Sonntag, 28. April 2024

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Immaterielles Weltkulturerbe
Die Anklöpfler im Unterinntal

Die Umgebung der alten Grenzstadt Kufstein im Unterinntal ist für altes und neues Brauchtum bekannt. Beim einem Perchtenlauf vertreiben junge Männer mit Trommelwirbel und Feuerzauber die bösen Wintergeister. Leiser und besinnlicher begehen die Anklöpfler mit Männergesang und Akkordeon die Vorweihnachtszeit - dieser Brauch zählt zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO.

Von Katrin Kühne | 20.12.2015
    Tiroler Brauch: Beim Anklöpfern - hier eine Gruppe aus Oberau Wildschönau - geht es um die Herbergssuche von Maria und Josef in Bethlehem
    Tiroler Brauch: Beim Anklöpfern - hier eine Gruppe aus Oberau Wildschönau - geht es um die Herbergssuche von Maria und Josef in Bethlehem (Imago)
    "Willkommen in Kufstein, der sogenannten 'Perle von Tirol', wie man es aus dem 'Kufsteiner Lied' kennt und ist heute die letzte Tiroler Stadt vor der bayerisch-deutschen Grenze."
    Professionell dick vermummelt gegen die Kälte ist Stadt- und Festungsspezialistin Elisabeth, als wir uns zum Punsch auf dem kinderfröhlichen Weihnachtsmarkt am Stadtpark treffen. Die Kleinsten umlagern das Nostalgie-Eisenbähnle, die etwas Größeren versuchen sich im Stockbrotbraten über dem Feuerkessel, auf die ganz Großen wartet Deftiges wie Schlutzkrapfen und gebratene Teig-Blattln mit Kraut zum Glühwein.
    Nur ein paar Schritte sind es von hier zum Neuhof am Fuß der Festung zu Kufstein - denn nichts ist weit in der Altstadt mit festlich erleuchtetem Oberen und Unteren Stadtplatz.
    Weihnachtszauber in Kufstein
    Rund 90 Meter überragt die weiße Trutzburg mit ihren charakteristischen Rundtürmen die Stadt. Jahrhundertelang umkämpfter Zankapfel zwischen Bayern und Tirolern, so die geschichtskundige Elisabeth.
    Der Festungsbau ist architektonisches und zugleich akkustisches Wahrzeichen der Stadt. Im Neuhof befindet sich der Spieltisch der Heldenorgel, deren knapp 5000 Orgel-Pfeifen hoch oben im Bürgerturm beim täglichen 12-Uhr-Konzert an die Toten der beiden Weltkriege erinnern.
    Die erstmals 1205 erwähnte Verteidigungsanlage diente als Gefängnis und Garnisonsquartier.
    In deren angenehm beheizten Kasematten-Gängen findet an den Adventswochenenden der "Weihnachtszauber" statt. Ein kleiner, feiner Kunsthandwerkermarkt. Eine ehemalige Klostertradition beispielsweise ist das Herstellen von "Krüll", das man dort bestaunen kann. Millimeter schmale Papierstreifchen, eben "Krüll", werden aufgerollt und zu kleinen Kunstwerken zusammengefügt. Marien-Figürchen in goldfarbenen Walnusshälften werden so mit feinsten Dekors umgeben.
    Ebbser Klöpfler-Chor
    Von den Wehrgängen der Burg hat man einen weiten Blick über das Inntal. Nach Norden schaut man Richtung Kiefersfelden. Gegenüber auf der österreichischen Seite liegt die kleine Gemeinde Ebbs. Dort gibt es nicht nur das in ganz Österreich bekannte Gestüt der Haflinger-Pferde, sondern auch die "Anklöpfler" mit ihrem besonderen Brauch.
    Obmann Albert Schmider von den Ebbser Anklöpflern hat die pressfrische Advents-CD des 4-stimmigen Männerchores in den Gasthof mitgebracht.
    Die 15 Herren, allesamt den reiferen Semestern zugehörend, plaudern noch ein wenig vor ihrem Auftritt im Gasthof. Übrigens auch die Jüngeren unter den Ebbsern gehen wieder "klöpfeln".
