" Es ist ein ganz klarer Eingriff in die Pressefreiheit. Da wird der Informantenschutz mit Füssen getreten. Da werden die Interessen der Ermittlungsbehörden eindeutig über die Pressefreiheit gestellt."
Den ganzen Vormittag durchforsteten LKA-Beamte Computer, E-Mails und Unterlagen in den Redaktionsräumen von Cicero und der Privatwohnung einer der Autoren und beschlagnahmten Material. Erstaunen darüber bei Cicero- Chefredakteur Wolfram Weimer:
" Für uns kam die Ermittlung der Staatsanwaltschaft überraschend. Sie ist ja auch ein halbes Jahr nach Erscheinen des Artikels sehr ungewöhnlich, auch eine Woche vor der Bundestagswahl. Wie das Ermittlungsverfahren sich weiter gestaltet, können wir gar nicht einschätzen."
Der Autor Bruno Schirra hatte in der Aprilausgabe des Magazins Cicero in einem Text über den El-Kaida-Terroristen Al Sarkawi aus einem geheimen Dossier des Bundeskriminalamtes zitiert. Das BKA ist nun auf der Suche nach der undichten Stelle. Vorgeworfen wird dem Magazin und seinem Autor die Beihilfe zum Geheimnisverrat. Eine juristische Minderheitsauffassung, die hier zur Anwendung kam, sagt Professor Jan Hegeman von der Kanzlei Hogan & Hartson Raue:
" Man könnte die Meinung vertreten: Dem Geheimnisverräter kommt es ja nicht darauf an dem Journalisten etwas zu sagen, sondern es kommt ihm darauf an der Öffentlichkeit die Tatsachen offen zu legen und das bedeutet die Tat vollendet sich erst mit der Publikation. Dazu leistet der Journalist dann im strafrechtlichen Sinne Beihilfe wenn man dieser Auffassung folgen wollte."
Damit geraten Journalisten selbst in das Visier der Ermittler. Sie können zwar Aussagen verweigern, sind aber nach den derzeitigen Regelungen der Strafprozessordnung nicht von Überwachungsmechanismen der Ermittlungsbehörden ausgenommen. Telefonabhörungen, Hausdurchsuchungen und Beschlagahmungen können daher durchgeführt werden. Ein gefährlicher Trend zeichnet sich ab meint Hendrik Zörner vom DJV :
" Es ist eben das Problem, dass durch die Veränderung der Strafprozessordnung im letzten Jahr, gegen die wir uns damals auch schon eindeutig gewendet haben, der Ermessensspielraum der Behörden immer größer geworden ist und in den letzten Monaten häufen sich eben die Fälle. Wir vermuten, dass sich das innerhalb der Behörden herumgesprochen hat, dass man es versuchen kann Journalisten auszuspähen."
Ziel solcher Ermittlungen gegen Journalisten sei oftmals gar nicht die Verfolgung ihrer Straftat, Beihilfe zum Geheimnisverrat geleistet zu haben, sondern das Aufdecken der eigentlichen Geheimnisverräter. Um dem Einhalt zu gebieten fordern Journalistenverbände eine Überarbeitung der Strafprozessordnung im Paragraphen 100h
" In diesem Paragraph ist geregelt, dass die Berufsgruppe der Ärzte und Priester von Überwachungsmaßnahmen ausgeschlossen sind. Wir wollen, dass die Journalisten ebenfalls zu den ausgeschlossenen Berufsgruppen gehören."
Derzeit bleibt der Eindruck, dass die Pressefreiheit und der investigative Journalismus auf wackeligen Füssen stehen.