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Imperium Romanum

Ohne das Imperium Romanum gäbe es wahrscheinlich heute keinen Klingelberger und keinen Lemberger und den Trollinger auch nicht. Diese wunderbaren Weine, die vermutlich die Römer einführten, wurden in Baden und Württemberg kultiviert, auch wenn sie vermutlich aus Tirol kamen. Das Römische Reich wie es sich in Trinkschalen und Bechern, archäologischen Funden und kultureller Bedeutung zeigt, ist Inhalt der riesigen Landesausstellung.

Von Christian Gampert | 23.10.2005
    2,8 Millionen Euro pumpt das Land Baden-Württemberg als Zuschuß in diese Doppel-Ausstellung, und wer solches tut, möchte sich auch ein wenig selbst bekränzen: zumindest der Stuttgarter Teil von "Imperium Romanum" lässt keinen Zweifel daran, dass die Schwaben die würdigen Nachfolger der Römer sind, geistig und materiell, und dass der Glanz des einstigen Weltreichs auch auf das erfolgreiche Mittelstandsländle abstrahlt.

    Im weitesten Sinne ist das ja auch richtig: ein Teil der heutigen Straßenverläufe folgt römischen Handelswegen, landwirtschaftliche Flächen und Siedlungen sind nach römischem Muster strukturiert, der obergermanisch-rätische Limes läuft zu großen Teilen über württembergisches Gebiet, und religiös, rechtsideologisch, alltagspraktisch und handwerkstechnisch ist man der römischen Besatzung näher als allgemein bewusst; die Werkzeuge römischer Schuhmacher und Zimmerleute, um ein Beispiel zu nennen, ähneln verblüffend dem heutigen Instrumentarium.

    Die beiden Ausstellungen unterscheiden sich jedoch nicht nur thematisch, sondern auch in der Inszenierung - und spiegeln unfreiwillig das Verhältnis der Schwaben zu den Badenern. Die Stuttgarter Schau, die die hohe Zeit Roms zwischen Neckar, Rhein und Donau erzählt, ist aufwendig designt und imperial aufgemacht, sie zeigt auf 2500 Quadratmetern Ausstellungsfläche 3000 Objekte zum Teil aus neuesten Grabungen, führt den Besucher didaktisch eine Römerstraße entlang und protzt mit einem fast maßstabsgerechten Nachbau des riesigen Dalkinger Limestors, das zum Besuch des Kaisers Caracalla errichtet wurde.

    Die Karlsruher Ausstellung kommt viel bescheidener und kleinteiliger daher. Das liegt auch daran, dass - nach der Aufgabe des Limes durch die Römer im dritten nachchristlichen Jahrhundert - der Rhein die nasse Grenze des römischen Reiches bildete und das spätantike Geschehen in diesem Gebiet eben sehr widersprüchlich war: die nachrückenden elbgermanischen Stämme gingen auf Raubzug ins schwächelnde römische Imperium, andererseits gab es so etwas wie Koexistenz und sogar Verschmelzung - wichtige Kulturtechniken wurden vom Gegner übernommen und weiterentwickelt.

    Es gehört zu den Topoi solcher Ausstellungen, dass stets das angeblich "friedliche Miteinander" verschiedener Bevölkerungsgruppen beschworen wird, um eine Multikulti-Ideologie für den heutigen Wirtschaftsverband Europa historisch nachzuliefern. So wurde, wie die Stuttgarter Kuratorin Barbara Theune-Großkopf bündig erklärt, auch das spärlich besiedelte Kelten-Gebiet um Donau und Neckar im ersten Jahrhundert vor Christus durch römische Eroberung und Völkerwanderung ein quasi-internationaler Raum.

    " Es gibt eine Vorbevölkerung, die aber nicht sehr zahlreich ist, die Kelten. Und dann wird dieses Gebiet aufgesiedelt mit Leuten aus dem ganzen römischen Reich, hauptsächlich natürlich aus den Nachbarprovinzen, die auch keltisch geprägt sind. Das kann man an den Namen feststellen. Aber ansonsten haben wir Leute von Nordafrika über Kleinasien, Kroatien, Spanien, von überall her, und die bilden dieses Vielvölkergemisch. "

    In diesem römisch beherrschten Gebiet entstanden nicht nur Kastelle, große Bauernhöfe und befestigte Siedlungen, es entstand auch Verwaltung. Die Stuttgarter Ausstellung, die man in Führungen für Schulklassen übrigens aus der Perspektive einer Keltin oder eines römischen Legionärs erleben kann, erzählt nun sowohl auf der Herrschafts- wie auch auf der Alltagsebene: Waffen, Münzwesen, Fernstraßen, Architektur (die Römer bauten mit Stein, nicht mit Holz), Keramik, Gerätschaften aus dem von den Römern eingeführten Obst- und Weinbau, die Rekonstruktion einer Villa Rustica, die technisch hochkomplex ausgetüftelten römischen Bäder in ihrer Funktion als Kommunikationszentren.

