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In den Tod geschickt

Die Volkgruppe der Rohingya werden in Birma unterdrückt. Viele von ihnen fliehen nach Thailand, Malaysia oder Indonesien. Die thailändische Marine beendet diese Flucht brutal. Sie hat in den letzten Monaten fast 1000 Flüchtlinge festgenommen und auf dem offenen Meer wieder ausgesetzt. Knapp 500 Menschen werden vermisst, vermutlich sind sie ertrunken.

Von Bernd Musch-Borowska | 07.02.2009
    Sie waren halb verdurstet, ausgehungert und völlig erschöpft, als sie von der Küstenwache aufgenommen und an Land gebracht wurden. Bei den Flüchtlingen handelt es sich um Rohingya, Angehörige einer ethnischen Minderheit, die von der Militärregierung in Birma nicht als Staatsbürger anerkannt und seit Jahren verfolgt werden.

    Die Männer, die in einem Krankenhaus auf der Insel Sabang bei Banda Aceh medizinisch versorgt werden, waren in kleinen seeuntauglichen Booten über die Andamanensee gekommen und sie berichteten von furchtbaren Erlebnissen.

    "Ein paar Fischer haben uns auf dem Meer gesehen. Wir haben um Hilfe gerufen, denn wir hatten keinen Motor. Die Thailänder haben uns einfach im offenen Meer ausgesetzt. Die Fischer haben uns gerettet."

    Bei ihrer Überfahrt von Birma oder Bangladesch seien sie in thailändische Gewässer geraten, berichteten die Männer. Die thailändische Marine habe sie geschlagen und misshandelt und dann in seeuntauglichen Booten auf das Meer hinausgezogen und einfach ihrem Schicksal überlassen.

    Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen UNHCR hat eine Untersuchung der Vorwürfe verlangt. Kitty McKinsey, die Sprecherin des UNHCR in Bangkok:

    "Die thailändische Marine kann natürlich Boote daran hindern, an der thailändischen Küste zu landen. Aber was ihnen vorgeworfen wird ist, dass sie die Bootsflüchtlinge auf kleine Inseln gebracht, sie dort für einige Tage festgehalten und dann in Booten auf das offene Meer hinausgezogen haben sollen, ohne Trinkwasser und Lebensmittel und in Booten ohne Motor. Und was das bedeutet, kann man sich vorstellen."

    Die Rohingya sind eine ethnische Minderheit aus dem Staat Arakan, im Nordwesten Birmas an der Grenze zu Bangladesch. Sie sind Muslime und wollen angeblich nach Malaysia reisen, wo bereits mehr als 20.000 Rohingya leben sollen.

    Die Rohingya, die seit Anfang des Jahres an der Küste der indonesischen Insel Sumatra angekommen sind, werden in Indonesien ebenso wie in Thailand als illegale Einwanderer betrachtet und sollen nach einer medizinischen Versorgung abgeschoben werden. Teuku Faizasyah, der Sprecher des indonesischen Außenministeriums:

    "Nach einzelnen Befragungen der Bootsflüchtlinge können wir zu dem Schluss kommen, dass es sich um Wirtschafts-Immigranten handelt. Wir müssen klären, was sie wollen und wie weiter mit ihnen verfahren werden soll."

    Die muslimischen Rohingya werden von der Militärregierung in Birma nicht als ethnische Minderheit des Vielvölkerstaates Myanmar anerkannt, sondern als illegale Einwanderer aus dem benachbarten Bangladesch betrachtet. Hunderttausende waren in den 70-er und 90-er Jahren nach Bangladesch geflohen, weil sie in ihrer Heimat verfolgt wurden.

    Nurul Islam, der Präsident einer Exil-Organisation der Rohingya sagte im australischen Rundfunk, die Angehörigen seines Volkes seien in Birma völlig recht- und schutzlos:

    "Sie leben dort in völliger Armut. Ihre Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt, sie können nicht heiraten, haben keine Religionsfreiheit. Sie werden zur Arbeit gezwungen, gefoltert, ihr Land wird konfisziert. Die Militärregierung hat eine Situation geschaffen, in der die Rohingya nicht in Frieden in Birma leben können."

    In Flüchtlingslagern in Bangladesch an der Grenze zu Birma leben schätzungsweise rund eine Million Rohingya, unter erbärmlichen Bedingungen und in völliger Armut. Auch von dort haben in den vergangenen Wochen Tausende die gefährliche Überfahrt über die Andamenensee angetreten, mit der Hoffnung auf ein besseres Leben, in Malaysia oder Indonesien oder Thailand.

    "Mein Mann hat mir nicht gesagt, dass er nach Malaysia fährt. Ich dachte er ist zum Fischen rausgefahren. Wenn ich gewusst hätte, was er vorhat, hätte ich ihn nicht fahren lassen."

    "Wir sind aus Myanmar gekommen, weil es dort keinen Frieden für uns gab. Hier in Bangladesch ist es auch nicht besonders gut, deshalb hat mein Mann versucht, nach Malaysia zu fahren. Aber das Schiff ist bei den Andamanen-Inseln untergegangen."

    Die Vorwürfe gegen die thailändische Marine, sie habe Hunderte Bootsflüchtlinge aus Birma misshandelt und auf dem Meer schutzlos ihrem Schicksal überlassen, wiegen schwer und haben weltweit einen Aufschrei der Empörung hervor gerufen.

    Thailand hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Touristen am Strand der Similian Islands nördlich von Phuket hatten jedoch Fotos gemacht, wie rund 100 Bootsflüchtlinge aufgegriffen und am Strand gefesselt und misshandelt wurden. Thailands Premierminister Abhisit Vejjajiva hat eine Untersuchung angekündigt. Allerdings sollen die Nachforschungen offenbar von einer Einheit geleitet werden, die maßgeblich für die Misshandlung der Flüchtlinge verantwortlich gewesen sein soll.

    "Die Streitkräfte wurden aufgefordert, die Vorwürfe zu untersuchen und zu erklären, was geschehen ist. Es gibt eine ganze Reihe von Fotos, auf denen zu sehen ist, wie diese Leute behandelt wurden. Aber es gibt unterschiedliche und sich widersprechende Erklärungen dafür. Wir werden das untersuchen."

    Ein Bleiberecht will Thailand den Bootsflüchtlingen aus Birma jedoch nicht einräumen. In Ranong demonstrierten Einwohner gegen angebliche Pläne, ein weiteres Flüchtlingslager einzurichten. An der thailändisch-birmanischen Grenze leben seit Jahren Hunderttausende Flüchtlinge aus Birma. Thailands stellvertretender Premierminister Suthep Thaugsuban:

    "Wir sind nicht in der Lage, diese Last zu tragen. Wir können den Flüchtlingen humanitäre Hilfe bereit stellen, wir können ihnen etwas zu essen geben, aber dann müssen sie weiterreisen. Unser Land ist nicht stark genug, weitere 200.000 oder 300.000 Rohingya aufzunehmen."