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''Imeneo'' und ''Teseo''

Die Beweislage ist dünn – ähnlich einigen weltpolitischen Verwicklungen derzeit. Händel ein Franzose? Immerhin Glück gehabt. Nach zwei Jahren, in denen man in Halle die britischen Bindungen des in London lebenden deutschen Komponisten italienischer Opern besonders hervorkitzelte und auch entsprechende "Schirmträger" bat zum Festival an die Saale, blickte man in diesem Jahr zum Bruder Frankreich.

Georg-Friedrich Kühn berichtet |
    Die als Beweis aber des auch "französischen" Geschmacks in Händels Werk herangezogene frühe Oper Teseo bietet wenig Anhaltspunkte. Zwar finden sich einige dramaturgische Anregungen der französischen Hofoper Lullys: wie eine komplexere, dabei drangvollere 5-aktige Erzählstruktur, größere orchestrale Pracht, tänzerische Einlagen.

    Aber ansonsten ist das italienische Barockoper aus dem Bilderbuch mit unsinnigen mythologischen Verquickungen und überbordenden höfischen Intrigen, wo ein Theseus als Kriegsheld und Liebhaber konkurriert gegen den lokalen König, und eine Medea als zaubernde Oberintrigantin die Fäden zieht und noch andere ins Unglück zu stürzen versucht, bis endlich die Götter einschreiten.

    Immerhin einige berauschende Arien hat dies Werk von anno 1713. Von dem Counter Axel Köhler als Regisseur wurde Teseo mit ein paar Gags im Asterix-und-Obelix-Stil gewürzt im kleinen Lauchstädter Goethe-Theater als Koproduktion mit den Festwochen Hannover Herrenhausen und dem Bayreuther Barockfestival unter der lebendigen musikalischen Leitung von Wolfgang Katschner. Umjubelter Star: Maria Riccarda Wesseling als strippenziehende Medea.

    Von ganz anderem Kaliber ist die 1740 entstandene vorletzte Oper Imeneo. Da war Händels Londoner Adelsoper längst die Themse hinunter, und er auf der Suche nach einem neuen Publikum.

    Was dann wiederum zwei Jahrzehnte später bei dem Wiener Team Gluck/Calzabigi als "Reformoper" reüssierte, ist hier schon angelegt: eine Konzentration auf wirkliche menschlich-dramatische Konflikte ohne Mythenbrimborium und höfische Intrigen. Ein Werk an der Zeitenwende.

    Im Mittelpunkt eine junge Frau, Rosmene, die sich entscheiden soll zwischen einem Mann, der sie aus den Händen von Piraten befreit hat und den auch ihr regierender Vater als Schwiegersohn will, Imeneo, oder dem Mann, den sie liebt von Herzen, Tirinto. Sie entscheidet sich, nach einer kurzen vorgetäuschten Flucht diesmal in den Wahnsinn, für den Mann der Vernunft. Und die Vernunft – es handelt sich bei Imeneo wohl um eine vorgehaltene Hochzeitsoper für den englischen Hof -, die Vernunft steht hier noch ganz im Widerspruch zu den Gefühlen.

    Die Inszenierung von Michael McCaffery als Beitrag des Opernhauses kommt über ein Arrangement in der preziösen Ausstattung von Frank Philipp Schlößmann nicht hinaus.

    Mit Ulrike Schneider als der verletzte Liebhaber Tirinto und Alexandra Coku als umworbene Rosmene hat man allerdings erste Sänger aufzubieten. Und in den in die Handlung auch eingreifenden Chören hat Händel mit den gelegentlichen Unisono-Einwürfen auch ästhetisch einiges an neuer Einfachheit wie an Sturm und Drang vorweggenommen, wenn auch nicht so konsequent.

    Gluck und Händel trafen übrigens einige Jahre danach einander in London. Sie veranstalteten ein gemeinsames Konzert. Und Gluck gab später zu Protokoll, er habe Wesentliches für seine weitere Entwicklung von dieser Begegnung auf der Insel profitiert. Händel allerdings blickte eher spöttisch auf den Kollegen vom Festland. Die kontrapunktischen Künste wie er verstand der nicht. Aber eben das war des Jüngeren Chance.

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