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Impfung gegen Krebs?

Es klingt einfach und genial: Das körpereigene Immunsystem wird per Impfung aktiviert und zerstört Tumorzellen. Die Resultate erster klinischer Studien sind vielversprechend und eine therapeutische Impfung gegen Krebs rückt tatsächlich in greifbare Nähe. Über den Stand der Dinge diskutieren Mitte letzter Woche Wissenschaftler auf dem ersten Symposium des Vereins Immunologische Krebs-Therapie.

Mirko Smiljanic |
    Dagmar Pitschke, 42 Jahre alt, besuchte vor sechs Jahren wegen stark geschwollener Lymphknoten ihren Hausarzt. Erste Untersuchungen verhießen nichts Gutes, die Mediziner vermuteten einen bösartigen Tumor. Zwei Wochen später wurde sie operiert. Die abschließende Diagnose bestätigte den Verdacht: Dagmar Pischke leidet an einem hochmalignem Non Hotchkin Lymphom.

    Da habe ich sieben Chemotherapien gekriegt und damit hat man die ganzen Lymphomen halt weggekriegt und da war die Sache eigentlich für mich erledigt – bis zum 2. Februar.

    Sechs Jahre war die Patientin symptomfrei, doch dann entwickelten sich Rezidive am Brustkorb und in einigen Organen: Die Therapie begann von vorne. Diesmal jedoch unter besseren Vorzeichen. Analysen zeigten, dass Dagmar Pitschkes Tumor mit einer Antikörper-Therapie behandelt werden kann.

    Der Dr. Hess hat gesagt, dass ich das CD20-Molekül an meinen Tumoren hab und ich deshalb für diesen Antikörper geeignet bin und habe jetzt auch schon zwei Mal eine Chemotherapie mit den Antikörpern gekriegt, und der Erfolg war, dass alle Lymphome fast weg sind bis auf einen in der Milz und das ist schon ein Erfolg für mich.

    Die Antikörpertherapie ersetzt – vereinfacht gesagt – die nicht funktionierende Immunabwehr. Normalerweise produziert der Organismus – bei einer Virusinfektion etwa – Antikörper, die an den Eindringlingen andocken und sie zerstören. Beim Tumor funktioniert dieses Prinzip nicht. Und zwar aus gutem Grund: Tumorzellen sind körpereigene Zellen und unterliegen deshalb – wie Mediziner es nennen – der "Toleranz": Es macht keinen Sinn, wenn die Immunabwehr den eigenen Körper angreift.

    Entartete Zellen nutzen alle Möglichkeiten, um sich unsichtbar zu machen, sie können sich auf vielfältige Weise tarnen und dem Rest des Organismus, dem Immunsystem signalisieren, ich bin so wie Du, greif mich nicht an! Aus dem Grund sind die körpereigenen Abwehrmechanismen in vielen Fällen paralysiert.

    Ausgetrickst – sagt Professor Thomas Wölfel von der Universität Mainz – wird die körpereigene Abwehr mit Mäuseantikörpern. Mediziner infizieren Mäuse mit menschlichen Krebszellen, das Immunsystem entwickelt Antikörper, die – gentechnisch verträglich gemacht – dem Patienten verabreicht werden. Diese Form der Therapie funktioniert recht gut, aber noch lange nicht perfekt. Noch effektiver wäre es, wenn Antikörper Hochrisikopatienten als Impfung verabreicht werden, bevor die Krankheit ausgebrochen ist. Dabei geht es nicht nur um Antikörper, sondern um die gesamte Palette natürlicher Abwehrmechanismen.

    Dazu gehört die Ausbildung von Helfer-T-Zellen, von Killer-T-Zellen und einem ganzen Orchester von zusätzlichen Hilfszellen, die in einem komplizierten Netzwerk einander regulieren, verstärken und damit unerwünschtes Gewebe effektiv eliminieren können,...

    ...erläutert Professor Christoph Huber, Direktor der III. Medizinischen Klinik der Universität Mainz. Die Resultate aktueller Klinischer Studien sind zwar vielversprechend, allerdings darf man nicht vergessen, dass andere Therapien – etwa mit Interferonen – ebenfalls gute Ergebnisse zeigen. Außerdem hat die Antikörpertherapie einen großen Nachteil: Sie wirkt nur für einige wenige Tumorformen.

    Im Idealfall wäre sie breit und würde für viele unterschiedliche Tumorentitäten funktionieren. Konkrete ist das noch nicht erreicht worden, die genannten Krankheiten sind relativ spezifisch was die eingesetzten Impfstoffe betrifft und nur bei Hautkrebs beispielsweise in einem höheren Prozentsatz wirksam.

    Die Impfung gegen Krebs gibt es noch nicht! Gleichwohl sind sich die meisten Fachleute darin einig, dass der Antikörpertherapie die Zukunft gehört – und zwar auch der präventiven Impfung. Wie gut heute schon die klassische Variante funktioniert, hat Dagmar Pitschke an sich selbst erfahren.

    Vor allen Dingen konnte ich es am eigenen Körper mal selbst sehen, weil ich direkt am Brustkorb ein ganz großes Lymphom hatte und nach diesen Antikörpern und zwei Tagen Chemotherapie hatte er sich verabschiedet, also ich konnte zugucken, wie er sich verkleinert hat und halt verschwunden ist.

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