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Impfköder, Jagd und Sperrbezirke

Ob in den Niederlanden, in Spanien oder Belgien sowie Italien - Meldungen über den Ausbruch der Schweinepest jagen allen Schweinehaltern einen eiskalten Schauer über den Rücken. Das ist die Katastrophe schlechthin, immer verbunden mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen für die betroffenen Bauern. Deshalb gibt es auch in gefährdeten Gebieten immer wieder einmal sozusagen Katastrophenschutzübungen, um zu testen, ob Veterinärbehörden und Landwirte im Falle eines Falles richtig und schnell reagieren. In Deutschland waren es vor allem die Bundesländer Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, in denen in den vergangenen Jahren immer wieder einmal die Schweinepest ausgebrochen ist. Die Rheinland-Pfälzer sind dabei in der Bekämpfung inzwischen so erfolgreich, dass sich osteuropäische Länder wie Slowenien inzwischen hier Rat holen.

Von Gerd Stuhlfauth |
    Oktober 2001. Bei einem Landwirt in der kleinen Gemeinde Womrath im Hunsrück ist die Schweinepest ausgebrochen. Im Umkreis von drei Kilometern wird ein Sperrbezirk ausgewiesen, bis zehn Kilometer ein Beobachtungsgebiet. Desinfektionsmaßnahmen laufen an. In vier Betrieben werden fast 1200 Schweine gekeult, das heißt getötet.

    Der Landwirt hatte offenbar infizierte Ferkel von einem Betrieb in der Eifel bekommen. Auch dort, bei Bitburg, bricht die Viruskrankheit aus. Rund 1300 Ferkel eines Aufzuchtbetriebes müssen gekeult werden. Transporte werden eingeschränkt, auch die Vermarktung. Der Alptraum dauert Wochen, für manche noch länger. Leo Blum, der Präsident des Bauern -und Winzerverbandes Rheinland-Nassau.
    "Es sind da einige Betriebe, die aufgehört haben, die eingestellt haben, die kurz vor dem Ruin waren und dann die Landwirtschaft in dem Sinn aufgegeben haben. Für einzelne betriebe war das eine Katastrophe. "

    Die Folge: eine groß angelegte Immunisierungs- und Untersuchungsaktion bei Wildschweinen. Denn sie gelten als die Hauptüberträger der tödlich verlaufenden Krankheit. Seit 2002 wurden mehr als fünf Millionen Impfköder in den rheinland-pfälzischen Wäldern vergraben. Lebend-Impfstoffkapseln, eingebacken in eine Ködermasse aus Mais. Fazit nach drei Jahren: die Bekämpfung war erfolgreich. Seit 20 Monaten wurde keine Schweinepest mehr festgestellt in Eifel und Hunsrück, jedes zweite Wildschwein trägt die Antikörper.
    Vor allem die Jäger hatten die Impfköder ausgebracht. Darauf verweist Kurt Alexander Michael, der Präsident des Landesjagdverbandes. Die Jungtiere sind allerdings die Schwachstelle.

    "Bei den Frischlingen findet man diese Antikörper noch nicht oder nur relativ wenig. Die Muttersau gibt sie ihnen mit, aber nach drei oder vier Monaten sind sie weg. Und aus dem Grund müssen sie am stärksten geschossen werden. "

    Dass die Schweinepest auf Dauer besiegt ist, glaubt die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad nicht. Sie warnt vor den immer noch viel zu hohen Wildschweinbeständen. Ein Pulverfass, sagt sie. Obwohl im vergangenen Jahr wieder rund 50.000 Schwarzkittel geschossen wurden. Margit Conrad.

    "Wir schöpfen nach allen Erkenntnissen noch nicht einmal den Zuwachs ab. Das heißt, wir brauchen auch andere Jagdstrategien teilweise. Wir haben ja auch vereinbart also erstens revierübergreifende Drückjagden müssen verstärkt durchgeführt werden. Es gibt erste Ansätze, aber noch nicht ausreichend. Man muss noch gezielter vor allem die Vermehrungsträger, also die Bachen abschießen, wenn sie nicht Frischlinge führen. Und vor allen Dingen auch die Jungbestände deutlich dezimieren. "

    Das sei die einzige Chance, so die Ministerin. Die nicht nur zu einem verstärkten Abschuss aufruft, sondern auch das Kirren, also Anfüttern, den Futtereintrag in die Wälder generell einschränken möchte. Ihre neue Verordnung bringt die Jäger auf die Palme. Die fühlen sich durch Vorgaben und Kontrollen gegängelt. Dass Fütterung zur Wildvermehrung beitragen kann, gibt Jäger-Präsident Kurt Alexander Michael zu. Das sei aber ein Problem weniger schwarzer Schafe, meint er.

    "Wo es übertrieben wird - und das mag zweifelsohne auch bei fünf Prozent der Reviere der Fall sein - kann es eine Rolle spielen, weil die Schweine in einem noch besseren Ernährungszustand sind, und denen müssen wir auf die Finger hauen. Aber wir brauchen nicht der gesamten Jägerschaft mit fünfundneunzig Prozent auf die Finger hauen, sondern wir müssen die treffen, und das kann man auch gezielter tun, man braucht nicht alle damit zu treten. "

    Anders der Bauernverband. Übertriebene Fütterung sei recht weit verbreitet bei Jägern, heißt es dort. Und die Ministerin handelt. Margit Conrad will sich nicht mehr auf freiwillige Zusagen verlassen.

    "Jetzt wird das ganze etwas verbindlicher gemacht, indem wir auch tatsächliche Nachweise verlangen. Aber ganz einfach, indem man auf einer Karte zeichnet, wo die zugelassenen Kirrstellen sind. Aber die sind limitiert auch in der Menge des einzubringenden Futters. "

    Rund 16 Millionen Euro hat das Land in den vergangenen Jahren in die Bekämpfung der Schweinepest gesteckt. Viel Geld. Nur zu verantworten, wenn der Erfolg dauerhaft gesichert bleibt.