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Impfmüdigkeit mit Folgen

Jeder kennt die klassischen Kinderkrankheiten wie Masern, Mumps und Röteln, Keuchhusten und Windpocken. Obwohl der Begriff auch heute noch viel verwendet wird, ist er doch irreführend: Viele der "Kinderkrankheiten" treten nämlich zunehmend bei Jugendlichen und Erwachsenen auf. Der Krankheitsverlauf und die Folgen der Erkrankung sind bei Erwachsenen oft viel schwerer als bei Kindern: Etwa 50 Kinder werden in jedem Jahr mit schwersten Schäden geboren, weil ihre Mütter sich in der Schwangerschaft mit Röteln infiziert haben. Junge Männer, die an Mumps erkranken, erleiden oftmals eine Hodenentzündung: tritt diese beidseitig auf, kann sogar Unfruchtbarkeit drohen. Dennoch ist unter jungen Eltern umstritten, welche Kinderschutzimpfungen tatsächlich sinnvoll sind.

Judith Grümmer |
    Polio, Diphtherie und Tetanus , das war's, weil das die richtig harten Krankheiten sind, wo wirklich was passieren kann. Wir haben die Kinder relativ wenig impfen lassen, also nicht die ganzen typischen Kinderkrankheiten wie Masern, Röteln und Mumps.

    Die junge Mutter hat eine individuelle Entscheidung getroffen und sie hat ein Recht dazu, denn es gibt in Deutschland keine Impfpflicht. Eltern müssen also selbst entscheiden, welche Impfungen ihr Kind wann bekommen soll. Der Impfplan, zeitlich abgestimmt auf die Vorsorgeuntersuchungen, ist nur eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission. Auch wenn nur 2 Prozent der Eltern sich dafür entscheiden, ihre Kinder überhaupt nicht impfen zu lassen, die Unsicherheit oder Skepsis gegenüber bestimmten Impfungen ist in den vergangenen Jahren deutlich geworden.

    Ich denke, dass die Kinder auch schon einiges durchmachen sollten.... Ich habe halt eher einen Kinderarzt, der auch eher der Meinung ist, das die Kinder gewisse Krankheiten durchgemacht haben sollten, weil sie für die Entwicklung förderlich sind.

    Dass insbesondere fieberhafte Erkrankungen für Kinder oftmals tatsächlich einen Entwicklungsschub mit sich bringen, gilt als unumstritten. Doch aus dieser Beobachtung heraus dürfe keineswegs der Umkehrschluss gezogen werden, dass Schutzimpfungen den Kindern wichtige Erfahrungen vorenthalten und damit die Persönlichkeitsreifung einschränken, betont Dr. Jan Leidel, Leiter des Kölner Gesundheitsamtes. Die Verharmlosung von Kinderkrankheiten wie den Masern, so wie sie beispielsweise von manchen anthroposophisch orientierten Ärzten und Impfgegnern betrieben werde, hält der Schulmediziner für gefährlich.

    Krankheiten sind solange Kinderkrankheiten, solange sie wirklich häufig sind in einer Bevölkerung und solange sie eine Immunität hinterlassen. In dem Moment, wo sie seltener werden, hören sie auch auf Kinderkrankheiten zu sein, aber unabhängig davon werden die Masern auch als Kinderkrankheiten ganz erheblich unterschätzt.

    Lungenentzündung und Mittelohrentzündung sind häufige Komplikationen der sogenannten "Kinder"- Krankheit Masern und besonders gefürchtet ist die Gehirnentzündung. Mehr als 20 Prozent der Erkrankten, bei denen die Gehirnentzündung als Folge der Masern eintritt, sterben und viele Überlebende tragen oft dauerhafte Hirnschäden davon. Ein Risiko, dass von Impfgegnern immer wieder bestritten wird.

    Vielversprechend - die Einführung der sogenannten HIB-Impfung gegen eine bestimmte Form der Hirnhautentzündung. In den USA konnte mit Hilfe der Schutzimpfung die Zahl der Erkrankungen von 20.000 pro Jahr auf 165 Krankheitsfälle im Jahr reduziert werden - und auch in Deutschland sprechen Schätzungen von immerhin mindestens 65 Prozent.

