Archiv


Impulsgeber für die Kultur

Im vergangenen Jahr wollte Köln noch Europäische Kulturhauptstadt 2010 werden. Dabei hatte die Stadt an den Künsten zuletzt drastisch gespart. Der Kölner Kulturpolitik zum Trotz arbeitet eine Privatinitiative erfolgreich an der Gründung einer "Europäischen Kunsthalle".

Von Jörg Biesler |
    Irgendwie war es schon tollkühn, dass sich die Stadt Köln im vergangenen Jahr ernsthaft um eine Kandidatur als Europäische Kulturhauptstadt 2010 bewerben wollte: Kultur spielt in der finanziell am Boden liegenden Millionenmetropole bestenfalls eine marginale Rolle, der Weltkulturerbestatus des Kölner Doms steht auf dem Spiel, das Opernhaus soll abgerissen werden, die Kunsthalle am Neumarkt ist es bereits, und seither gähnt dort ein symbolträchtiges Loch.

    Die Sache mit der Kulturhauptstadt ist längst erledigt - die Kölner Kulturprobleme aber bleiben. An einer Baustelle allerdings arbeitet seit langem erfolgreich eine Privatinitiative. Der Verein "Das Loch e.V." betreibt einfach an der trägen Stadt vorbei in Eigenregie die Gründung einer "Europäischen Kunsthalle", hat in einer Benefizauktion auch schon Geld gesammelt und nun - heute - auch einen Direktor nominiert: Nicolaus Schaffhausen, bislang hoch angesehener Leiter des Frankfurter Kunstvereins, soll an den Rhein kommen und ein Haus leiten, von dem zur Zeit niemand weiß, wann es denn überhaupt gebaut werden wird. Anmerkungen zu einem klugen Versuch, eine kulturell unlustige Stadt zum Jagen zu tragen.

    "Et hätt no immer jot jejange", so sagt man in Köln, wenn man die Augen verschließt und einfach weitermacht voller Hoffnung. Und tatsächlich, auch nach 2.000 Jahren gibt es da immer noch eine Stadt, aber gut gegangen ist mit Blick auf die Kulturpolitik der letzten Jahre wohl etwas übertrieben. Die sichtbarste Katastrophe ist eine Grube mitten in der Innenstadt. Als über der Grube noch die Kunsthalle stand, die einem Multimuseum mit Volkshochschule weichen sollte, regte sich Protest unter Künstler und Museumsleuten, Sammlern und Galeristen.

    Die in den 60er Jahren von Franz Lammersen entworfene Kunsthalle, meinten sie, eigne sich doch ganz gut für Ausstellungen, selbst wenn sie renovierungsbedürftig sei und für den Kunstverein brauche man schließlich auch ein Haus. Aus Protest gegen den Abriss wurde die Kunsthalle lautstark besetzt. Die Stadt fand solches Engagement eher lästig, das Gespräch jedenfalls hat sie nicht gesucht, statt dessen die lauteste Gegnerin des Abrisses, der Künstlerin Rosemarie Trockel gebeten, sich nicht weiter zu engagieren. Dahinter standen betriebswirtschaftliche Überlegungen, wie man sie derzeit auch für die Oper anstellt. Das Land bezuschusst Sanierungen weitaus geringer als Neubauten, da baut man lieber neu, ist eh schöner als die 60er Jahre Architektur, wird man sich in Köln gedacht haben. Und hat nun ein Loch -und damit sämtlichen Argumente der Kritiker gegen den Abriss in einer Weise Recht verschafft, mit dem selbst die wohl nicht gerechnet hatten.

    Als die Bezirksregierung das Neubauprojekt auf Eis legte, weil sich die Stadt Köln bei den Kosten um 20 Millionen Euro verrechnet hatte und als dann auch noch das Land die nichtabgerufenen Fördermittel nach langem Hinundher gestrichen hat und Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma das Grundstück an einen privaten Investor verkaufen wollte, wurde aus den ehemaligen Abrissgegnern der Verein "Das Loch e.V." und aus der Baugrube ein Sinnbild für die gescheiterte Kölner Kulturpolitik. Der Verein um Rosemarie Trockel und Marcel Odenbach spielte mit dem Loch, machte es zum Ort von Kunstaktionen und Kulturveranstaltungen und erklärte es zum Hubschrauberlandeplatz für Investoren. So intensiv debattierte die Initiative städtebauliche, gesellschaftliche und künstlerische Ansprüche, die an eine neue Kunsthalle zu stellen wären, dass der Verein zugleich soziales Kunstwerk und ein beispielloses kulturpolitisches Forum wurde, in dem Ideen entwickelt und schließlich sogar umgesetzt wurden. Die Versteigerung gestifteter Kunstwerke brachte Ende letzten Jahres 355.000 Euro, die jetzt dem eben ernannten Leiter einer Europäischen Kunsthalle, Nicolaus Schafhausen als Etat zur Verfügung stehen. Man darf gespannt sein, was der als Impulsgeber bekannte noch museumslose Direktor damit zu Wege bringt in Kölns Kulturlandschaft. Es wird sich aber vielleicht, dass Ideen und Konzepte nicht unbedingt eines Hauses bedürfen. Das soziale Kunstwerk "Das Loch e.V." ist spätestens seit heute ein einzigartiges kulturpolitisches Projekt, ja vielleicht ein Wunder.