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In den 90er Jahren die Hochburg der Hormonmafia : Wo steht Belgien heute?

Das ist eine Ausschilderung für die Öffentlichkeit und für den Kunden. Da muss die Nummer des Tieres drauf stehen. Also die Ohrmarkennummer, wo man nachvollziehen kann, welches Tier es ist. Dann steht hier der Geburtsort, wo das Tier nachher hingebracht wurde und wo es geschlachtet worden ist. Dann gibt es zusätzlich noch mal Informationen über einzelne Teile: zum Beispiel zum Gehackten, wann es verpackt worden ist.

Von Simonne Doepgen |
    Das ist eine Ausschilderung für die Öffentlichkeit und für den Kunden. Da muss die Nummer des Tieres drauf stehen. Also die Ohrmarkennummer, wo man nachvollziehen kann, welches Tier es ist. Dann steht hier der Geburtsort, wo das Tier nachher hingebracht wurde und wo es geschlachtet worden ist. Dann gibt es zusätzlich noch mal Informationen über einzelne Teile: zum Beispiel zum Gehackten, wann es verpackt worden ist.

    Der junge Metzger aus dem deutschsprachigen Teil Belgiens erklärt, was die vielen hochoffiziellen Hinweise und Scheine an der Ladentheke aussagen. Seit einem Jahr sind die belgischen Metzger verpflichtet, Entstehung und Werdegang jedes einzelnen Stücks Fleisch bis ins letzte Detail zu kennen – und sie dürfen diese Informationen auch dem Kunden nicht vorenthalten. Denn damit die von Schweine- und Geflügelpest, von Acrylamid und Dioxin, von BSE und Hormonen gebeutelten Verbraucher wieder Vertrauen schöpfen, musste sich in Belgien einfach etwas ändern.

    Es war die Affäre rund um die belgische Hormonmafia, die Mitte der 90er Jahre nur die Spitze des Eisberges lostrat. Der Mord an dem belgischen Veterinärinspektor Karel Van Noppen zeigte auf grausame Weise, dass das Geschäft mit der Hormonmast so ernst und letzten Endes auch so profitabel ist, dass über Leichen gegangen wird. Und heute? Ist die belgische Hormonmafia noch aktiv? Der Metzger, der seinen Namen nicht nennen möchte, zeigt sich verhalten:

    Wo viel Geld drin steckt, wird viel gedreht. Das ist immer so gewesen.

    Kaum jemand, und schon gar nicht die Viehzüchter selbst, möchten zu diesem Thema Stellung beziehen. Nur die nationale Behörde zur Sicherung der Nahrungsmittelkette "AFSCA", gibt – sehr diplomatisch – Auskunft. Pascal Houbaert, AFSCA-Sprecher:

    Wir denken, dass es noch immer eine gewisse Mafia gibt, die mit Hormonen handelt. Aber nicht nur im Bereich der Viehmast. Hier haben wir es mit einem Milieu zu tun, in dem auch mit Hormonen für Sportler wie Bodybuilder, gehandelt wird. Dieses Geschäft hat so viele Facetten!

    … und es beschränkt sich nicht nur auf Belgien. Das Geschäft mit Hormonen, illegalen Medikamenten und Antibiotika läuft gut. Vor Grenzen macht der Handel nicht halt. Nur eine enge Zusammenarbeit zwischen Tierärzten, Veterinärkontrolleuren, Polizei und Justiz macht Hoffnung auf kleine Erfolge.

    Seit den 80er und 90er Jahren haben wir die Kontrollen in den Schlachthöfen und bei den Bauern verstärkt. Mit Erfolg! Denn wir konnten viele behandelte Tiere aufspüren, jede Menge verbotene Substanzen sicherstellen und die Schuldigen zur Verantwortung ziehen.

    Erst im Juni vergangenen Jahres wurden die Drahtzieher der belgischen Hormonmafia rund um den Tierarzt-Mord Van Noppen zu 25 Jahren Haft verurteilt. Viel zu spät meinen Kritiker. Viel zu spät ist in den Augen vieler Belgier auch die nationale Behörde zur Nahrungsmittelkontrolle errichtet worden. Diese nahm ebenfalls erst im Sommer 2002 ihre Arbeit auf. Pascal Houbaert:

    Man muss wissen, dass die Behörde als Reaktion auf den Dioxin-Skandal ins Leben gerufen wurde. Vorher gab es zwar einzelne Kontrollstellen – doch es traten immer wieder viele Kommunikations- und Koordinierungsprobleme auf.

    1.300 Menschen arbeiten seitdem fieberhaft an strengeren Kontrollen, an einer Vereinheitlichung der Regelwerke und daran, das Vertrauen in der Bevölkerung wieder zurückzugewinnen.

    Wenn man auf alles achten müsste – ob gesund oder nicht, könnten wir gar nichts mehr essen. Sag´ ich mir. Also dementsprechend…

    Dementsprechend sind die Kontrollauflagen in Belgien seit nun fast einem Jahr so hoch wie noch nie. Es seien gar die strengsten Europas, versichert die AFSCA im hausinternen Informationsblatt.

    Ich finde es zu streng, quasi – weil es schon extrem ist. Wenn man all´die Jahre nie kontrolliert worden ist und jetzt schon. Das ist schon extrem.

    … so die Meinung des Metzgers. So extrem, dass die Behörden nun vor neue Probleme gestellt werden: Zum Beispiel kursiert das Gerücht, dass belgische Rinder in den Niederlanden mit verbotenen Hormonpräparaten gemästet werden, um den belgischen Kontrollen zu entkommen. Kurz vor der Schlachtung würden die Tiere ausgeführt, um in nur wenigen Wochen ihr Gewicht von 600 auf 800 Kilo hochzutreiben. Belgische Regierungskreise bestätigten hier allerdings nur den sprunghaften Anstieg der Viehexporte ins Nachbarland: Wurden früher noch 4.000 Rinder pro Monat exportiert, gelangen nun 8.000 Tiere nach Holland. Und nun? Noch einmal Pascal Houbaert von der belgischen Kontrollbehörde AFSCA:

    Wir kooperieren natürlich mit unseren Kollegen aus den Niederlanden und Frankreich. Auch auf Unionsebene arbeiten wir eng zusammen. Doch hier gibt es noch jede Menge Probleme – aber irgendwie bekommen wir das schon in den Griff!

    Erst im Jahr 2006 tritt eine EU-Regelung in Kraft, die es Viehzüchtern voll und ganz verbietet, wachstumsfördernde Medikamente zu verabreichen. Doch selbst dann wird es schwierig bleiben, die chemischen Substanzen nach Verabreichung aufzuspüren. Denn bei Schweinen zum Beispiel sind die zugefütterten Hormone schon nach sieben Tagen komplett wieder abgebaut – sie nachzuweisen ist somit ein wahres Glücksspiel.