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Impfung gegen Rinderwahn

Medizin. - Klassische Impfungen trainieren das Abwehrsystem gegen Bakterien und Viren. Die Rinderseuche BSE indes wird durch veränderte Proteine, so genannte Prionen, ausgelöst. US-Forscher konnten jetzt dennoch Mäuse gegen diesen Erreger schützen.

Von Martin Winkelheide |
    Die krank machenden Eiweiße, die Prion-Proteine, müssen die Darmbarriere überwinden, um ins Gehirn gelangen zu können. Genau dies soll die Impfung verhindern, sagt Thomas Wisniewski von New York University School of Medicine:

    "Die ansteckende Form der Prion-Proteine gelangt über den Darm in den Körper hinein. Die Impfung bringt das Immunsystem dazu, die Prion-Proteine im Darm zu bekämpfen, bevor sie überhaupt in den Körper eindringen können. Sie werden unschädlich gemacht und ausgeschieden."

    Die Immunreaktion sollte in der Darmschleimhaut besonders stark ausfallen. Deshalb entwickelte Thomas Wisniewski eine Schluckimpfung. Er wählte Bakterien aus, die sich im Darm wohl fühlen: Salmonellen. Diese veränderte er gentechnisch so, dass sie nicht mehr gefährlich sind, also keine Durchfälle verursachen. An die Bakterien koppelte der US-Forscher ebenfalls harmlose Prion-Proteine. Das Konzept: Im Darm würde das Immunsystem lernen, die Proteine zu erkennen und spezifische Abwehrmoleküle zu bauen.

    "Das Immunsystem unterscheidet nicht zwischen der normalen und der krank machenden Form des Prion-Proteins. Es greift beide an. Deshalb gibt es bislang auch keine Impfung, die das Immunsystem dazu bringt, nur die krank machende Form abzuwehren. Das Problem ist: das krank machende Prion-Protein unterscheidet sich von dem normalen Protein einzig und allein durch seine Form."

    Da es bislang unmöglich ist, dem Immunsystem beizubringen, nur die gefährlichen Prion-Proteine anzugreifen, nicht aber die körpereigenen nützlichen, musste die Immunreaktion unbedingt auf den Darm beschränkt bleiben. Ein weiteres Argument für eine Schluckimpfung.

    "Wir wollten verhindern, dass es zu einer Immunreaktion im Gehirn kommt. Im zentralen Nervensystem werden große Mengen des körpereigenen Prion-Proteins hergestellt. Und eine Immunreaktion gegen diese Proteine hätte fatale Folgen."

    Im Tierversuch hat sich die experimentelle Schluckimpfung bereits bewährt. Geimpfte Mäuse, die über die Nahrung große Mengen des Erregers der Rinderseuche BSE fraßen, blieben gesund. Ungeimpfte Mäuse dagegen wurden krank und starben nach etwa einem halben Jahr an den Folgen der Gehirnerkrankung.

    "Solange Sie verhindern, dass krank machende Prionen in das Nervensystem gelangen, solange verhindern Sie auch, dass es zur eigentlichen Krankheit kommt."

    Theoretisch könnte die Impfung auch Menschen helfen, die an einer seltenen erblichen Prionenerkrankung leiden.

    "Menschen mit einer erblichen Prionen-Erkrankung werden krank, wenn sie 40, 50 oder 60 Jahre alt sind. Mit Hilfe der Impfung könnte es möglich sein, den Ausbruch der Krankheit zu verzögern. Vielleicht würden diese Menschen dann erst mit 80, 90 oder 100 Jahren krank – wenn überhaupt."

    Entwickelt aber wurde der Impfstoff vorrangig für die Tierzucht, so Thomas Wisniewski. Er könnte eines Tages helfen, tierische Lebensmittel sicherer zu machen. Geimpfte Rinder, Zucht-Elche und Rentiere wären geschützt vor BSE oder anderen Prionen-Erkrankungen wie der in den USA grassierenden "Wasting disease".

    "Solch eine Schluckimpfung wäre sehr nützlich. Wenn Sie alle Elche in den betroffenen Regionen impfen würden, würde sich die "wasting disease" nicht weiter ausbreiten. Und Sie könnten so verhindern, dass die Krankheit auf Menschen übertragen wird."

    An einen breiten Einsatz bei Rindern oder Elchen aber ist noch gar nicht zu denken, so Thomas Wisniewski von der Universitätsklinik New York. Weitere Tests müssen belegen, dass die Impfung nicht nur für Mäuse ungefährlich ist – und dass sie auch tatsächlich größere Säugetiere vor BSE schützen kann.