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Immer auf der Lauer nach den großen Gesten

Ihr Arbeitsplatz ist das Stadion, die Sporthalle oder der Straßenrand. Sie sind immer auf der Lauer, warten auf den entscheidenden Moment, auf große Gesten- die Sportfotografen. In den letzten Jahren hat sich gerade durch die Digitalfotografie ihr Alltag sehr verändert.

Von Frank Ulbricht |
    Tausend Bilder in 90 Minuten? Heute kein Problem mehr. Jeder Moment wird festgehalten, jede Geste abgelichtet. Das sorgt für eine Bilderflut und hat nicht nur die Fotografie, sondern auch den Sport und die Sportler verändert.

    Ein Bundesligaspiel im verregneten Dortmunder Stadion. Während über 80.000 ihrer Mannschaft zujubeln, hocken an den Seitenlinien fast 100 Fotografen. Alex Simoes, mit schwarzen Haaren und Regenjacke ist einer von ihnen. An jedem Wochenende, seit über 14 Jahren fotografiert er in der Fußball-Bundeliga. Simoes ist leidenschaftlicher Fotograf und fußballverrückt. Unter den Kollegen gilt er als Haus- und Hofberichterstatter von Borussia Dortmund. Doch ein gewisse Distanz, den kritischen Blick will er sich bewahren. Wenn die Mannschaft schlecht spielt, dann sollen das seine Fotos auch zeigen. Und enttäuschte Trainer, Spieler die am Boden liegen, das verkauft sich gut. Um die besten Bilder zu bekommen, hat Simoes im Dortmunder Stadion seinen Stammplatz. Links, wenige Meter neben Trainer Jürgen Klopp.

    "Ich sitze ganz gern neben dem Klopp. Weil ich so einfach mit sauberem, schönem Hintergrund den Klopp fotografieren kann, von dieser Position. Aus meiner Erfahrung von den Jahren her weiß man einfach, wo man sitzt, wo es ganz gut ist. Wenn ich jetzt woanders sitze, dann sehen die Bilder auch anders aus, dann ist der Stil der Fotografie auch anders. Jetzt in diesem Fall, für mich, ich denke mal, dass Klopp auch Thema ist. Weil, er ist ein Erfolgstrainer. Klopp ist einer der Trainer, die in Deutschland gern gedruckt werden von den Zeitungen. Und das muss man dann auch nutzen und auch mitnehmen. Weil, man möchte ja auch seine Bilder in der Zeitung sehen."

    Für ein Bild verdient Simoes zwischen 20 und 50 Euro, das ist wenig. Die meisten Zeitungen bezahlen die Fotografen wie vor 20 Jahren. Sie können sich das leisten. Denn nie zuvor gab es mehr Sportfotografen und vor allem Bilder auf dem Markt. Die Zeitungen profitieren vom Konkurrenzkampf. Einige Fotoagenturen bieten für einen geringen Pauschalpreis komplette Bilderserien an. Das macht Simoes nicht. Aber um konkurrenzfähige Fotos zu liefern, kauft er alle zwei Jahre eine neue Kamera. Am Spielfeldrand hat der 39jährige auch immer seinen Laptop dabei. Damit, bearbeitet er die besten Bilder schon während des Spiels und schickt sie direkt an die Zeitungen. Auf Fouls oder Torschüsse kann sich der Fotograf dann kaum konzentrieren.

    "Wenn da jetzt was passiert, muss ich halt schnell sein, reagieren, Kamera hochreißen, fotografieren. Cool bleiben, das ist die Devise. Wenn was passiert, so wie jetzt, dann wird man halt nervös, man reißt die Kamera hoch, man muss halt gucken. Jetzt halte ich die Kamera mit einer Hand fest und mit der anderen bediene ich das Laptop. Ich mach jetzt die Ausschnitte, dann korrigiere ich noch ein bisschen die Farbe oder die Dichte, sprich hell oder dunkel. Weil nicht immer ist das alles optimal. Also im Prinzip mach ich Laborarbeit."

    Sportfotograf Timm Kölln verbringt seine Arbeitszeit vor allem auf der Straße, er fotografiert überwiegend Radsport. Für sein Buch ("The Pelleton") reiste er in den letzten fünf Jahre zu jedem wichtigen Rennen, quer durch Europa. Fast 160 Profis hat er dafür portraitiert. Er trifft die Fahrer direkt nach einer Etappe, will ihre Anspannung und Erschöpfung fotografieren. Alles soll echt sein, keine Posen. Dazu braucht der 34-jährige nur zwei Dinge: eine Fotoleinwand und seine Kleinbildkamera mit schwarzweiß- Film. Maximal fünf Aufnahmen macht Kölln von jedem Sportler.

    "Die Fahrer sind über die Ziellinie gekommen und die Verabredung und Ansage von mir war eben, dass sie direkt zur mir kommen oder ich sie abhole. Das heißt, ich habe versucht sehr, sehr schnell zu fotografieren und viele Bilder sind auch innerhalb weniger Minuten entstanden, maximal fünf. Weil es mir immer um diese ersten Momente ging. Was für eine Körperhaltung nimmt man ein und wie guckt jemand. Also wenn man spontan guckt, guckt man am besten. Die Körperspannung sollte so echt sein wie es ging, wie ein Duell. Ja, man steht da und es muss knacken."

    Um die aufwendigen Reisen zu finanzieren, arbeitet Timm Kölln gleichzeitig für Radsportmagazine. Die zahlen besser. Pro Bild bekommt er mehr als 50 Euro. Als klassischer Pressefotograf sieht er sich jedoch nicht. Kölln sucht auch immer abseitige Motive, fotografiert die Fahrer in spartanischen Hotelzimmern oder beim Einkaufen im französischen Dorfladen. Trotz aller Nähe, seine gesunde, kritische Haltung, wie der Fotograf es sagt, hat er nie verloren. 2006 steht er an einem Wendepunkt. Der Blutdopingskandal um den spanischen Arzt Fuentes lässt den Radsport und auch den Fotografen nicht mehr los. Kölln, selbst Rennradfahrer, widmet sein Buchprojekt kurzerhand um. Eigentlich will er zeigen, wie sich mit den Jahren die Gesichter der Fahrer verändern, welche Spuren die Strapazen hinterlassen. Doch seitdem hat der 34jährige besonders ein Ziel: Er möchte eine Sportlergeneration portraitieren, die stets mit Doping in Verbindung gebracht wird.

    "Durch diese ganze Problematik, durch diese ganze Polemik, durch diese ganze Unsicherheit und auch Schwierigkeit das richtig einzuschätzen, für uns und auch für Leute die im Sport drin sind, fand ich das erzählenswert. Weil ich denke, dass diese Zeit, diese turbulente Zeit für etwas steht, also für große Veränderungen im Sport. Und das waren die Fahrer, die das durchgemacht haben. Also, ich hab Fahrer gesucht, die also besonders umstritten sind. Und hab ein Bild, wo ich auch dankbar bin für den Moment den der mir gegeben hat, Ivan Basso. Der für zwei Jahre gesperrt war, großer Dopingskandal, und den hab ich während seiner Sperre fotografiert."

    Dortmunder Stadion gegen Alpe d'Huez, Schwarzweiß- Film contra Digitalfotografie.
    Der Arbeitsalltag von Alex Simoes und Timm Kölln unterscheidet sich sehr. Doch die beiden Sportfotografen wollen mit ihren Bildern Geschichten erzählen und sind stolz, wenn ihre Fotos veröffentlicht werden. Für Alex Simoes ist deshalb klar; beim nächsten Trainingslager von Borussia Dortmund ist er wieder dabei.