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Immunsuppression
Künstliche Bauchspeicheldrüse

An der Uniklinik Dresden haben Forscher eine künstliche Bauchspeicheldrüse mit insulinproduzierenden Inselzellen vorgestellt, nach deren Transplantation keine immununterdrückenden Medikamente nötig sind. Das künstliche Organ wurde bereits knapp ein Jahr lang bei einem Diabetes-Patienten getestet.

Von Viola Simank | 08.01.2014
    Äußerlich sieht die künstliche Bauchspeicheldrüse nicht wie ein menschliches Organ aus, eher wie ein technisches Bauteil: Es ist eine handtellergroße weiße Dose, aus der zwei dünne Kunststoffschläuche ragen.
    Doch im Innern des unscheinbaren Behälters verbirgt sich das Entscheidende: insulinproduzierenden Inselzellen. Sie sind in einer gelartigen Substanz aus Algen eingeschlossen, sogenanntem Alginat, erklärt Professor Stefan Bornstein vom Universitätsklinikum Dresden:
    "Die Verkapselung von insulinproduzierenden Zellen in Alginat gibt es schon länger. Das Neue, das Ei des Kolumbus' sozusagen, dieser Kammer ist, dass man zusätzlich in dieser Kammer Sauerstoff bereitstellt. Das bedeutet, unser gesamter Organismus, wir selber brauchen zum Leben Sauerstoff und so brauchen natürlich auch unsere Zellen Sauerstoff."
    Im Alginat sind die Inselzellen zwar verkapselt und so vor der Zerstörung durch das Immunsystem geschützt. Allerdings bekommen sie dadurch nicht mehr genügend Sauerstoff und sterben nach einer gewissen Zeit ab.
    Sauerstoff von außen
    Die Dresdner Wissenschaftler haben deshalb gemeinsam mit Materialforschern und Ingenieuren eines israelischen Biotechnologieunternehmens ein System entwickelt, bei dem von außen Sauerstoff zugeführt wird. Die flache Dose besteht dazu aus drei Teilen:
    "In der Mitte wie beim Tauchen eine Sauerstoffkammer und darüber jeweils die verkapselten insulinproduzierenden Zellen umgeben von einer Membran. Von außen, durch Schläuche, die unter der Haut liegen, muss der Patient alle 24 Stunden den alten Sauerstoff abführen durch ein einfaches System und frischen Sauerstoff in die Kammer injizieren."
    Die Teflonmembran dient als zusätzliche Schutzschicht gegen das körpereigene Immunsystem:
    Kleine Moleküle wie das Insulin können problemlos passieren, aber größere Antikörper oder Bestandteile des Immunsystems dagegen nicht. Immununterdrückende Medikamente sind damit unnötig.
    Erfolgreicher Test
    Professor Bornstein und sein Team haben dies bislang bei einem Diabetes-Patienten getestet. Fast ein Jahr lang hatte er die neue künstliche Bauchspeicheldrüse implantiert:
    "Dabei haben die Zellen weiterhin Insulin produziert. Noch nicht ganz in den Mengen, dass der Patient insulinfrei wäre. Das ist sicher etwas, was weiterentwickelt werden muss, aber immerhin schon ein spektakulärer Durchbruch, Erfolg, dass es möglich ist, Zellen immungeschützt von einem anderen Menschen dort in so einer Kammer zu halten und die Funktion aufrechtzuerhalten. Das kann man dann sicher viel für andere, außer Diabetes, auch für andere Krankheiten nutzen."
    So sei es mit diesem System vorstellbar, künftig beispielsweise auch Leberzellen oder Zellen der Nebennieren zu ersetzen. Weiterer Vorteil: Auch tierische Zellen können dafür genutzt werden, zum Beispiel insulinproduzierende Zellen des Schweins.
    Denn durch die geschützte Umgebung stößt sie der menschliche Körper nicht ab. In Tierversuchen wird dies bereits getestet.
    "Und dieses ist für uns natürlich besonders spannend, weil wir sehen, dass wir zum einen in der Bevölkerung nicht die Bereitschaft haben, dass jeder ein Organspender ist und dass wir letztlich auch für die vielen Patienten mit Diabetes Organe von Spendern nicht bekommen werden."
    Allerdings ist die künstliche Bauchspeicheldrüse zunächst nur für einen kleinen Teil der Diabetes-Patienten gedacht: Für diejenigen, die besonders schwer betroffen sind, weil sie überhaupt kein eigenes Insulin mehr produzieren und trotz Therapie ständig unter starken Blutzuckerschwankungen und Unterzuckerungen leiden.
    In den nächsten Jahren sind zunächst weitere klinische Studien geplant, um die Funktionsfähigkeit des neuen Kunstorgans zu verbessern. Erst dann kann es als Therapieoption für diese Patienten genutzt werden.