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Immer auf Route per Autopilot

Biologie. - Jeden Herbst machen sich Millionen Zugvögel auf den Weg nach Afrika. Selbst Jungtiere auf dem Jungfernflug finden ihr Ziel. Dabei orientieren sie sich ebenso an den Gestirnen wie auch am Magnetfeld. Ein besonderes Hirnzentrum koordiniert diese Daten, glauben Oldenburger Forscher.

Von Anne Johann |
    Umgeben von roten Backsteingebäuden steht auf dem Oldenburger Campus ein einstöckiges Holzhaus. Kein Baustahl soll die innere "Kompassnadel" der Vögel durcheinander bringen, die Dr. Henrik Mouritsen mit seinen Kollegen untersucht. Die Biologen wollen wissen, wie Zugvögel bei Nacht ihren Kurs bestimmen. Dass den Vögeln dabei das Magnetfeld der Erde hilft, war schon länger bekannt. Es gibt aber erst seit kurzem konkrete Hinweise, mit welchem Sinnesorgan die Zugvögel das Magnetfeld wahrnehmen.

    "Seit ein paar Jahren ließen Verhaltensversuche vermuten, dass Vögel Licht einer bestimmten Wellenlänge benötigen, um sich magnetisch zu orientieren. Deshalb wurde angenommen, dass der Kompass in den Augen der Vögel sitzt."

    Henrik Mouritsen und sein Team fanden in den Augen von Zugvögeln, die nachts reisen, längliche Eiweißmoleküle, die wie winzige Kompassnadeln funktionieren könnten. Die so genannten Cryptochrome werden durch Licht angeregt. Wie stark, hängt davon ab, wie die Moleküle zu den Magnetfeldlinien stehen. Die Cryptochrome kommen aber nur dann als Kompassnadeln für den Magnetsinn der Zugvögel in Frage, wenn sich nachweisen lässt, dass die Zugvögel die Peilungsinformation auch wirklich im Gehirn verarbeiten.

    "Wir haben herausgefunden, dass die Augenzellen mit Cryptochrom genau diejenigen waren, die nachts hochaktiv waren, wenn die Vögel sich magnetisch orientieren. Diese Zellen senden also während der Orientierung Informationen zum Gehirn. Was für welche, wissen wir nicht, aber dass sie Informationen senden schon. "

    Um herauszufinden, in welchem Teil des Gehirns die Kompassdaten aus dem Auge verarbeitet werden, untersuchen die Biologen Rotkehlchen und Gartengrasmücken - beides Arten, die nachts unterwegs sind - und Zebrafinken und Kanarienvögel, beides Standvögel mit festem Wohnsitz. Die Zugvögel sind im Herbst und Frühjahr nachts so unruhig, dass sich ihre angepeilte Zugrichtung selbst in einem nur mondhell erleuchteten Käfig erkennen lässt.

    "Wenn man Gehirne von Vögeln untersucht, die zwischen Zug-Unruhephasen eine Pause einlegen, stellt man fest, dass ein bestimmter Gehirnteil – wir haben ihn "Cluster N" genannt – in der Nacht bei den nachts ziehenden Vögeln hochaktiv ist, nicht aber bei den Standvögeln."

    "Cluster N" befindet sich im Vorderhirn der Vögel, in der Nähe des so genannten visuellen Wulstes. Dort werden Reize aus den Augen verarbeitet. Cluster N könnte also eine spezialisierte Auskopplung des visuellen Wulstes sein. Der Cryptochrom-Kompass in den Augen kann nur dann Signale zum Cluster N schicken, wenn er durch Licht angeregt wird. Schon das Licht der Sterne reicht dafür aus. Verbindet man den Vögeln aber die Augen, sollte der Kompass aus- und die Navigationszentrale im Gehirn abgeschaltet sein.

    "Und tatsächlich - verdeckt man die Augen der Vögel, so verschwindet die Aktivität in "Cluster N". Nachts ziehende Vögel scheinen einen Gehirnbereich speziell für Nachtsicht zu besitzen. Die Nachtsicht könnte auf dem Cryptochrom-Kompass beruhen. Es könnte aber auch sein, dass die Vögel den Nachtsichtbereich für die Orientierung an den Sternen brauchen. Da gibt es also noch andere Deutungsmöglichkeiten. "

    Den Grund dafür, dennoch zu glauben, dass der Cryptochrom-Kompass wichtiger sei als eine Sternenkarte, haben nordamerikanische Drosseln dem Biologen geliefert. Im Team hat Henrik Mouritsen zwei Drosselarten auf dem Zug nach Norden verfolgt und festgestellt: Zumindest für diese Vögel spielt die Navigation nach Sternbildern kaum eine Rolle, nur ein bisschen Licht brauchen sie – für ihren Kompass.