Die dunkelhaarige Frau ist schlank und trägt robuste Schuhe. Mit flotten Schritten bahnt sie sich einen Weg zwischen den Pfützen auf dem Weg zum Jobcenter in Brandenburg an der Havel. Unsichtbar unter der Jacke am Hosenbund trägt die 55-Jährige ein kleines Gerät, groß wie ein Fahrradtacho, das jeden ihrer Schritte zählt. Seit 40 Tagen schon. Freiwillig hat sie bei der Aktion mitgemacht, als Teil des Programms Perspektive 50plus, das ältere Arbeitssuchende für den Arbeitsmarkt fit machen soll – im wahrsten Sinne des Wortes:
"Zuerst haben wir gedacht, was soll das denn jetzt sein, wollen die uns prüfen, wie fit wir noch sind? Im Grunde genommen ist es ja so, schätze ich mal."
Ja und nein, sagt Christian Gärtner, der Geschäftsführer des Jobcenters. Um körperliche Leistungsfähigkeit gehe es nur am Rande, er bewertet seine Idee nach 40 Tagen auch aus anderen Gründen als vollen Erfolg:
"Dass das Selbstbewusstsein gestiegen ist, dass man, ich sag das mal jetzt in Anführungsstrichen, aufrechter zum Arbeitgeber gehen kann und sich bewerben kann. Auch ein Arbeitgeber sieht in einem Einstellungsgespräch, wie sich der Bewerber verhält, kommt er in gebückter Haltung in das Gespräch oder kommt er selbstbewusst rein und sagt, ich bin ehrgeizig, ich will was erreichen, ich habe noch eine Menge Arbeitsjahre vor mir und ich bin ehrgeizig und will was tun, und ich passe hier rein."
Dass das Tragen eines Schrittzählers ihr nun zu einem neuen Job verhilft, glaubt die dunkelhaarige Dame, die seit Jahren Hartz IV bezieht, nicht. Über 36 Prozent der über 50-Jährigen sind in Brandenburg an der Havel arbeitslos. Sie selbst hat früher als Archivassistentin und Lagerfacharbeiterin gearbeitet, vor Kurzem hat sie eine Umschulung zur Pflegehelferin gemacht.
"Die Arbeitslosigkeit in Brandenburg ist ja enorm hoch, und wenn die hören 55, dann ist ja der Ofen aus, seien wir mal ehrlich."
Ein wenig Resignation schwingt mit in der Stimme. Auch dagegen soll die "Aktion Schrittzähler" helfen, wünscht sich jedenfalls der Leiter des Jobcenters. Er will bei den Teilnehmern an der Aktion Ehrgeiz wecken und Erfolgserlebnisse vermitteln. Er selber hat sich der Schrittzähler-Gruppe deshalb angeschlossen:
"Auch gesundheitlich fühlt man sich etwas wohler, wenn man frühmorgens die Eintragung vornimmt und denkt, oh über 10.000 Schritte, super."
Er präsentiert eine Liste. Gerade 5000 Schritte hat er an den Weihnachtsfeiertagen geschafft, bis zu 15.000 einmal an einem Sonntag. Spitzenreiter war er damit nicht. Das rechnerische Ziel – mit 270.000 Schritten theoretisch einmal auf den Mount Everest gelaufen zu sein - hatte die arbeitslose Frau schon viel früher erreicht. Ob sie dabei tatsächlich immer im Dienste der Gesundheit unterwegs war, sei mal dahingestellt.
"Ick laufe ja so ville umher und so ist nun so passiert. Ich habe mich da jetzt nicht reingesteigert oder so, aber war schon ganz gut. Ich bin ja Raucher, wie Sie sehen, und dann halt nicht bis zur Kaufhalle zum Zigarettenholen, sondern bis zur Tankstelle. Und dann habe ich einen kleinen Enkel, der hält einen auch in Trab."
