmer-Erlass vom März 2000 überhaupt nichts zu tun. Schuld sind die anderen. Außerdem haben wir schnell reagiert. Noch einmal Olaf Scholz, SPD:

    Ich bin überzeugt, dass die schon in den 90er Jahren, schon 95 und Anfang der 90er Jahre etablierten Verfahren mit den Schutzversicherungen für die Krankheitskosten von Touristen, die aus diesen Ländern zu uns kommen, mit der Möglichkeit, über ein Reisebüro etwas vereinfacht die Antragsformulare einzureichen, missbraucht worden sind und viel wichtiger waren als z.B. der Erlass, den Herr Volmer verantwortet hat. Der hat auch seine Bedeutung gehabt. Aber im Mittelpunkt stehen wohl diese Dinge, die viel älter sind als die jetzige Regierung, und wo es gut ist, dass die jetzige Regierung sie zu einem richtigen Zeitpunkt beendet hat.

    Das ist wirklich lächerlich, sagt Norbert Röttgen, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU:

    Rot-Grün regiert seit 1998. Den Erlass von Fischer gibt es seit dem Jahr 2000, da hat die CDU leider nicht mehr regiert, und im übrigen sind die Missstände eben nicht schnell abgestellt worden. Der Erlass ist im Jahre 2004 aufgehoben worden, er ist im Jahre 2000 erlassen worden. Also jahrelang hat sich ein Missstand ergeben, hunderttausendfach – das ist keine Übertreibung, sondern das steht fest – ist es zu Missbrauch gekommen, zu Organisierter Kriminalität, und wenn Herr Montag dann sagt, es sei schnell abgestellt worden, dann ist das schlicht die Unwahrheit.

    Und es zeigt, dass die Grünen ein richtiges moralisches Problem bekommen, indem sie sich nicht von ihrem Übervater distanzieren können. Sie hängen an Fischer, und er wird sie mit in den Abgrund ziehen, wenn sie sich nicht distanzieren von ihm.


    Eine der Schlüsselfiguren im illegalen Handel mit den Reiseschutzpässen ist übrigens ein Kaufmann aus Weinsberg. In Berlin ging er ein und aus. Die Schleuserkriminalität hätte zum größten Teil verhindert werden können, hätte es keine Unterstützung in den Berliner Ministerien gegeben, stellen Staatsanwälte in Köln und Berlin fest. Ermittlungsverfahren gegen Beamte wegen Bestechlichkeit laufen, der Kaufmann ist angeklagt.

    Bleibt die Frage der politischen Verantwortung Joschka Fischers.

    Ich kann nur nochmals betonen, dass es klar ist, dass aus meiner Sicht die Frage des Agierens das Entscheidende ist. Wir haben diese Fehler abgestellt, wir haben Versäumnisse unterbunden. Ich sage nochmals, ich stehe zu den Fehlern, die gemacht wurden, und dann als Minister,

    sagt er.