    Mittvierziger Albert Schmider ist der jüngste in seinem Senioren-Klöpfler-Chor.
    "Das Anklöpfeln ist ein jahrhundertealtes Brauchtum bei uns und vor allem gibt es das so, wie wir es machen, nur im Tiroler Unterland. Es gehört seit ein paar Jahren zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO und im Wesentlichen geht es um die Herbergssuche."
    Die Herbergssuche von Maria und Josef in Bethlehem.
    Singen für Speck und Schnaps
    "Es kommt denn jetzt bald die Geburt Christi und in der Adventszeit gibt es die sogenannten Klöpfelnächte, eigentlich die Donnerstage vor Weihnachten und da sind früher die Mägde und Knechte von Haus zu Haus oder von Hof zu Hof gezogen um damals ihr karges Dasein ein bisschen aufzubessern. Sie haben ganz spezielle Lieder gesungen, nicht so 'Jingle Bells' wie heute, sondern sehr viele Marien-angehauchte Lieder, und haben dann die Frohe Botschaft verkündet."
    Damals sang das Gesinde für Speck und Schnaps, heute spenden die "Anklöpfler" die Gage ihrer Auftritte in Lokalen und auf Weihnachtsfeiern für soziale Einrichtungen in Ebbs und für Projekte wie Brunnenbauten in Afrika.
    Der Chor-Obmann, mit Vollbart unter dem Schlapphut, ist zünftig gewandet: Loden-Cape, Janker und Rehlederne wie seine anderen Mitstreiter, die aus den verschiedensten Berufen stammen, vom "Aussteiger" wie er selber – "gewesener" Telekommunikations-Manager, über den Dorf-Organisten bis zum Bauern und Rechtsanwalt.
    "Stade-Zeit"
    "Sie sind auch als Hirten verkleidet und es ist immer eine Mischung aus Gesang und Sprüchen, teilweise sind die Sprüche ein bisschen lustig, und teilweise sind die Sprüche aber auch so, dass sie zum Nachdenken anregen. Es ist ja auch die 'Stade-Zeit'."
    Die "Stade Zeit", die so "stade" heute nicht mehr ist - die "Stille Zeit vor Weihnachten". Das Stress-Hamsterrad dreht sich für die meisten von uns vor Heilig Abend noch schneller als sonst, findet das ehemalige Mitglied einer Heavy-Metall-Band Schmider.
    "Für mich war es früher, bevor ich zum Anklöpfeln gegangen bin, immer so, wenn die Anklöpfler da waren, dann hat Weihnachten kommen können."
    "Ja, mir sans die Klöpfeler."
    "Wenn man dann sieht die kleinen Kinder, die dann dastehen mit Glanz in den Augen ja? Und dann 'da, was ist jetzt da, dann kommen so komische Gestalten und haben da Laternen dabei und klopfen an der Tür und dann singen's schöne Lieder', also meistens schöne Lieder."
    Pause für das Hamsterrad der Vorweihnachtshektik
    Rund zwanzig Minuten dauert das fünfteilige "Ebbser Klöpfelspiel" mit Liedern und Zwischentexten, die der Situation nach ex tempore verändert werden. Vor fünfunddreißig Jahren von dem Mundartdichter Sepp Landmann verfasst, trug Georg Anker, der damalige Chorleiter, die alten Volkslieder dafür zusammen.
    "Wo san denn die Schafersbuam ..."
    In der bis auf die brennenden Kerzen abgedunkelten Gasthofstube breitet sich langsam eine ruhige, besinnliche Atmosphäre aus. Das Hamsterrad der Vorweihnachtshektik hält für einen Moment an.
    "Wann's Ihr begegnet's die zwei Herbergsleut', für jeden a Platzl noch geit, macht's auf Eure Herzen, sperrt die Tür nit zu, heut kimmt der Heiland, bringt Frieden und Ruhe."
    Dieser Beitrag wurde von der Österreich Werbung unterstützt.