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Impfung statt Pillen

Medizin. - Bluthochdruck gilt in Industrieländern als Volkskrankheit Nummer eins. Auf Dauer erhöht das Leiden das Risiko für Schlaganfälle oder Herzinfarkte. Bald, so hoffen Mediziner, könnte die Behandlung durch eine Impfung bereichert werden.

Von Michael Engel |
    Die Wirkungen des noch namenlosen Impfstoffes stimmen die Wissenschaftler optimistisch, dass es eines Tages einen dauerhaften Schutz vor Bluthochdruck geben könnte. 100 Patienten wurden bislang mit dem Präparat behandelt, und zwar im Rahmen einer "Phase 1-Studie". Eine "Phase 2-Studie" mit 80 eingeschlossenen Patienten hat soeben unter anderem in Berlin, Leipzig und München begonnen – koordiniert von der Medizinischen Hochschule Hannover. Dr. Jan Menne:

    "Der Impfstoff richtet sich gegen ein körpereigenes Hormon. Das Hormon nennt sich "Angiotensin 2". Und Angiotensin 2 – weiß man – steigert einerseits den Blutdruck, führt aber andererseits auch zu einer Organschädigung am Herzen, Nieren aber auch andere Organen und spielt eben auch eine sehr wichtige Rolle bei der Entstehung von Blutdruck bedingten Organschäden."

    Der Impfstoff besteht aus Virushüllprotein-Fragmenten, an denen Moleküle von "Angiotensin 2" haften. Nach der Injektion entwickelt das Immunsystem des Patienten Antikörper, die dann auch das körpereigene "Angiotensin 2" bekämpfen. Patienten mit hohem Blutdruck haben hohe Konzentrationen des Hormons im Blut, das nun durch das eigene Immunsystem abgefangen wird. Gefäße weiten sich, die Niere regeneriert, der Blutdruck geht runter.

    "Normalerweise ist ein Impfstoff immer eine Prophylaxe. Das heißt zum Beispiel gegen Grippe, man möchte damit eine Grippe verhindern. Das wäre jetzt nicht das Ziel bei den Patienten, die noch keinen Bluthochdruck haben, zu impfen, dass sie später keinen Bluthochdruck entwickeln. Im Moment möchte man erst mal sicher stellen, dass es wirklich gut funktioniert und dass es eben sicher ist, und deshalb wird es nur bei Patienten durchgeführt, die auch betroffen sind."

    "Die Studien stehen noch sehr am Anfang", so der Leiter der Studienambulanz für Nieren und Hochdruckerkrankungen. In der gegenwärtigen Phase geht es vor allem darum, die richtige Dosis zu finden. Bisher wurden die Probanden mit sehr geringen Wirkstoffkonzentrationen geimpft. Noch ist nicht klar, ob die Blutdruck senkenden Effekte durch höhere Dosen gesteigert werden können. Unklar ist auch, ob die fünfmalige Impfung innerhalb von zwölf Wochen einen lebenslangen Schutz auslöst. Zurzeit gehen die Forscher noch davon aus, dass regelmäßige Auffrischungen – alle zwei bis vier Jahre – notwendig werden könnten.

    "Die Hauptnebenwirkung, die man bisher kennt von dem Impfstoff, kommt durch die lokale Spritze unter die Haut. Die Spritze wird unter die Haut am Oberarm gegeben. Und dort kommt es eben lokal zu einer Reizung, und das macht eben für ein, zwei Tage Schmerzen."

    Mit gängigen Schmerzmitteln wie "Paracetamol" sind die Schmerzen als auch die Symptome eines "grippalen Infektes" in den Griff zu bekommen. "Die Nebenwirkungen sind tolerabel", so das Urteil des Wissenschaftlers. In den nun folgenden Studien werde es vor allem darauf ankommen, dass keine gravierenden Nebenwirkungen auftreten, denn bisherige Präparate gegen Bluthochdruck sind bereits sehr nebenwirkungsarm. Die neu entwickelte Impfung soll dazu führen, dass Betroffene nicht mehr ständig verschiedenste Präparate gegen Bluthochdruck schlucken müssen. Läuft alles nach Plan, könnte der Impfstoff bereits 2012 zugelassen werden. Allerdings müssen die Menschen auch in Zukunft bereit sein, die ungesunde Lebensführung einzustellen: Abnehmen, Sport treiben, keine Zigaretten mehr. Impfstoffe – so der Forscher – sind kein Wundermittel gegen Bluthochdruck.