Die Urkunde für den Sieg bei der Aktion war ihr damit nicht mehr zu nehmen. Mit den anderen hat sie sich über die Ergebnisse ausgetauscht, mit einigen war sie zusammen Kaffee trinken, vielleicht Kleinigkeiten, für Jobcenterchef Christian Gärtner aber wichtige Kleinigkeiten:
"Es ging ganz einfach darum, soziale Beziehungen wieder herzustellen. Wer langzeitarbeitslos ist, isoliert sich zunehmend mehr. Durch dieses Projekt ist es gelungen, weil die Teilnehmer auch Gleichgesinnte sind, dass man mal wieder rauskommt."
Der Plan ist aufgegangen, die Arbeitslosen haben engagiert mitgemacht. Aber nun muss auch Schluss sein. Da sind sich die meisten Teilnehmer einig:
"Ja, natürlich hat det Spaß gemacht, der war schneller, der war so schneller, aber ansonsten … -- Ich meine, wenn man beweglich ist, dann läuft man eben, da brauch ich keinen Schrittzähler dazu. Ick stehe auch früh auf und erledige meine Arbeit oder das, was ich machen muss, und das war es dann auch, da brauche ich keinen Schrittzähler dazu."
Denn zum Start der Schrittzähler-Initiative hagelte es Kritik für das Jobcenter. Die Berliner Arbeitssenatorin, Politiker der Grünen und der Deutsche Gewerkschaftsbund liefen Sturm. Das Ganze diskriminiere und demütige die älteren Arbeitslosen und nähre Vorurteile von übergewichtigen Faulenzern, die den ganzen Tag auf der Couch vor dem Fernseher sitzen – auch die 16 Teilnehmer aus Brandenburg fühlten sich getroffen:
"Da werden die Hartz IV über 50 dargestellt, als ob sie nur faul im Bette rumliegen und sich nicht bewegen und kein normales Leben haben, da haben wir auch gesagt, dann sollen sie mal den jungen Leuten den Schrittzähler an Arsch hängen, damit wir mal sehen, wie fit die sind."
Ungewöhnliche Ideen haben die Jobcenter allerdings auch außerhalb von Brandenburg. Mit reiner Arbeitsvermittlung haben auch die nicht viel zu tun. In Berlin bieten die Jobcenter zum Beispiel Bowling-Kurse oder Frauen-Power-Training an, in Nienburg werden Hartz-IV-Empfänger zu Raucherentwöhnungskursen eingeladen. Ob die Aktion Schrittzähler in Brandenburg weitergeht, ist noch unklar. Für eine der Teilnehmerinnen allerdings steht trotz aller Kritik fest:
"Ich laufe weiter, ich bleibe dabei."
"Zuerst haben wir gedacht, was soll das denn jetzt sein, wollen die uns prüfen, wie fit wir noch sind? Im Grunde genommen ist es ja so, schätze ich mal."
Ja und nein, sagt Christian Gärtner, der Geschäftsführer des Jobcenters. Um körperliche Leistungsfähigkeit gehe es nur am Rande, er bewertet seine Idee nach 40 Tagen auch aus anderen Gründen als vollen Erfolg:
"Dass das Selbstbewusstsein gestiegen ist, dass man, ich sag das mal jetzt in Anführungsstrichen, aufrechter zum Arbeitgeber gehen kann und sich bewerben kann. Auch ein Arbeitgeber sieht in einem Einstellungsgespräch, wie sich der Bewerber verhält, kommt er in gebückter Haltung in das Gespräch oder kommt er selbstbewusst rein und sagt, ich bin ehrgeizig, ich will was erreichen, ich habe noch eine Menge Arbeitsjahre vor mir und ich bin ehrgeizig und will was tun, und ich passe hier rein."
Dass das Tragen eines Schrittzählers ihr nun zu einem neuen Job verhilft, glaubt die dunkelhaarige Dame, die seit Jahren Hartz IV bezieht, nicht. Über 36 Prozent der über 50-Jährigen sind in Brandenburg an der Havel arbeitslos. Sie selbst hat früher als Archivassistentin und Lagerfacharbeiterin gearbeitet, vor Kurzem hat sie eine Umschulung zur Pflegehelferin gemacht.
"Die Arbeitslosigkeit in Brandenburg ist ja enorm hoch, und wenn die hören 55, dann ist ja der Ofen aus, seien wir mal ehrlich."