    Wichtig ist, dass die Römer die Schrift brachten - auch kleine Händler konnten, wie Schreibtäfelchen zeigen, schon aus ökonomischen Gründen lesen und schreiben, und die römische Währung hatte einen größeren Geltungsbereich als heute der Euro. Die schiere Ausdehnung des nicht mehr verwaltbaren, ökonomisch anfälligen Römischen Reiches, der "imperial overstretch" war neben den Machtkämpfen in Rom selbst dann Ursache für eine tiefe Krise im 3. nachchristlichen Jahrhundert, die zur Aufgabe des Limes und zum Rückzug an den Rhein führte. Hortfunde belegen den teils überhasteten Aufbruch.

    Der Karlsruher Ausstellungsteil zeigt nun die spätantike Krise des Römischen Reiches, die von den Kuratoren allerdings auch als zivilisatorischer Aufbruch begriffen wird. Der Christenverfolger Diokletian nämlich konnte durch Neuordnung der Provinzen das Imperium kurzzeitig stabilisieren, Konstantin tolerierte die Christen, Theodosius machte das Christentum 380 nach Christus zur Staatsreligion.

    Die neue Religion ist auch einer der Haupt-Erzählstränge der Ausstellung im Karlsruher Schloß: von der römischen Vielgötterei zum einen Gott. Das Nebeneinander verschiedener Heilsbotschaften, Judentum, Mithras-Kult und Christentum, spiegelte sich in den Bildprogrammen, aber auch in veränderten Bestattungsriten wider: die römische Feuerbestattung wurde im 4.Jahrhundert langsam abgelöst durch die christliche Erdbestattung, die die Auferstehung des Fleisches im ewigen Leben gewährleisten sollte.

    Die Karlsruher Kuratorin Michaela Geiberger will durch die Gräber und Grabfunde aber auch die ausgeprägte soziale Hierarchie dieser Gesellschaft zeigen:

    " Das kann man klar nachvollziehen bei der Inszenierung des spätantiken Friedhofs, den man in der Ausstellung sieht. Da ist einmal ein großer, wuchtiger Sandstein-Sarkophag, das ist damals eine sehr kostspielige Sache gewesen; daneben haben Sie einfache Gräber, Ziegelplattengräber, die sind einfach aus Dachziegeln über dem Toten zusammengestellt worden, zeltdachförmig - das ist eine wesentlich preisgünstigere Form der Bestattung. Es gab mit Sicherheit auch Bestattungen, wo der Leichnam gar keine Umhüllung hatte. "

    Natürlich kann auch Karlsruhe mit spektakulären Exponaten aufwarten: der erst 1962 entdeckte Silberschatz aus dem schweizerischen Kaiseraugst, eine Gabe des Kaiserhauses an hohe Offiziere, ist erstmals außerhalb der Schweiz zu sehen. Römisch-antike und alemannische Bildwelten überlagern sich hier. Die weströmische Kaiserresidenz Trier wird mit dem Bacchus-Mosaik und der Rekonstruktion eines riesigen Palast-Deckenfreskos gefeiert. Wichtiger aber sind die Modelle von Patrouillenbooten und Flusskastellen am Rhein, die das niedergehende Reich befestigen sollten. An Militaria wird gezeigt, dass die Römer Ausrüstung und Kampftechniken von den Alemannen übernahmen - Reiterverbände statt Fußtruppen, Ohrenhelme und Schutzschilde. Und einzelne Exponate zeigen beispielhaft die Überlagerung verschiedener Kulturen in der Spätantike: eine Fibel, also Befestigungs-Spange, aus Lauchheim aus dem 7.Jahrhundert vereinigt etwa eine römische Gemme, also einen geschnittenen Bildstein, mit der christlichen Kreuzesform, und gefertigt hat das ein alemannischer Handwerker. Hier gab es Kultur-Transfer: quod erat demonstrandum.