    Unter Eltern nach wie vor umstritten: die frühe Impfung gegen Hepatitis B. Auch wenn Hepatitis B vor allem als sexuell übertragbare Krankheit gilt, auch Säuglinge und Kleinkinder sind von dieser Form der Gelbsucht gefährdet, betont Dr. Jan Leidel von der Ständigen Impfkommission:

    Wir wissen, dass auch ganz geringe Blutkontakte zur Übertragung in der Lage sind und kleine Kinder sind durchaus schon solchen Risiken ausgesetzt. Es kommt dazu, dass manche Mütter, weil sie chronisch infiziert sind, auch ihr Kind unter der Geburt anstecken können, ein Grund, warum man heute Schwangere vor der Geburt untersucht, ob sie diese Hepatitis B-Viren im Körper haben und dann die Kinder sofort nach der Geburt anfängt zu impfen. Ganz generell geht es uns darum, die Hepatitis B, eine sehr gefährliche Krankheiten, an der mehr Menschen sterben als an dem so gefürchteten AIDS, in unserer Bevölkerung zurückzudrängen und vielleicht sogar eines Tages zu eliminieren, und dazu hat sich als vernünftigste Strategie heraus gestellt, zum einen kleine Kinder schon im Säuglingsalter zu impfen, außerdem Jugendliche, bevor sie ihren Weg in die eigene Sexualität finden und dann schließlich die Angehörigen sogenannter Risikogruppen wie Ärzte, die durch ihre Tätigkeit in besonderem Maße gefährdet sind. Es kommt aber noch etwas hinzu: bei Säuglingen ist die Immunantwort besonders gut.

    Haben sich die Kinder jedoch infiziert, verlaufen die Lebererkrankungen, je nach Alter des Kindes, bis zu über 90 Prozent chronisch.

    Eine andere Krankheit, die bei uns in Deutschland lange Jahre fast in Vergessenheit geraten war - die Diphtherie, wird heute nicht nur bei Kindern, sondern als Auffrischung auch für Erwachsene empfohlen - denn, dass die osteuropäischen Diphtherie-Epidemien der 90er Jahre bei uns keine Opfer gefordert haben, sei - nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO - reines Glück gewesen, betont Dr. Leidel. Deshalb sollten auch Erwachsene sich beim Hausarzt oder Gesundheitsamt beraten lassen, welche Schutzimpfungen gegen so genannte Kinderkrankheiten sie auffrischen lassen sollten.

    Dass die Impfstoffe aller Kinderschutzimpfungen heute extrem sicher seien, bestätigt die Ständige Impfkommission auch für den vor Jahren in die Diskussion geratenen Polio-Impfstoff, der heute nicht mehr unter dem Motto "Schluckimpfung ist süß - Kinderlähmung ist bitter" geschluckt, sondern gespritzt wird.

    Die Schluckimpfung, sie hatte sehr selten als Komplikation, dass der Geimpfte paradoxerweise eine Kinderlähmung bekam, das ist zwar nur ein, zweimal im Jahr vorgekommen, aber bei der geringen Bedrohung durch die Polio heute, halten wir auch diese seltenen Fälle für nicht mehr hinnehmbar und haben deshalb den Impfstoff geändert, wir sind zu dem noch sicheren Spritzimpfstoff übergegangen.

    Und auch die Keuchhustenimpfung wird unterdessen wieder empfohlen.

    Wesentlich ist dass wir heute einen Impfstoff haben, der über jeden Zweifel erhaben ist, die sogen. Azellolären Impfstoffe, die sehr gut verträglich sind und die Kinder eben doch vor einer sehr gefährlichen Krankheit schützen können. Ich selber, das ist jetzt keine offizielle Empfehlung, aber ich selber stehe noch unter dem Eindruck einer selbstdurchgemachten Keuchhustenerkrankung als 50jähriger, es war so furchtbar, dass ich es sogar für sinnvoll halten würde, wenn Erwachsene auch an die Keuchhustenimpfung denken und die auffrischen lassen.

    Weitere Informationen:

    Robert Koch Institut http://www.rki.de/GESUND/IMPFEN/IMPFEN.HTM

    Die komplette Impfempfehlungen findet man unter www.rki.de/GESUND/STIKO/STIKO.HTM

    Deutsches Grünes Kreuz http://www.dgk.de

    Beitrag als Real-Audio

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