Ein wenig Resignation schwingt mit in der Stimme. Auch dagegen soll die "Aktion Schrittzähler" helfen, wünscht sich jedenfalls der Leiter des Jobcenters. Er will bei den Teilnehmern an der Aktion Ehrgeiz wecken und Erfolgserlebnisse vermitteln. Er selber hat sich der Schrittzähler-Gruppe deshalb angeschlossen:
"Auch gesundheitlich fühlt man sich etwas wohler, wenn man frühmorgens die Eintragung vornimmt und denkt, oh über 10.000 Schritte, super."
Er präsentiert eine Liste. Gerade 5000 Schritte hat er an den Weihnachtsfeiertagen geschafft, bis zu 15.000 einmal an einem Sonntag. Spitzenreiter war er damit nicht. Das rechnerische Ziel – mit 270.000 Schritten theoretisch einmal auf den Mount Everest gelaufen zu sein - hatte die arbeitslose Frau schon viel früher erreicht. Ob sie dabei tatsächlich immer im Dienste der Gesundheit unterwegs war, sei mal dahingestellt.
"Ick laufe ja so ville umher und so ist nun so passiert. Ich habe mich da jetzt nicht reingesteigert oder so, aber war schon ganz gut. Ich bin ja Raucher, wie Sie sehen, und dann halt nicht bis zur Kaufhalle zum Zigarettenholen, sondern bis zur Tankstelle. Und dann habe ich einen kleinen Enkel, der hält einen auch in Trab."
Die Urkunde für den Sieg bei der Aktion war ihr damit nicht mehr zu nehmen. Mit den anderen hat sie sich über die Ergebnisse ausgetauscht, mit einigen war sie zusammen Kaffee trinken, vielleicht Kleinigkeiten, für Jobcenterchef Christian Gärtner aber wichtige Kleinigkeiten:
"Es ging ganz einfach darum, soziale Beziehungen wieder herzustellen. Wer langzeitarbeitslos ist, isoliert sich zunehmend mehr. Durch dieses Projekt ist es gelungen, weil die Teilnehmer auch Gleichgesinnte sind, dass man mal wieder rauskommt."
Der Plan ist aufgegangen, die Arbeitslosen haben engagiert mitgemacht. Aber nun muss auch Schluss sein. Da sind sich die meisten Teilnehmer einig:
"Ja, natürlich hat det Spaß gemacht, der war schneller, der war so schneller, aber ansonsten … -- Ich meine, wenn man beweglich ist, dann läuft man eben, da brauch ich keinen Schrittzähler dazu. Ick stehe auch früh auf und erledige meine Arbeit oder das, was ich machen muss, und das war es dann auch, da brauche ich keinen Schrittzähler dazu."
Denn zum Start der Schrittzähler-Initiative hagelte es Kritik für das Jobcenter. Die Berliner Arbeitssenatorin, Politiker der Grünen und der Deutsche Gewerkschaftsbund liefen Sturm. Das Ganze diskriminiere und demütige die älteren Arbeitslosen und nähre Vorurteile von übergewichtigen Faulenzern, die den ganzen Tag auf der Couch vor dem Fernseher sitzen – auch die 16 Teilnehmer aus Brandenburg fühlten sich getroffen:
"Da werden die Hartz IV über 50 dargestellt, als ob sie nur faul im Bette rumliegen und sich nicht bewegen und kein normales Leben haben, da haben wir auch gesagt, dann sollen sie mal den jungen Leuten den Schrittzähler an Arsch hängen, damit wir mal sehen, wie fit die sind."
Ungewöhnliche Ideen haben die Jobcenter allerdings auch außerhalb von Brandenburg. Mit reiner Arbeitsvermittlung haben auch die nicht viel zu tun. In Berlin bieten die Jobcenter zum Beispiel Bowling-Kurse oder Frauen-Power-Training an, in Nienburg werden Hartz-IV-Empfänger zu Raucherentwöhnungskursen eingeladen. Ob die Aktion Schrittzähler in Brandenburg weitergeht, ist noch unklar. Für eine der Teilnehmerinnen allerdings steht trotz aller Kritik fest:
"Ich laufe weiter, ich bleibe dabei."