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IMO-Tagung London

Die Globalisierung hinterlässt auch in den Meeren ihre Spuren. Geborgen im Ballastwasser der Schiffe reisen Organismen rund um die Welt. Ballastwasser benötigen die Schiffe, um auch ohne Ladung sicher fahren zu können. Dieses Wasser wird vor der Abfahrt im Hafen aufgenommen und dann bei der Ankunft am Zielort wieder abgelassen - mit allem, was sich darin tummelt. Doch nicht immer vertragen sich die zugereisten Organismen mit den heimischen. Deshalb fordert der WWF strengere Regeln für den Umgang mit Ballastwasser. Das ist Thema heute in London, wo die Konferenz der internationalen Schifffahrtsorganisation IMO beginnt.

Von Annette Eversberg |
    Auf den Ozeanen werden weltweit 80 Prozent aller Güter transportiert. Dabei werden aber ebenso etwa 10 Milliarden Tonnen Ballastwasser rund um den Globus befördert. Nach Angaben des WWF sind darin jederzeit 4000 verschiedene Arten unterwegs. Und sie können in den Ballastwassertanks durchaus überleben, weiß Professor Karsten Reise vom Alfred-Wegener-Institut mit Sitz in Bremerhaven:

    Einige Arten sind sehr gut angepasst durch Dauersporen oder in Eistadien oder als Larven. Da sammelt sich dann Schlick an, unvermeidlich, wenn man in Hafennähe Wasser einpumpt, und in diesem Schlick, da können dann Planktonalgen in Dauerphasen überleben. Aber man hat sogar schon kleine Krebse und Schiffe usw. aus diesen Tanks rausgeholt.

    Das Wasser wird vor den Häfen wieder abgepumpt. Und das bedeutet in Küstennähe. David Thieltges forscht im Wattenmeer vor Sylt und ist dort der amerikanischen Pantoffelschnecke auf der Spur:

    Die amerikanische Pantoffelschnecke ist auch eine eingeschleppte Art, die von der Ostküste Nordamerikas gekommen ist. Und da habe ich mal untersucht, wie sieht denn da der Stand der Dinge 70 Jahre nach dieser Einfuhr in diese Gewässer aus und habe herausgefunden, dass die doch wesentlich häufiger ist, als man das bisher gedacht hatte. Sie kommt auf den Miesmuscheln vor und führt da zu einer erhöhten Sterblichkeit der Muscheln.

    Manche Beispiele sind noch viel dramatischer. So verstopft die Zebramuschel aus dem Schwarzen Meer in den USA und Kanada Wasserleitungen großer Städte. Die Rippenqualle hat die Nahrungssituation im Kaspischen Meer verändert und dort zum Zusammenbruch der Anchovisfischerei geführt. In Norwegen führte die giftige Alge Chatonella zum Verlust von 1000 Tonnen Lachs. Karsten Reise weist darauf hin, dass schon fünf giftige Algenarten mit dem Ballastwasser an die Küste gekommen ist, wo der Nährstoffüberschuss das Wachstum begünstigt:

    Es gibt auch andere Arten, die sich mit Bakterien besetzen, die ihnen nicht schaden. Aber die Bakterien haben dann giftige Eigenschaften, so kommt es mit unter vor, dass sie in dem einen Meeresgebiet gar nicht giftig ist, aber in dem anderen Meeresgebiet ist sie giftig, weil sie Konsortien mit Bakterien bilden kann.

    In den wärmeren Meeresgebieten werden auch Viren oder Bakterien mit dem Ballastwasser transportiert. Und man geht davon aus, dass es Cholera-Epidemien, u.a. im Golf von Mexiko gegeben hat, die in einem direkten Zusammenhang mit der Freisetzung von Ballastwasser standen. Deshalb fordert der Meeresbiologe der Wattenmeerstation auf Sylt, Dr. Matthias Strasser, endlich zu handeln:

    Das Problem ist seit vielen Jahren bekannt, und wird auch seit vielen Jahren diskutiert. Und ich denke es ist auch an der Zeit, Maßnahmen zu ergreifen, dass das latente Problem auch eingedämmt wird.

    Auf der Konferenz der Internationalen Schifffahrtsorganisation in London soll es diesmal soweit sein. Noch in dieser Woche will man eine Konvention über die Aufnahme und Abgabe von Ballastwasser in die Meeresumwelt und über Maßnahmen für die Ballastwasserbehandlung verabschieden. Karsten Reise vom Alfred-Wegener-Institut mahnt jedoch, die Konstruktion der Ballastwassertanks selber zu überdenken:

    Es wäre ja so einfach, wenn man das Küstenwasser, das man in der Nähe von New York hineingegeben hat auf dem mittleren Atlantik einmal austauscht gegen Hochseewasser, denn dann werden die Küstenorganismen von der amerikanischen Küste auf der Hochsee keine Überlebenschance haben, und die Hochseeorganismen, die man dort aufgenommen hat, werden in der Nordsee nicht überleben können. Es scheint bei der derzeitigen Konstruktion der Tanks nicht möglich zu sein, restlos alles Wasser abzupumpen, so dass statt einem Austausch der Organismen eher eine Sauerstoffzufuhr stattfindet und die blinden Passagiere besser überleben und mehr ankommen, als man sich das sonst hätte vorstellen können.